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    After Passion
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    After Passion

    Definitiv jugendfrei!

    Von Antje Wessels

    Spätestens seit dem überragenden Erfolg der von der „Twilight“-Saga inspirierten Sadomaso-Romantik-Reihe „Fifty Shades Of Grey“ ist das junge literarische Genre der Fanfiction in aller Munde. Dabei startete der Trend, bei dem Anhänger einer bestimmten Figur oder Reihe selbst die Weiterentwicklung populärer Geschichten in die Hand nehmen, bereits in den frühen 1930er Jahren. Damals schlossen sich Liebhaber der „Sherlock Holmes“-Bücher zusammen und begannen, weitere Abenteuer des berühmten britischen Detektivs zu verfassen. Heutzutage sind die Internetforen voll mit selbstgeschriebenen Fantasien zu so ziemlich jedem erdenklichen Franchise – und neben einigem amateurhaften Mist finden sich in diesen Postings oft auch Perlen, die selbst für Nicht-Fans des Originalstoffes sehr lesenswert sind.

    Die damals 24-jährige Anna Todd suchte sich 2013 die britisch-irische Teenie-Boyband OneDirection als Inspiration für ihre Storys aus. Unter dem Pseudonym „Imaginator 1D“ begann die gebürtige Amerikanerin, auf der Fanfiction-Website Wattpad eine erotische Liebesgeschichte zwischen OneDirection-Sänger Harry Styles (umbenannt in Hardin Scott) und einer sexuell unerfahrenen College-Schülerin namens Tessa (angelehnt an die Schauspielerin Indiana Evans) zu veröffentlichen. Eineinhalb Jahre, 2.500 Seiten sowie mehr als eine Milliarde Aufrufe später erhielt Todd einen Autorenvertrag und ihre fortan „After“ betitelte, inzwischen fünf Bände umfassende Romanreihe entwickelte sich zum weltweiten Bestseller.

    Von Erotik keine Spur

    Nun kommt die Verfilmung des ersten Bandes „After Passion“ als weichgespülte Teenie-Romanze (also fast vollständig ohne das sexuelle Innuendo der Vorlage) ins Kino. Die Zielgruppe lässt sich dabei klar umreißen: Wer gerade selbst seine erste große Liebe, heiße Flirts, den ersten Sex und gebrochene Herzen erlebt, für den dürfte die gefällig-seichte Schmonzette tatsächlich aufregend sein. Alle anderen machen um „After Passion“ von Kinodebütantin Jenny Gage aber am besten einen großen Bogen. Denn mit etwas mehr emotionalem Abstand stechen vor allem die banalen Dialoge und der darstellerisch (noch) arg beschränkte Hauptdarsteller Hero Fiennes-Tiffin („Cleaning Up“) negativ heraus.

    Tessa (Josephine Langford) und Hardin (Hero Fiennes-Tiffin) hängen gemeinsam ab.

    Tessa (Josephine Langford) freut sich aufs College. Ihre selbstbewusste Zimmernachbarin Steph (Khadijha Red Thunder) nimmt die schüchterne junge Frau sofort unter ihre Fittiche und stellt sie ihren rebellischen Freunden (Samuel Larsen, Inanna Sarkis, Pia Mia, Swen Temmel) vor. Auf einer Party macht Tessa zudem die Bekanntschaft von Hardin Scott (Hero Fiennes-Tiffin), einem attraktiven, aber schweigsamen und dadurch nur umso faszinierenderen jungen Mann. Als sie Hardin bei einem Wahrheit-oder-Pflicht-Spiel eine Abfuhr erteilt, beginnt auch er, Interesse an Tessa zu entwickeln. Fortan verbringen die beiden immer mehr Zeit zusammen. Es ist der Beginn einer großen Liebe, in deren Folge Tessa nicht bloß die Beziehung zu ihrem Highschool-Freund Noah (Dylan Arnold) beendet, sondern auch den Kontakt zu ihrer skeptischen Mutter (Selma Blair) abbricht. Doch Hardin ist ein komplizierter Mann: Zeigt er sich in einem Moment noch ganz verliebt, geht er im nächsten schon auf Abstand. Ein potenziell zerstörerisches Gefühlschaos scheint unausweichlich...

    Im Vorfeld des Kinostarts von „After Passion“ wurde die Romanze immer wieder als „Shades Of Grey für Teenies“ bezeichnet. Und tatsächlich ähneln sich die Reihen nicht nur, weil sie ihren Ursprung in der Fanfiction haben. Auch die Prämissen und die Figurenkonstellationen sind durchaus vergleichbar: Auch in „After Passion“ steht eine sexuell unerfahrene Frau im Mittelpunkt, die sich von der kühlen Aura eines wesentlich erfahreneren Mannes angezogen fühlt. Durch die Beziehung zu ihm fängt auch sie langsam an, ein Gespür für ihre eigenen erotischen Wünsche zu entwickeln. Das Thema BDSM spielt allerdings keine Rolle und sowieso geht es in „After Passion“ noch einmal deutlich züchtiger zu als in den auch nicht gerade offensiv-erotischen „Shades“-Verfilmungen. Zwar dreht sich zwischen den Frischverliebten lange Zeit (fast) alles darum, wann sie denn nun miteinander intim werden. Aber wenn es dann soweit ist, blendet die Kamera schon sehr frühzeitig weg. Vom leicht anrüchigen Reiz der Vorlage ist jedenfalls in der Leinwandadaption (fast) nichts übriggeblieben. Auch abseits des Sex fehlen in „After Passion“ etliche Szenen aus dem Roman, vor allem wenn es darum geht zu zeigen, was für ein Arsch Hardin mitunter auch sein kann (und gerade aus dieser Reibung entsteht auf den Buchseiten ja erst die titelgebende Passion, die deshalb nun im Film auch ein gutes Stück weit auf der Strecke bleibt).

