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    Element of Crime in Wenn es dunkel und kalt wird in Berlin
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Element of Crime in Wenn es dunkel und kalt wird in Berlin

    Der feine Unterschied zwischen Melancholie und Nostalgie

    Von Oliver Kube

    In den Ankündigungen des Dokumentarfilms „Element of Crime in Wenn es dunkel und kalt wird in Berlin“ wird die titelgebende Musikgruppe als „bekannteste unbekannte oder die unbekannteste bekannte Band des deutschen Sprachraums“ beschrieben. Aber das ist natürlich reines Marketing und soll wohl vor allem jenen schmeicheln, die bereits mit der Gruppe vertraut sind. Klar, die Herren um Sänger, Gitarrist, Trompeter und Mastermind Sven Regener bewegen sich nicht auf dem Erfolgslevel der Toten Hosen, Pur oder anderer Fußballstadien füllenden Mega-Acts. Aber unbekannt sind sie nun wirklich nicht. Das zeigen bereits die ersten Bilder der Kino-Doku, wenn die ursprünglich vom Geist des Punks, der Avantgarde und der New Wave inspirierten, seit nunmehr vier Dekaden aber auch massiv mit Chanson-, Folk- und Jazz-Elementen hantierenden Rockmusiker auf der riesigen Bühne einer rappelvollen Konzertarena auftreten.

    Den Rahmen des Films von Charly Hübner, ansonsten vor allem als Schauspielstar („Mittagsstunde“) und neuerdings auch als Spielfilmregisseur („Sophia, der Tod und ich“) bekannt, bildet eine einwöchige Tournee der Band durch ihre Heimatstadt Berlin. Dabei wurden fünf Konzerte in ebenso vielen Locations, vom intimen Privatclub über den Theatersaal des Admiralspalasts bis zum Open Air vor 10.000 Fans im Hof der Zitadelle Spandau, mitgeschnitten. Die locker zwischen formalen und improvisierten Gesprächen, Backstage-Impressionen und Archivmaterial eingestreuten Auftrittssegmente zeigen die Gruppe in all diesen bewusst grundverschieden gewählten Auftrittsorten als durchgehend souveräne, dennoch spontane und jederzeit mitreißende Performer – Eigenschaften, die all jenen, die schon ein Element-of-Crime-Konzert besucht haben, wohlvertraut sind.

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    Selten hat man das Interesse eines Dokumentarfilmers so sehr gespürt wie bei Charly Hübner (l.) und Element of Crime.

    Gleich im Voiceover nach dem ersten Song „Jung und schön“ outet sich Charly Hübner selbst als langjähriger Bewunderer der Gruppe. Zudem hatte der Schauspieler ja bereits 2017 die Titelrolle in der von Leadsänger Sven Regener verfassten Kino-Komödie „Magical Mystery oder: Die Rückkehr des Karl Schmidt“ bekleidet. Eine sowohl professionelle als auch emotionale Verbindung zwischen dem Filmemacher und seinem Thema besteht also – was in diesem Falle nicht nur völlig okay, sondern mehr als förderlich für das Endprodukt ist. Denn in den Interviews mit den Musikern wirft Hübner Themen auf, die sicherlich weit über das hinausgehen, was ein von der Sache „unbeleckter“ Dokumentarfilmer angeschnitten hätte.

    Hübner wird durchaus spezifisch, auch und gerade, wenn es um die bewegte Historie der Gruppe in der damals noch geteilten, später dann wiedervereinten Stadt Berlin geht. Dabei gleitet er niemals in nerdiges Fanboy-Gehabe ab, das Menschen, die sich vielleicht mittels seines Films erstmals ernsthaft mit Element of Crime beschäftigen, langweilen oder gar abtörnen könnte. Sehr hilfreich ist dabei, dass die Interviewten mit jeder Menge, teilweise sympathisch spleenigen Anekdoten aufwarten, die das Ganze mal lustig, mal traurig, aber immer unterhaltsam machen.

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    An fünf Location ganz unterschiedlicher Größe wurde die Band gefilmt. Aber Ohrwürmer gibt’s überall!

    Am Ende des Films hat man das Gefühl, die Bandmitglieder tatsächlich kennengelernt zu haben – und das als Einzelpersonen wie auch als kreative Einheit. In ihren Blicken zurück auf eine einmalige Karriere schwingt, passend zu ihren Songs, jede Menge Melancholie, aber niemals plumpe Nostalgie mit. Wir ahnen, worüber Sänger Regener an manchen Tagen so nachsinnen mag. Oder worüber sich Gitarrist Jakob Ilja beschweren oder ganz besonders herzlich freuen würde. Oder was auch wiederum Drummer Richard Pappik genau davon hielte und weshalb ihnen allen ihr 2022 verstorbener Bassist David Young so sehr fehlt. Zudem verstehen wir endlich, warum die Elements zunächst noch auf diversen Alben mit englischen, irgendwann dann aber plötzlich doch mit deutschen Texten arbeiteten – und weshalb sie sich einst ausgerechnet nach einem Film von Lars von Trier benennen „mussten“.

    Fazit: „Element of Crime in Wenn es dunkel und kalt wird in Berlin“ und der bereits 2018 in die Kinos gekommene, ebenfalls richtig gute „Wildes Herz“ über die Punkrocker Feine Sahne Fischfilet machen klar: Aktuell gibt es in Deutschland kaum einen empathischeren und damit rundum besseren Musik-Dokumentaristen. Wer einen Kinofilm über Musiker sehen möchte, bei dem man nicht nur die Geschichte und den Sound der Band, sondern auch ihre Motivationen und Gedanken dahinter kennenlernt, ist bei Charly Hübners Werk goldrichtig. Und ein paar hartnäckige Ohrwürmer gibt es noch obendrein.

    Wir haben „Element of Crime in Wenn es dunkel und kalt wird in Berlin“ im Rahmen des Filmfest Hamburg gesehen, wo der Film auch seine Weltpremiere gefeiert hat.

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