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    Terrifier 2
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Terrifier 2

    Wirklich der brutalste Film des Jahres?

    Von Michael S. Bendix

    Das hat schon lange kein Film mehr in diesem Ausmaß geschafft: Als das Killerclown-Massaker „Terrifier 2“ zu Beginn des Halloween-Monats in die US-amerikanischen Kinos kam, häuften sich auf Twitter die Schreckensberichte: Der Film sei so schockierend, dass sich einige Zuschauer*innen im Kinosaal erbrochen hätten oder gar in Ohnmacht gefallen seien. Eine bessere Form von Gratiswerbung könnte man sich für einen solchen Film natürlich kaum vorstellen.

    Mit Sicherheit haben die Berichte über Saalfluchten und heftige körperliche Publikumsreaktionen einen entscheidenden Teil dazu beigetragen, dass das Sequel sein vergleichsweise bescheidenes Budget von 250.000 US-Dollar an der Kinokasse gleich dutzendfach wieder einspielen konnte. Schon der erste „Terrifier“ entwickelte sich 2016 zum Achtungserfolg und Fanliebling, den Hype um die schlagzeilenträchtige Fortsetzung konnte so trotzdem niemand vorhersehen. Doch wird „Terrifier 2“ seinem Ruf überhaupt gerecht? Und ist er nur noch brutaler als sein Vorgänger – oder auch besser?

    Art the Clown (David Howard Thornton) ist noch sehr viel sadistischer als sein berühmterer, aber weit weniger brutaler Cousin Pennywise

    Damien Leone, der die Figur des titelgebenden Terrifiers schon 2013 in seinem Anthologie-Film „All Hallow's Eve“ zum ersten Mal auftreten ließ, lässt das Sequel nun dort beginnen, wo Teil 1 sein Ende fand: im Obduktionsraum. Obwohl er ein Loch im Kopf hat, steht Art the Clown (David Howard Thornton) ungerührt vom Seziertisch auf, um den Pathologen grausam mit einem Hammer zu ermorden. Sein nächstes Opfer wartet in einem Waschsalon, in dem der Killer erst einmal sein Clownskostüm von den zahlreichen Blutflecken befreit.

    Hier lernen wir auch seine neue Mitstreiterin kennen, ein bleichgesichtiges Clownsmädchen, das offenbar nur von ihm selbst gesehen werden kann – und die Vermutung nahelegt, dass Art vom weltlichen Serienmörder zur metaphysischen Albtraumfigur aufgestiegen ist. Weniger gruselig macht das den Maskierten mit dem undurchdringlichen, fratzenhaften Grinsen, gegen den Pennywise aus „ES“ wie ein harmloser Spaßmacher für den Kindergeburtstag wirkt, allerdings nicht.

    Blutiges Halloween!

    Ein Jahr später hat sich dennoch die Ansicht durchgesetzt, dass der Killerclown tot sein müsse – nur in Teenager Sienna (Lauren LaVera), die gemeinsam mit ihrer Mutter und ihrem jüngeren Bruder in einem Vorort lebt, wächst die Befürchtung, dass sich die mittlerweile als „Miles County Massacre“ bekannte Mordserie fortsetzen könnte. Kurz vor Halloween mehren sich die Zeichen, dass sie mit ihrer Ahnung richtig liegt:

    Nachdem sie ihren zum Morbiden neigenden Bruder Jonathan (Elliott Fullam) erfolgreich davon abhält, sich als Art the Clown zu kostümieren, sucht der Killer sie in einem Albtraum heim, der auf unerklärliche Weise Spuren in der Realität hinterlässt. Wenig später macht Jonathan eine unheimliche Begegnung auf dem Schulflur, und im Kostümshop steht Sienna dem Terrifier erstmals leibhaftig gegenüber – anders als ihre Freundin Allie (Casey Hartnett), die glaubt, dass es sich nur um eine makabre Verkleidung handelt, spürt Sienna, dass ihr in der Nacht des 31. Oktober Schlimmes bevorsteht…

    Bei "Terrifier 2" gibt es zwar budgetbedingt deutlich mehr Sets als beim Vorgänger - aber die bevorzugte Farbe bleibt natürlich blutrot.

