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    The Mule
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    The Mule

    Clint Eastwood hat’s auch mit 88 noch voll drauf!

    Von Christoph Petersen

    Nachdem er schon vor zehn Jahren angekündigt hatte, dass seine Rolle als grummeliger Rache-Rentner in „Gran Torino“ sein letzter Auftritt als Schauspieler sein werde, hat es den als Regisseur weiterhin vielbeschäftigten Clint Eastwood für „The Mule“ nun im stolzen Alter von 88 Jahren doch noch mal vor seine eigene Kamera gezogen. Ein wahrer Glücksfall! Mit seinem schier unerschöpflichen Old-School-Charme wertet er das schwächelnde, auf einem New-York-Times-Artikel basierende Skript von Nick Schenk spürbar auf. Schließlich hat seine Figur, ein 90-jähriger Veteran des Koreakriegs und Kurier für ein mexikanisches Drogenkartell, im Film gleich zwei Mal einen flotten Dreier mit Frauen, die auch seine Urenkelinnen sein könnten. Zwar beweist Eastwood in diesen Szenen eine gesunde Portion Selbstironie, aber trotzdem: Welchem Schauspieler jenseits der 85 hätte man sonst zugetraut, dass er mit seinem stoischen Charisma nicht nur junge Schönheiten, sondern auch einen Haufen knallharter Kartell-Killer um den Finger wickelt?

    Earl Stone (Clint Eastwood) war schon immer auf Achse. Sein Job als Blumenzüchter hat ihn auf Messen in „42 der 50 US-Staaten“ geführt. Die Familie musste dabei allerdings immer hintenanstehen, seine Tochter Iris (Alison Eastwood) hat er sogar am Tag ihrer Hochzeit versetzt. Aber nun ist seine Lilienfarm bankrott und er steht mit 90 Jahren vor dem Ruin. Da kommt das Angebot eines Bekannten seiner Enkelin Ginny (Taissa Farmiga) gerade recht: Earl soll einfach nur ein Paket quer durch Illinois transportieren und dafür mehrere Tausend Dollar kassieren. Daran, dass seine Auftraggeber offensichtlich Mitglieder eines mexikanischen Drogenkartells sind, scheint sich der Senior zunächst gar nicht weiter zu stören. Und so entwickelt sich Earl schnell zum gefragten Kokain-Chauffeur, der schließlich sogar die Aufmerksamkeit von Kartellboss Laton (Andy Garcia) persönlich erregt und regelmäßig mehr als 100 Kilo Drogen auf der Ladefläche seines Pick-Up-Trucks herumkutschiert. Schließlich würde nicht einmal der erfolgshungrige FBI-Agent und Drogenfahnder Colin Bates (Bradley Cooper) auf die Idee kommen, einen fast 90-jährigen Kriegsveteranen zu verdächtigen...

    Der New-York-Times-Artikel „The Sinaloa Cartel's 90-Year Old Drug Mule“ erzählt die Geschichte von Leo Sharp, einem 1924 geborenen Zweiter-Weltkriegs-Veteran, der mehr als ein Jahrzehnt lang Drogen für das Kartell ins Land gebracht und sich damit unter dem Codenamen „Tata“ sogar den Status einer urbanen Legende erarbeitet hat. In seinem Skript hält sich „Gran Torino“-Autor Nick Schenk zwar von der Lilienzucht über Earls Lieblingshemd bis zu den Ermittlungsmethoden der Behörden weitgehend an die Fakten, aber er dichtet auch noch einen im Film zentralen Erlösungsplot hinzu: Die realen Vorgänge dienen hier am Ende nämlich vor allem als Triebfeder für die Selbsterkenntnis eines altgewordenen Egoisten, der auf der Zielgeraden seines Lebens endlich versteht, was für ein Arschloch er gegenüber seiner Familie all die Jahre gewesen ist und der deshalb nun Abbitte leisten will. Ein relativ ausgelutschter Plot, dessen Klischeehaftigkeit auch Eastwood außer seinem rohen Schauspieltalent kaum etwas Essentielles entgegenzusetzen hat.

    Aber über weite Strecken des Films ist das durchaus genug: Wenn Earl in seinem schwarzen Pick-Up-Truck die schnurgeraden Highways entlanggleitet und dabei alte Sinatra-Klassiker mitschmettert, können sich nicht mal die ihn heimlich abhörenden Kartell-Killer seinem Charme entziehen: Nachdem sie zunächst noch von ihrem Job als Opa-Aufpasser sichtlich genervt sind, singen sie schließlich sogar selbst lautstark mit. Natürlich ist das eine arg süßliche Pointe. Aber man kann die knallharten Verbrecher schon verstehen: Auch wir hätten vermutlich kein Problem damit gehabt, Eastwood einfach nur knappe zwei Stunden lang beim vollkommen entspannten Autofahren zuzuschauen und zuhören – bei der Ausstrahlung, die die vierfach oscarprämierte Leinwand-Legende (jeweils als Regisseur und Produzent für „Erbarmungslos“ und „Million Dollar Baby“) auch mit 88 Jahren noch immer besitzt.

    Die Opfer werden in „The Mule“ hingegen konsequent ausgeblendet – man sieht im ganzen Film nicht einen einzigen Süchtigen und auch die Drogen erscheinen maximal für Sekundenbruchteile im Bild. Auch wirkt das Kartell-Geschäft trotz immer gezückter Maschinengewehre und bedrohlicher Tattoos die meiste Zeit über ziemlich harmlos, fast schon niedlich. Nur in zwei, drei Szenen im finalen Drittel wird es mal etwas ungemütlicher. Die lange Zeit unfruchtbare Polizeiarbeit dient ebenfalls vornehmlich als Lieferant für belustigende Momente, wenn Earl den Ermittlern aufgrund seiner Erscheinung mal wieder durch die Lappen geht. Und so versuchen Bradley Cooper („A Star Is Born“) und Michael Peña („Ant-Man And The Wasp“) auch gar nicht erst, ihre Rollen als Bundesagenten übermäßig ernsthaft anzulegen, sondern liefern sich stattdessen vor allem trockenhumorige Schlagabtäusche. Amüsant genug. Der Versuch, mittels eines Aufeinandertreffens in einem Waffelrestaurant eine persönliche Verbindung zwischen Jäger und Gejagtem aufzubauen, scheitert hingegen an der Kalenderspruchartigkeit der Tipps, die der seine Lebensfehler langsam einsehende Earl seinem jungen Verfolger, der gerade seinen Hochzeitstag verpennt hat, mit auf den Weg gibt.

    Fazit: Bei „The Mule“ steht diesmal nicht der Regisseur, sondern der Schauspieler Clint Eastwood im Vordergrund – mit seiner einnehmenden Performance macht er einen streckenweise unnötig überzuckerten Stoff quasi im - inzwischen schon sichtbar wackligen - Alleingang sehenswert.

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