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    Red Screening - Blutige Vorstellung
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    Red Screening - Blutige Vorstellung

    Eine (zu) tiefe Verbeugung vor Dario Argento

    Von Lutz Granert

    In der Eröffnungssequenz von „Scream 2“ wird ein Paar in einem Kino massakriert – und zwar während einer Vorstellung von „Stab“, einem fiktiven Based-on-a-True-Story-Horrorfilm, der im „Scream“-Universum die grausamen Geschehnisse aus dem ersten Teil in Form eines Mainstream-Slashers aufgreift. Mehr Meta-Ebenen auf einmal sind schwer vorstellbar. Aber auch von diesem Extremfall abgesehen reizt viele Genreregisseure die selbstreferenzielle Idee, Horrorfilme in einem Kino spielen zu lassen. So geisterten etwa in „Dämonen 2“ von Lamberto Bava während der Premiere eines Horrorfilms plötzlich echte Dämonen durch den Saal, nachdem sie zuvor durch die rätselhaften Kräfte einer silbernen Maske heraufbeschworen wurden.

    Produziert wurde „Dämonen 2“ von Giallo-Maestro Dario Argento („Suspiria“) – und genau dem erweist nun auch der uruguayische Filmemacher Maximiliano Contenti in „Red Screening – Blutige Vorstellung“ immer wieder plakativ seine Ehrerbietung. Abseits der zahlreichen motivischen Referenzen an das Schaffen des legendären italienischen Filmemachers fehlt es dem grobschlächtigen Retro-Horrorthriller jedoch an ausreichend eigenen Ideen.

    Ana (Luciana Grasso) ist an diesem Abend überhaupt nur im Kino, weil sie ihren Vater am 35mm-Projektor vertritt.

    Montevideo, 1993: Während eines starken Regenschauers verirren sich nur wenige Zuschauer in das Programmkino Opera. Nachdem die schmierige Servicekraft Mauricio (Pedro Duarte) für Ordnung gesorgt und sich der kleine Junge Tomas (Franco Duran) erfolgreich vor ihm versteckt hat, legt Aushilfe Ana (Luciana Grasso) im Vorführraum die Filmrolle von „Frankenstein: Day Of The Beast“ in den Projektor. Während der spärlich besuchten Vorstellung des trashigen Horrorschinkens sorgen erst ein paar jugendliche Zuspätkommer für Unruhe – bis ein maskierter Killer während des Films in den lichten Reihen des Saals sein blutiges Handwerk verrichtet…

    Wenn Mauricio beim Rauchen vorm Kino in einer komplett in Rot getauchten Szenerie von einem maskierten Killern mit schwarzen Lederhandschuhen blutig die Kehle aufgeschlitzt wird, wähnt sich der Zuschauer für einen Moment direkt in einem Achtzigerjahre-Klassiker von Dario Argento: Stilistisch, musikalisch und visuell spielt Regisseur und Co-Autor Maximiliano Contenti hier (über-)deutlich auf die großen italienischen Giallo-Klassiker wie „Rosso – Farbe des Todes“ an. Dabei hegt der Killer eine Vorliebe für die Augäpfel seiner Opfer – was wiederum die Brücke schlägt zu Dario Argentos „Opera – Terror in der Oper“, nach dem ja auch der Schauplatz in „Red Screening“ benannt ist. In „Opera“ wird die Protagonistin mit Hilfe von Klebestreifen und Nadeln dazu gezwungen, ihre Augen offen zu halten und dem schwarz maskierten Killer bei seinen Morden zuzusehen.

    Augäpfel statt Popcorn

    Doch wo der italienische Meisterregisseur auch durch zahlreiche Point-Of-View-Shots mit der Wahrnehmung des Zuschauers und der Erzählperspektive spielt, geht dem ungleich plumperen Independent-Slasher derartige Doppeldeutigkeit komplett ab. Während sich Argento zumindest darum bemühte, seinen Mördern eine Psychologisierung angedeihen zu lassen, spart Contenti Erklärungen zum Motiv seines stumm bleibenden Killers komplett aus. Stattdessen überzeichnet er ihn ebenso effekthascherisch wie cartoonesk, wenn er vor seinen letzten Opfern genüsslich ausgerissene Augäpfel mit noch dranhängenden Sehnerven aus dem Einweckglas als knackigen Snack verdrückt.

    Dabei verwendet Contenti zuvor viel verlorene Liebesmüh auf, um seinem austauschbaren Figurenarsenal mit belanglosen Dialogen annähernd gleichviel Screentime einzuräumen – so gibt leider keine eindeutige Identifikationsfigur, was zusätzlich Spannung kostet. Über Ana erfahren wir etwa nur, dass sie eine fleißige Studentin ist und ihren Vater am 35mm-Projektor ablöst, damit der auch mal am Familienleben teilhaben kann. Während der langhaarige Goni (Vladimir Knazevs) mitten in der Vorstellung plump versucht, bei der zuvor zufällig im Bus entdeckten Schönheit Maite (Daiana Carigi), die er mit Brooke Shields aus „Die blaue Lagune“ vergleicht, zu landen, langweilt sich ein Twentysomething-Pärchen dermaßen, dass sie ihn während des Films mit der Hand befriedigt.

    Mmh, lecker: Der Killer ist ganz scharf auf die Augäpfel seiner Opfer...

    Bei so viel kulturellem Desinteresse, das Cineasten auch hierzulande vor allem bei prolligen und schmatzenden Nacho-Mampfern in Multiplex-Kinos regelmäßig entgegenschlägt, kann man den grummeligen Alten schon verstehen, wenn er die ungleich jüngeren Störenfriede irgendwann explodierend ermahnt, doch bitte einfach mal die Schnauze zu halten. Echte Sympathieträger sucht man jedoch unter den zudem unlogisch handelnden Charakteren vergebens: Trotz ihres zuweilen recht brachialen Ablebens im dunklen Kinosaal mit handwerklich sauberen Gore-Effekten trauert man keinem auch nur eine Sekunde lang nach. Auch einige übermäßig konstruierte Gegebenheiten fallen negativ auf, wenn das Kino etwa nur über einen (natürlich verrammelten) Ein- und Ausgang verfügt.

    Contenti drapiert immer wieder Werbematerial von den Giallo-Klassikern „Tenebre“ (als gerahmte Postkarte im Vorführraum) oder „Opera“ (als Plakat im Foyer) in seinen Sets – und ließ sich auch inhaltlich vom hierzulande wenig bekannten „Im Augenblick der Angst“ inspirieren: Der spanischen Horror-Thriller von 1987 spielt ebenfalls in einem Kino, während ein „Augensammler“-Killer auf der Leinwand sein Unwesen treibt. Doch diese geballten Anspielungen und einige gelungene Stilreferenzen allein lassen mangels eigener Spannung und Atmosphäre trotzdem viel zu selten echtes Achtziger-Retrofeeling aufkommen.

    Fazit: Maximiliano Contenti outet sich mit dem uruguayischen Horrorthriller „Red Screening – Blutige Vorstellung“ als ausgewiesener Kenner der Slasher- und Giallo-Klassiker der 1980er Jahre. Abseits einzelner Szenen, die deren Stil optisch nahezu eins-zu-eins kopieren, bleibt die Qualität der großen Vorbilder allerdings in weiter Ferne.

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