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    The Tax Collector
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    1,5
    enttäuschend
    The Tax Collector

    … und dafür ein Tattoo?

    Von Oliver Kube

    Wer sich den Trailer von „The Tax Collector“ anschaut, könnte leicht auf die Idee kommen, dass Shia LeBeouf die Hauptrolle in dem Action-Thriller von „Suicide Squad“-Regisseur David Ayer verkörpert – und wahrscheinlich hat die Marketingabteilung auch nicht aktiv gegengesteuert, um diesem Fehleindruck zu vermeiden. Auf jeden Fall ist der „Transformers“-Star, der zuletzt vor allem durch allerlei Kontroversen abseits der Kinoleinwand auf sich aufmerksam gemacht hat, hier „nur“ in einer größeren Nebenrolle zu sehen.

    Aber nicht nur Shia-LeBeouf-Fans dürften von „The Tax Collector“ enttäuscht sein: Denn der Film ist durchzogen von plumpen Gangster-Klischees, generischen Situationen und stereotypen Figuren. Dazu gibt es logische Ungereimtheiten, Wiederholungen und spürbare Längen auch aufgrund der arg schwachen Dialoge. Unwillkürlich drängt sich die Vermutung auf, dass Shia LaBeouf seinem „Herz aus Stahl“-Regisseur inzwischen einfach blind vertraut? Ansonsten stellt sich nämlich schon die Frage, warum er sich ausgerechnet für ein so unausgegorenes Projekt ein echtes (!), seinen kompletten vorderen Oberkörper bedeckendes Tattoo stechen ließ?

    David (Bobby Soto) und Creeper (Shia LaBeouf) kennen beim Eintreiber der Bandengelder keine Gnade!

    Geld eintreiben – und die Schuldner notfalls bedrohen, verprügeln und ermorden: David (Bobby Soto) und Creeper (Shia LaBeouf) tun alles, was Wizard (Jimmy Smits) von ihnen verlangt. Dass ihr Boss selbst schon seit Ewigkeiten im Knast sitzt, spielt dabei keine Rolle. Das Duo fährt tagein, tagaus im schwarzen SUV durch Los Angeles und kassiert bei den lokalen Straßengangs 30 Prozent von deren Einkünften aus illegalen Machenschaften ab. Im Gegenzug bieten sie ihnen Schutz vor Konkurrenten und der Polizei. Sollte jemand allerdings in Verzug geraten oder einen Teil der Einnahmen unterschlagen, verstehen die Tax Collectors absolut keinen Spaß.

    Das Business läuft wie geschmiert. David und seine ebenfalls in die Geschäfte involvierte Familie führen ein komfortables Leben. Doch dann taucht plötzlich ein Typ namens Conejo (Jose Conejo Martin) auf. Der mexikanische Gangster erklärt wortreich, dass er fortan die Geschäfte von Wizard übernehmen werde. Er bietet David und Creeper „großzügig“ an, ab sofort für ihn zu arbeiten. Als das Duo ablehnt, bricht ein gnadenloser Gangsterkrieg los…

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    Shia LaBeoufs Creeper ist sträflich unterentwickelt. Der Mann hält sich gern fit, trägt einen Maßanzug, steht auf heiße Ladies und ist absolut gewissenlos – mehr erfahren wir nicht über ihn. LaBeouf versucht mit kleinen Gesten und Manierismen merklich sein Bestes, um der schablonenhaften Figur zumindest ein wenig Tiefe zu verleihen, erhält dabei vom Skript aber viel zu wenig Unterstützung.

    Stattdessen ist Bobby Sotos David als Identifikationscharakter für den Zuschauer gedacht: Wir besuchen sein luxuriöses Heim, lernen seine Frau (Cinthya Carmona) und die Kids kennen. Wir sollen mit ihm fühlen, wenn er in den frühen Momenten von seiner Slacker-Cousine (Chelsea Randon) enttäuscht, seinem von Komiker George Lopez todernst gespielten Onkel erniedrigt und seinem Partner Creeper veräppelt wird. Im Kopf von David Ayer mag David als eine Art Chicano-Version von Michael Corleone, dem Protagonisten der „Der Pate“-Trilogie, geplant gewesen sein. Doch dafür ist dieser Möchtegern-Antiheld viel zu langweilig gezeichnet.

    Der ruchlose Conejo (Jose Conejo Martin) bricht noch seinem Auftauchen sofort einen blutigen Bandenkrieg vom Zaun.

