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    Locked Down
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Locked Down

    "Ocean’s Eleven" in Zeiten von Social Distancing

    Von Michael Meyns

    Locked Down“ ist ein Titel, der sich in der jetzigen Situation natürlich anbietet – und trotzdem überrascht es, dass ausgerechnet ein Film von Doug Liman so heißt. Schließlich ist der Regisseur von Filmen wie „Edge Of Tomorrow“ oder „Jumper“ nun nicht gerade für seine Statik, sondern vor allem für seine oft hyperkinetische und ausladende Action bekannt. Aber bevor er sich für seinen nächsten Film gemeinsam mit Tom Cruise buchstäblich ins All verabschiedet, gibt es nun eben dieses Heist-Kammerspiel ...

    ... und wenn Anne Hathaway und Chiwetel Ejiofor in den Anfängen des Corona-Lockdowns in ihrem Luxushaus in London festsitzen, fühlt man sich zumindest ein wenig an Doug Limans Komödien-Superhit „Mr. And Mrs. Smith“ erinnert, in dem ebenfalls ein Paar durch außerordentliche Umstände wieder zueinander findet. So oder so ist der von Steven Knight („Tödliche Versprechen“) geschriebene Film eine Studie in Spontanität und dem Ergreifen von eigentlich nicht vorhandenen Möglichkeiten.

    Gelegenheit (+ Lockdown-Langeweile) macht Diebe

    Der Covid-Lockdown hat London erst seit ein paar Wochen lahmgelegt. Aber die gut verdienende Werbeexpertin Linda (Anne Hathaway) und ihr Partner Paxton (Chiwetel Ejiofor), der nach einer Vorstrafe nur noch als Paketfahrer arbeiten kann, hoffen dennoch auf ein baldiges Ende der Ausgangssperre. Die Beziehung des Paares neigt sich ohnehin dem Ende zu – und wären sie nicht durch das Virus dazu gezwungen, in ihrem gemeinsamen Haus auszuharren, wären sie wohl längst getrennt.

    Zwischen Zoom-Konferenzen und Safari-artigen Ausflügen zum Supermarkt streitet das Paar über die Ursachen für die nahende Trennung – nur um dabei zu erkennen, dass der Funke wohl doch noch nicht gänzlich erloschen ist. Der Zufall will es, dass die Arbeit beide in ein paar Tagen ins Luxuswarenhaus Harrods führen wird, wo ein sündteurer Diamant darauf wartet, entweder beschützt oder gestohlen zu werden. Aber würde ein Raub die Ehe tatsächlich retten – oder sie nur endgültig zerstören?

    Linda (Anne Hathaway) und Paxton (Chiwetel Ejiofor) sind überhaupt nur noch zusammen, weil der Lockdown die Trennung verhindert...

    Warum entstehen Filme wie „Locked Down“ eigentlich nicht in Deutschland? Warum hat kein deutscher Regisseur die Zwänge der Covid-Pandemie „genutzt“, um die ja reichlich vorhandenen tollen Schauspieler, die vielen herausragenden Kameraleute zusammenzurufen und einen schnellen, rohen Covid-Film zu drehen? Ganz anders die Macher von „Locked Down“: Schon ganz am Anfang der Pandemie begannen Doug Liman und Steven Knight, via Zoom zu chatten – zwischen Massachusetts an der amerikanischen Ostküste und London flogen die Ideen digital hin und her, bis eine besonders absurde haften blieb: Könnte man jetzt, wo die Läden eh zu sind, nicht im legendären Londoner Luxuswarenhaus Harrods drehen? Also dort, wo noch nie zuvor eine Filmcrew drehen durfte?

    Während Steven Knight im Juli einen ersten Drehbuch-Entwurf schrieb, kontaktierte Doug Liman das Warenhaus und hatte Glück: Vermutlich auch, weil sich die Angestellten ganz einfach langweilten und jede Abwechslung willkommen war, wurde die Drehgenehmigung erteilt. Ein paar Zoom-Anrufe später hatten Anne Hathaway und Chiwetel Ejiofor zugesagt. So wurde ein knapp bemessenes Budget zusammengekratzt – die Dreharbeiten fanden an 18 Tagen im Herbst statt, Anfang Januar 2021 war der Film fertig.

    Wie aus der Hüfte geschossen

    Das Ergebnis ist weder ein Meisterwerk noch ein bildgewaltiger Blockbuster, wie sie Doug Liman sonst meist abliefert (demnächst etwa das Sci-Fi-Abenteuer „Chaos Walking“ mit Tom Holland und Daisy Ridley, das noch vor dem Lockdown gedreht wurde). Trotzdem ist „Locked Down“ als über weite Strecken improvisiertes, aus der Hüfte geschossenes Experiment absolut sehenswert. Gut zwei Drittel des Film spielen im Haus von Linda und Paxton, zeigen ein Paar, das notgedrungen auf engstem Raum aufeinander hocken muss, auch wenn es eigentlich längst getrennte Wege gehen will. Aber in den von gegenseitigen Vorwürfen geprägten Diskussion lassen Hathaway und Ejiofor immer auch ein Gefühl der Nähe durchschimmern, ein Gefühl der Vertrautheit, das nach Jahren der Beziehung nicht verschwunden, sondern nur eingeschlafen ist.

    So wie Mr. und Mrs. Smith, in deren Beziehung erst frischer Wind kommt, als sie feststellen, dass sie beide im Geheimen als Auftragskiller für verschiedene Organisationen arbeiten, fungiert in „Locked Down“ die plötzliche Aussicht auf einen Diamanten-Heist als Katalysator. Einen elaborierten Einbruch a la „Rififi“ oder auch nur „Ocean’s Eleven“ darf man dabei allerdings nicht erwarten. Auch wenn sich die Handlung vom Haus des Paares ins Nobel-Kaufhaus verlagert, steht auch im letzten Drittel weniger die Spannung als das verbale Tête-à-Tête im Vordergrund.

    Linda richtet sich für jedes Zoom-Meeting professionell her - bis sie bemerkt, dass sie auf ihren Job eigentlich längst keinen Bock mehr hat!

    Ja, die Logik bleibt dabei zunehmend auf der Strecke. Auch die Zoom-Cameo-Auftritte von Stars wie Ben Stiller, Mindy KalingBen Kingsley oder Claes Bang tragen wenig zur Handlung bei. Stattdessen lebt „Locked Down“ ganz und gar von seinen beiden Hauptdarstellern, die die Freiheit des Konzeptes nutzen, um Szenen einer Ehe durchzuexerzieren. Mitunter ist das auch mal anstrengend, gerade durch die lose Form, die Dialoge, die meist ein bisschen zu lang sind, die Szenen, die oft kürzer sein könnten.

    Aber so fungiert eben auch der Film als Ganzes in gewisser Weise wie ein Spiegelbild der Pandemie: „Locked Down“ nimmt sich viel Zeit zum Reden, zum Rumhängen, zum Reflektieren, zum Innehalten… - ein Film, den man sich vermutlich in zehn Jahren noch mal ansehen sollte, um sich in Erinnerung zur rufen, wie das Gefühl damals in diesen merkwürdigen Monaten wirklich war.

    Fazit: Aus den Einschränkungen der Corona-Pandemie machen Steven Knight und Doug Liman einen Beziehungsfilm der etwas anderen Art – unterstützt von zwei spielfreudigen Stars in Höchstform.

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