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    Thirteen Lives - Dreizehn Leben
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Thirteen Lives - Dreizehn Leben

    Amazon Prime Video zieht gegen Disney+ den Kürzeren!

    Von Björn Becher

    Wie sehr die sich über 18 Tage hinziehende Rettung von zwölf Jungen und ihrem Fußballcoach aus einer überfluteten Höhle in Thailand im Sommer 2018 die Welt in Atem gehalten hat, beweisen nicht nur die zahlreichen Sondersendungen und Nachrichtenschalten, die es damals quasi in allen Ländern der Welt gab. Auch wie sehr sich die Filmindustrie nun im Anschluss damit auseinandersetzt, zeugt davon. In Thailand entstand bereits kurz im Anschluss an das Drama der international noch wenig beachtete Film „The Cave“. Doch nun bläst auch Hollywood zum Großangriff. Nach der bewegenden Dokumentation „The Rescue“, die hierzulande Ende 2021 auf Disney+ erschien, konkurrieren im August und September 2022 gleich drei (!!!) Projekte über die Rettungsaktion auf einmal um die Gunst des Publikums.

    Nach dem ab Anfang August in den US-Kinos laufenden Drama „Cave Rescue“ (einer überarbeiteten Fassung von „The Cave“) und vor der Ende September auf Netflix folgenden Mini-Serie „Thai Cave Rescue“ erscheint mit „Dreizehn Leben“ das wohl mit Abstand prestigeträchtigste Projekt in dieser Reihe. Bei der exklusiv auf Amazon Prime Video veröffentlichten Produktion von Kino-Schmiede MGM spielen nicht nur „Herr der Ringe“-Legende Viggo Mortensen und „The Batman“-Star Colin Farrell die Hauptrollen. Mit Ron Howard hat auch ein Regisseur die Verantwortung übernommen, der weiß, wie man Dramen nach wahren Begebenheiten mitreißend aufarbeitet. Doch das „Apollo 13“-Mastermind schafft es dieses Mal nicht, die volle Wirkung dieser Gänsehaut-Geschichte zu aktivieren. So technisch brillant er die bewegenden Geschehnisse bebildert und vertont, so weit weg bleibt er teilweise von seinen Figuren...

    Viggo Mortensen als Höhlentaucher Rick Stanton.

    23. Juni 2018: Während die Fußball-Weltmeisterschaft der Männer die Welt fesselt, beschließen ein paar thailändische Kicker, im Anschluss an ihren Nachmittag auf dem Bolzplatz die nahegelegene Tham-Luang-Höhle zu erkunden. Die zwischen elf und 16 Jahre alten Jungs kennen den Ort aus früheren Touren, ihr Fußballtrainer (Teeradon Supapunpinyo) kommt trotzdem mit: Sicher ist sicher. Doch unbemerkt von ihnen setzen kurz nach dem Betreten der Höhle überraschend starke Regenfälle ein. Als die besorgt an den Eingang eilenden Eltern dort ankommen, sehen sie nur noch Wasser. Die noch in der Nacht beginnende Rettungsaktion scheint zunächst aussichtslos. Selbst die innerhalb weniger Stunden am Ort des Geschehens eintreffenden Elite-Taucher der thailändischen Armee kommen nur ein Stück weit voran, bevor sie die reißenden unterirdischen Strömungen teilweise schwer verletzt zur Umkehr zwingen.

    Aus aller Welt gibt es in den kommenden Tagen Hilfsangebote, immer mehr Menschen treffen am Eingang der Höhle ein, wo sich ein wahrer Medienzirkus bildet. Vor Ort sind bald auch die britischen Höhlentaucher John Volanthen (Colin Farrell) und Rick Stanton (Viggo Mortensen), die glauben, dass sie im Gegensatz zu den im offenen Meer und großen Tiefen geschulten Soldaten mehr Chancen in den engen, verwinkelten und stockdunklen Gängen haben. Und die beiden schaffen es im zweiten Anlauf am 2. Juli wirklich, die viel tiefer als gedacht in der Höhle ausharrenden Fußballer zu finden. Doch die Freude über das Wunder währt nur kurz. Der Tauchgang dauert mehr als sechs Stunden und ist selbst für die erfahrenen Männer gefährlich. Wie soll man die Kinder auf diesem Weg herausbringen? Da hat Rick eine Idee. Sie ist verrückt, sie ist unethisch und die Chance, dass es klappt, ist sehr gering. Und es muss nicht nur einmal, sondern 13-mal gelingen...

    Zu viel Abhaken statt Erklären

    Ein Vorteil des Spiel- gegenüber dem Dokumentarfilm sollte es eigentlich sein, dass man viel einfacher dramaturgisch verdichten und zuspitzen kann. Und deshalb ist es auch so überraschend, wie viel bewegender und spannender die für „Free Solo“ mit dem Oscar ausgezeichneten Elizabeth Chai Vasarhelyi und Jimmy Chin in „The Rescue“ die Rettung schildern. Sie verfallen zwar in ihrer Doku wiederholt zu stark ins Pathetische, aber sie bringen uns die vielen Menschen und ihre widerstreitenden Interessen deutlich näher als nun Ron Howard. Und sie nehmen uns viel besser an die Hand, wenn es um die spezifischen Erklärungen für die vielen Herausforderungen und Probleme geht, auf welche die Rettungsaktion stößt.