    Wie beim ersten Film handelt es sich auch bei „Terrifier 2“ mitnichten um Fun-Splatter. Regisseur Leone nimmt Sujet und Genre bitterernst – und wenn gemordet wird, dann tut es weh. Doch an dieser Stelle enden die Gemeinsamkeiten zum Vorgänger eigentlich schon: Leone hebt das, was er sechs Jahre zuvor mit einem minimalistischen Low-Budget-Slasher begonnen hat, in nahezu jeder Hinsicht auf die übernächste Stufe. Dafür reicht eigentlich schon ein Blick auf die Laufzeit: Während der Vorgängerfilm nach nicht einmal anderthalb Stunden schon wieder vorbei war, bringt es „Terrifier 2“ auf für sein Genre geradezu epische Ausmaße von 138 Minuten – allein zehn davon nimmt sich Leone für die erwähnte Albtraumsequenz.

    Im Gegensatz zum ersten Langfilmauftritt des Killer-Clowns, der sich budgetbedingt auf einen wenig ansehnlichen Hauptschauplatz beschränkte, sieht die Fortsetzung wirklich nach Kino aus: Das Rot des reichlich fließenden Blutes bleibt nicht der einzige Farbakzent, wenn Leone den ähnlich reduzierten Plot mit detailfreudig ausgestatteten Teenagerzimmern, einer Halloween-Party oder einem verlassenen Jahrmarkt auf eine Vielzahl von Szenerien ausweitet. Und auch die Figuren sind diesmal mehr als nur potenzielles Opfermaterial: Die Einzelheiten ihrer Hintergründe und Motivationen lässt das Drehbuch zwar weitgehend im Dunkeln, enthüllt sie aber gerade so weit, dass wir beginnen, uns für sie zu interessieren – auf diese Weise erhält das mörderische Treiben des Clowns weit mehr Gewicht.

    Die Szene, bei der viele kapitulieren

    Die Versuche, Art the Clown als neue Kultfigur ins Pantheon der Horror-Ikonen einzuschreiben, wirken mitunter forciert und allzu offensichtlich – aber immerhin sind sie nicht ganz unverdient. Art ist zum einen lustiger, zum anderen geht er noch bestialischer zu Werke, was in manchen Momenten nah beieinander liegt. Je mehr er sich an der Gewalt weidet, die er entfacht, desto schwerer konsumierbar wird sie. Das gilt insbesondere für eine Szene, die wohl der primäre Auslöser für die kolportierten Extremreaktionen sein dürfte: Darin zerlegt und verstümmelt Art eines seiner Opfer nach allen Regeln der Gore-Kunst, um es am Ende – noch lebend – auf dem Bett zu drapieren. Es sind weniger die Bilder allein, die der Sequenz ihre Effektivität verleihen, als vielmehr der kalte, mitleidslose Sadismus, mit dem Art zu Werke geht. Zumindest im Horror-Mainstream lotet „Terrifier 2“ damit tatsächlich neue Grenzen aus.

    Atmosphärisch passt der Film sich diesem Nihilismus an, während er zugleich übernatürlichen 80s-Slashern wie den „Nightmare On Elm Street“-Sequels Tribut zollt und durch den Einsatz von Synthwave-Musik vereinzelt melancholische Retro-Vibes erzeugt – nicht die einzige Parallele zum fast zeitgleich erschienenen „Halloween Ends“, der sogar ebenfalls einen Song der Darkwave-Band Boy Harsher auf dem Soundtrack hat. Die Länge macht sich erst im letzten Drittel bemerkbar, wenn Art im buchstäblichen Geisterbahn-Finale gleich mehrmals wiederaufersteht. Als Genre-Topos ist das natürlich legitim, aber normalerweise hat man zu diesem Zeitpunkt noch nicht knapp zwei Stunden Film hinter sich. Es ist kein Spoiler, wenn man verrät, dass die als Hommage an ihren toten Vater als Racheengel verkleidete Sienna am Ende über das Böse siegt – aber schon aus der wohl unvermeidlichen Mid-Credit-Scene geht hervor, dass Art spätestens im bereits angekündigten dritten Teil aus dem Reich der Hölle zurückkehren wird.

    Fazit: Blutiger, bunter und weitaus kompetenter inszeniert: Trotz kleiner Schwächen toppt Damien Leones 138-Minuten-Slasher-Sequel seinen Vorgänger nicht nur in puncto Lauflänge.

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