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    Trenque Lauquen Teil 1
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Trenque Lauquen Teil 1

    Abstieg ins Labyrinth

    Von Lucas Barwenczik

    Das argentinische Filmkollektiv El Pampero Cine gehört nicht nur wegen seines meisterhaften Mammutwerks „La Flor“ (14,5 Stunden lang!) zu den aufregendsten kreativen Kräften unserer Zeit. 2002 aus einer schweren Finanzkrise geboren, hat sich diese Gruppe von Filmschaffenden eine Existenz an den Rändern der bestehenden Kinolandschaft aufgebaut. Unter ihrem Blick verwandeln sich noch die gewöhnlichsten Orte in die Stationen magischer Reisen. So auch bei „Trenque Lauquen“ der Argentinierin Laura Citarella: Das wild in sich selbst verschlungene Mystery-Drama macht aus jedem Raum ein Rätsel und aus jedem Bild ein ganzes Buch. Eine Geschichte über Geschichten über Geschichten, mehr als vier Stunden Laufzeit unterteilt in zwei Teile (die in der Regel am Stück gezeigt werden) und zwölf Kapitel.

    Am Anfang gibt es keine Hauptfigur, denn Laura (Laura Paredes, auch Ko-Autorin des Films) ist verschwunden. Zwei Männer sind auf der Suche nach der Biologin: Ihr Partner Rafael (Rafael Spregelburd) und Ezequiel (Ezequiel Pierri), der sie zuletzt bei Recherchearbeiten unterstützt hat. Laura verliert sich schnell an Obsessionen, sucht nach unentdeckten Blumenarten oder versucht die Geheimnisse alter Liebesbriefe zu lüften. Was sie über andere erfährt, zwingt sie auch dazu, ihr eigenes Leben in Frage zu stellen. In verschachtelten Rückblenden erforscht der Film nun, was mit Laura geschehen ist. So beginnt ein langsamer Abstieg in ein Labyrinth aus Berichten, Gerüchten, Halbwahrheiten und Fantasien.

    Laura (Laura Paredes) stürzt sich bei ihrer Suche in ein immer tieferes Labyrinth aus Hinweisen, Gerüchten, Briefen, Schnipseln und Querverweisen.

    Man kommt bei den vielen verschränkten Erzählebenen nicht umhin, an Argentiniens berühmtesten Autor zu denken. Jorge Luis Borges‘ verworrene Meta-Erzählungen stehen Pate, wenn der Film sich durch die Plot-Ebenen gräbt, so sehr auf der Suche nach einer Erkenntnis wie seine Figuren. In einer Geschichte beginnt eine weitere Figur zu erzählen, und auch in ihrer Geschichte findet sich dann wieder ein neuer Erzähler. Es geht immer weiter hinab, immer größer wird die Distanz zur Erzähl-Oberfläche.

    Die Beziehung zwischen Wörtern und Bildern wird dabei stets aufs Neue ausgehandelt. Die ersten zwei von insgesamt zwölf Kapiteln sind täuschend simpel und folgen den beiden Männern bei ihrer Suche in und um die Stadt westlich von Buenos Aires, die dem Film seinen Titel gibt. Hier ist der Film ein Road-Movie, zeigt Straßen, Bäume und die beiden Suchenden durch spiegelnde Autoscheiben. Danach bestehen dann ganze Kapitel aus langen Monologen oder aufgezeichneten Sprachnachrichten. In Kapitel 3 erforschen Laura und Ezequiel in einem langen Flashback die in Briefen festgehaltene Liebe zwischen einer Frau namens Carmen und ihrem Lover Paolo. Die erotisch aufgeladenen Schriftwechsel zeigen Wirkung: Laura und Ezequiel kommen sich ebenfalls näher, das gemeinsame Lesen führt zu einem echten Kuss. In „Trenque Lauquen“ werden Texte lebendig - und alles Lebendige zu Text.

    Auf der Flucht

    Die Geschichten verführen und verwirren, sie weisen aber auch neue Pfade. Laura verschwindet nicht einfach, sie ist auf der Flucht. Vor ihrem kleinen, engen Leben zwischen einer etwas albernen Radiosendung und der Karriere, die nie ganz in Bewegung kommt. Vor einem Partner, mit dem sie nicht glücklich ist, aber auch vor dem Mann, der gerne an seine Stelle treten würde. Vor engen Vorstellungen von Weiblichkeit. Durch die vermittelten Erfahrungen einer anderen Frau wie Carmen, deren Leben gar nicht so weit weg von ihrem ist, findet sie neue Freiräume für sich selbst.

    Die Kritik zu „Trenque Lauquen“ wird hier beim Filmeintrag zum zweiten Teil fortgesetzt.

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