    Zudem entwickelt der „Narcos“-Star hier einfach zu wenig darstellerisches Charisma und kommt meist hölzern rüber. Mehrfach bekommt man als Zuschauer das Gefühl, es wäre ihm regelrecht unangenehm, solche pathetisch-gestelzten Sprüche wie „Ich lebe für meine Familie. Ich sterbe für meine Familie. Ich töte für meine Familie.“ abzulassen, während er im selben Moment einem Kontrahenten mit einem von der Wand gerissenen Spülbecken den Schädel zu Brei schlägt. Auch die ruhigeren Momente, in denen die Liebe des Ehepaars und damit die ganze Tragik des Gangsterkrieges etabliert werden sollen, wirken allzu krampfhaft.

    Apropos Gewalt: Einige der zahlreichen Fights und Shootouts sind mit ihren extremen Zeitlupen, oft unerwartet gesetzten Schnitten und ebenfalls ungewöhnlich gewählten Blickwinkeln durchaus ansehnlich im Musikvideo-Stil in Szene gesetzt. Allerdings sind sie Gewaltspitzen dabei oft nicht nur übertrieben, sondern direkt comichaft brutal, was dann doch oft eher zum Wegschauen als zum Staunen animiert. „The Tax Collector“ hat in Deutschland deshalb nicht mal eine Freigabe ab 18 Jahren erhalten, erscheint aber trotzdem ungeschnitten fürs Heimkino.

    GTA lässt grüßen

    Ein Beispiel dafür ist eine an das Videospiel „Grand Theft Auto“ erinnernde Sequenz: Einem Mann wird seine linke Gesichtshälfte bis auf die Schädelknochen weggeschreddert, indem sein Kopf aus einem fahrenden Auto hinaus durch die geöffnete Tür auf den Straßenbelag gedrückt wird. Anschließend kann der Kerl aber immer noch sein Smartphone bedienen und halbwegs verständlich sprechen. Das ist übertrieben drastisch und auch ganz schön albern zugleich. Generell scheint David Ayer Freude daran zu haben, wenn sich seine Schauspieler in völlig unglaubwürdigen Mengen von Blut suhlen. Zwei von ihnen liegen in einer späteren Szene sogar, hübsch aus der Vogelperspektive eingefangen, in einer ganzen Badewanne voll damit.

    Womöglich im Rahmen einer fehlgeleiteten Suche nach Authentizität setzt der Filmemacher im Laufe von „The Tax Collector“ immer wieder auch auf Laiendarsteller: So werden etwa einige der Gangbanger von Mitgliedern der realen Bande Bloods gespielt. Diese kommen allerdings allesamt rüber, als würden sie ihre wenigen Textzeilen mühevoll auswendig gelernt aus ihrem Kopf pressen. Der Antagonist wird derweil vom in Südkalifornien Kultstatus innehabenden Old-School-Gangsta-Rapper Conejo verkörpert, der hier allzu offensichtlich sein Leinwanddebüt gibt.

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    Conejo ist ein Psychopath, wie er im Buche steht. Aber als ob seine Taten nicht schon laut genug für sich schreien würden, schaut er vorsichtshalber durchgehend auch noch schön grimmig drein. Zudem nuschelt er ständig vom Teufel und praktiziert dabei eine Art Voodoo-Zeremonie, bei der nackte junge Frauen opfert, was ihn aber nicht davon abhält, nebenher auch noch Online-Aktiengeschäfte zu tätigen. Wirklich volle Kanne „evil“ der Bursche. Interessant ist die Figur deshalb aber nicht. Stattdessen wirkt sie – genau wie Conejos in High Heels und Minirock auftretende Vollstreckerin Gata (Cheyenne Rae Hernandez) – lediglich einer platten Karikatur von vergleichbaren Charakteren aus weit besseren Filmen.

    Vieles in „The Tax Collector“ wirkt ausgelutscht. Spannung und Intensität kommt dabei trotz einiger gelungener inszenatorischer Finessen nur selten auf. Auch weil die immer wieder lustlos eingestreuten Flashbacks, die die längst sonnenklare Motivation des Protagonisten zusätzlich illustrieren sollen, den Film immer wieder unnötig ausbremsen. Zu schlechter Letzt ist der groß aufgebaute Twist in der finalen Szene alles andere als eine Überraschung und deshalb auch ein glatter Schuss in den Ofen.

    Fazit: Ein zumindest streckenweise visuell ansprechender, hyperbrutaler, von einem miesen Drehbuch und zu vielen mäßigen Darstellern ruinierter Exploitation-Reißer. Dafür hätte sich Shia LaBeouf nun wirklich nicht den halben Körper tätowieren müssen.

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