    Die bessere Anastasia Steele

    Die „Shades Of Grey“-Bücher bekamen zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung gleich aus mehreren Gründen Gegenwind: Während sich Anhänger der BDSM-Szene nicht nur über das falsch transportierte Bild ihrer Szene echauffierten und das geschilderte Verhalten von Hauptfigur Christian Grey als manipulativ und gefährlich einordneten, sorgte vor allem die literarische Qualität für massive Kritik. In einem weiteren Punkt ist „After Passion“ der Konkurrenz ebenfalls klar überlegen: Drehbuchautorin Susan McMartin („Mom“) etabliert Tessa Young als kluge, selbstbestimmte Frau, die sich nicht nur in der Literaturvorlesung euphorisch über den feministischen Mehrwert von Jane Austins „Stolz & Vorurteil“ freut, sondern auch das Tempo in der Beziehung zu Hardin lange Zeit vorgibt – und sich dabei trotzdem den Avancen des jungen Mannes hingibt.

    Josephine Langford, Schwester von „Tote Mädchen lügen nicht“-Star Katherine Langford, bringt diese Unsicherheit ob der ersten großen Liebe ebenso glaubhaft zum Ausdruck wie das Einstehen für ihre eigenen Bedürfnisse im Umgang mit Hardin. Diesen legt Hero Fiennes-Tiffin, Neffe von Lord-Voldemort-Darsteller Ralph Fiennes, als geheimnisvoll-schweigsamen Rebell an – natürlich in Lederjacke und übersäht mit Tattoos. Leider nimmt man dem 21-jährigen Briten diese Rolle aber zu keinem Zeitpunkt ab: Indem man eineinhalb Stunden lang mit demselben leeren Gesichtsausdruck herumläuft, bringt man es ganz sicher nicht zum nächsten James Dean (wenn wir an dieser Stelle schreiben würden, ihr könnt den Namen ja mal googeln, wäre das von uns wohl zugleich auf herablassende Art überheblich und eine realistische Einschätzung).

    Mal mit T-Shirt baden gehen: Josephine Langford mit Hero Fiennes-Tiffin in "After Passion".

    Allerdings macht es ihm das Skript auch nicht gerade leichter. Die sich am miserablen Schreibniveau der Buchvorlage orientierenden Dialoge, deren Schwülstigkeit man – wie stellenweise im ersten „Fifty Shades Of Grey“ – ruhig durch ein wenig mehr Verve und Augenzwinkern hätte abfedern können, sind über weite Strecken nämlich einfach nur peinlich-hölzern. Als Hardin seine Freundin etwa in einer Astronomie-Vorlesung besucht und sie mit aufgesetzt verruchter Stimme fragt, ob sie da „gerade etwas über Sterne lerne“, würde ein etwas verschmitzterer Tonfall schon genügen, um klarzumachen, dass Hardin um die Idiotie seiner gestellten Frage weiß. So kommt er aber einfach nur als möchtegern-cooler Depp rüber (zumindest in der deutschen Synchronfassung).

    Während einige beiläufig abgehandelte Konflikte wie Hardins schwieriges Verhältnis zu seinem Vater oder Tessas lieblos aufrechterhaltene Beziehung zu ihrem Sandkastenfreund Noah die eigentliche Liebesgeschichte unnötig in die Länge ziehen, gibt es zwischen all dem Kitsch auch einige wirklich gelungene Momente. Vor allem dann, wenn die Figuren einfach mal wenig bis gar nichts sagen und die Kamera das Gezeigte für sich sprechen lässt. Das erste richtige Kennenlernen an einem See gehört dazu, genauso wie ein gemeinsames Badewannenbad, in dessen Folge Hardin zu seiner Freundin das erste Mal „Ich liebe Dich!“ sagt. Und mit der allerletzten Einstellung nach einem durchaus überraschenden Twist setzt die Regisseurin sogar auf ein regelrechtes Understatement, was dafür sorgt, dass der aktuelle Beziehungsstatus von Tessa und Hardin für jeden nach eigenem Gusto als Happy- oder Not-So-Happy-End interpretierbar ist. Wobei das mit dem offenen Ende natürlich nicht lange so bleiben wird, die Fortsetzung „After Truth“ dürfte schließlich nur noch reine Formsache sein.

    Fazit: „After Passion“ ist eine harmlos-kitschige Teenie-Romanze mit einer überzeugenden Protagonistin und einem weit weniger überzeugenden Hauptdarsteller, der einfach nicht genügend Talent besitzt, um die miesen Dialoge zu überspielen.

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