    Bei dem wie die Doku ebenfalls die Außenperspektive der Rettungskräfte einnehmenden Ron Howard wirkt es teilweise so, als würden hier pflichtschuldig ein paar Umstände abgehakt. Dass die jungen, trainierten thailändischen Soldaten den beiden alten Briten, einem Rentner und einem IT-Techniker, natürlich erst einmal mit Skepsis begegnen und ihnen keinesfalls einfach so das Feld überlassen wollen, löst sich in der fiktiven Version sehr schnell auf. Der dramatische Todesfall, der sich wenige Tag nach dem Finden des Fußballteams in der Höhle ereignet, hat nicht dieselbe emotionale Wirkung, weil man den zur Hilfe geeilten Ex-Soldaten Saman (Sukollawat Kanarot) nicht wirklich kennenlernt. Allgemein schert sich Howard wenig darum, uns die Figuren nahe zu bringen. Kurze Szenen, die John Volanthen als geschiedenen Vater und Rick Stanton als wenig einfühlsamen Eigenbrötler zeichnen, müssen reichen.

    Eines von vielen Problemen bei der Rettungsaktion: dem kleinsten Jungen passt keine verfügbare Maske.

    Nur bei Ingenieur Udom (Gerwin Widjaja) wirkt die völlig fehlende Charakterisierung und Beschreibung fast schon wie ein Kommentar zu seiner öffentlichen Wahrnehmung. Er erkennt, dass nicht das am Eingang einlaufende, sondern das langsam von oben durch Löcher im Berg nach unten in die Höhle sickernde Wasser die eigentlich größte Gefahr ausmacht. Mit seiner Arbeit macht er die Tauchgänge von Volanthen und Stanton überhaupt erst möglich – ohne dass ihn jemand dafür feiert. Sein ohne große mediale Beobachtung gemeinsam mit den Dorfbewohner*innen organisierter Abflussrohrbau auf dem Berg bildet dann auch immer wieder einen Gegensatz zum krassen Medienrummel vor dem Eingang in die Höhle und rund um die Taucher.

    Richtig stark ist „Dreizehn Leben“ allerdings immer dann, wenn getaucht wird. Ron Howard und sein Kameramann Sayombhu Mukdeeprom („Call Me By Your Name“) fangen gekonnt die klaustrophobische Enge der Unterwasser-Höhlengänge ein. Trotz einer unnatürlich starken Ausleuchtung (wir wollen ja auch was sehen) entsteht ein gutes Gefühl für die Orientierungslosigkeit, die da unten herrscht. Wer die von den ersten Tauchern gelegte, den Weg weisende Leine verliert, kommt womöglich nie mehr raus. Jeder Fehler wird hier bestraft. Gleichzeitig gibt es fürs Publikum aber auch eine besondere Orientierungshilfe: Eine immer wieder in der Bildecke eingeblendete Karte informiert uns nicht nur darüber, wo wir uns gerade in der Höhle aufhalten, sondern auch darüber, wie viele Stunden nun schon getaucht wurde.

    Gerade der Sound ist auf Oscar-Niveau

    Die beklemmende Atmosphäre, die vor allem das finale Drittel des Films dominiert, wird durch eine herausragende Soundarbeit bei den Unterwasser-Sequenzen noch verstärkt. Obwohl der Ausgang der dramatischen Rettungsaktion durch die breite Berichterstattung wohl ohnehin (fast) jedem bekannt ist, hält man mehrfach den Atem an, wenn John Volanthen, Rick Stanton, der zur Umsetzung ihres Plans an Bord geholte Narkose-Arzt Harry Harris (Joel Edgerton) und zwei weitere Freunde aus der Höhlen-Taucher-Community dazu ansetzen, die Teenager herauszuholen. Und wenn der junge Chris (Tom Bateman) für einen Moment glaubt, durch einen Fehler eines der Kinder getötet zu haben, lässt uns „Dreizehn Leben“ auch für einen kurzen Moment mit Figuren fühlen, ohne diese uns vorher sonderlich nahegebracht zu haben.

    Fazit: Ron Howard hangelt sich etwas zu sehr an bekannten Bildern entlang und verpasst es dabei, zumindest einige der zahlreichen Figuren auch mit etwas Tiefe zu füllen. Aber sobald die eigentliche Rettung beginnt, ist „Dreizehn Leben“ ein dramatischer und stark inszenierter Katastrophen-Rettungs-Film. Die Dokumentation „The Rescue“ auf Disney+ ist aber trotzdem der bessere und bewegende Film zu dem Thema.

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