Armor
Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
1,5
enttäuschend
Armor

Wenn sich Sly schon beim Drehen langweilt, wie soll es uns dann bei Schauen ergehen?

Von Lutz Granert

Ob als ikonischer Boxer in den „Rocky“-Filmen, als traumatisierter Vietnamveteran und Ein-Mann-Armee in der „Rambo“-Reihe oder zuletzt als lässiger Mafioso in der Gangster-Serie „Tulsa King“: Sylvester Stallone verkörperte in seiner inzwischen 55 Jahre (!) andauernden Filmkarriere (fast) immer positive Identifikationsfiguren und Sympathieträger. Sein Markenzeichen: Wo Sly mitspielt, da ist – wie zuletzt bei „Expendables 4“ – dann auch meist eine ordentliche Ladung Action drin, selbst wenn der 78-Jährige in Sachen Stunts natürlich inzwischen etwas kürzertreten muss.

Das ist nun auch dem Action-Thriller „Armor“ deutlich anzusehen, in dem Stallone zur Abwechslung mal wieder die Rolle eines echten Bösewichts verkörpert. Der Hollywood-Star bleibt in den wenigen Baller-Szenen sträflich unterfordert – obwohl er mit einer Gage von 3,5 Millionen US-Dollar, die er für seine Anwesenheit an einem einzigen Drehtag eingestrichen haben soll, fast ein Drittel des gesamten kolportieren Budgets von zehn Millionen Dollar verschlang. Die US-Kritiker ließen bereits kein gutes Haar an dem (offiziell) von Justin Routt („Test“) inszenierten Streifen: 0 Prozent positive Bewertungen auf Rotten Tomatoes sprechen eine deutliche Sprache – und tatsächlich weist „Armor“ zahlreiche eklatante Schwächen auf.

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Nach dem Unfalltod seiner Frau ist James Brody (Jason Patric) dem Alkohol verfallen. Das Trinken kostete ihm bereits seinen Job als Polizist, weshalb er inzwischen gemeinsam mit seinem Sohn Casey (Josh Wiggins) als Fahrer eines Geldtransporters arbeitet. Als sie eines Tages eine unangemeldete Box einer Bank befördern, werden sie von einem schwarzen Lieferwagen verfolgt und auf einer Brücke eingekesselt. Eine Gruppe von Gangstern um den Ex-Elitesoldaten Rook (Sylvester Stallone) fordert die Herausgabe der brisanten Ladung. Doch James und dem bei einem Schusswechsel verletzten Casey gelingt es, sich im gepanzerten Laderaum zu verbarrikadieren und den Angreifern mit viel Improvisationstalent Paroli zu bieten...

Ein seltener Anblick: Sylvester Stallone ist in „Armor“ mal nicht der Held, ganz im Gegenteil! LEONINE
Ein seltener Anblick: Sylvester Stallone ist in „Armor“ mal nicht der Held, ganz im Gegenteil!

Tatsächlich sorgt zumindest James’ Einfallreichtum, der vom Abdichten von Luftschlitzen zur Abwehr eines Tränengasangriffs bis zum Basteln eines Molotow-Cocktails reicht, zumindest phasenweise für etwas Spannung in einem dialoglastigen Streifen, der von seiner weitgehenden Verdichtung auf einen Handlungsort kaum etwas herausholt. Der unerfahrene Justin Routt saß dabei offenbar nur formell auf dem Regiestuhl: Nach Aussage vieler Crew-Mitglieder soll am Set nämlich Co-Produzent Randall Emmett die Anweisungen gegeben haben. Das klingt durchaus stimmig, schließlich zeichnet dieser bereits für etliche preisgünstige und qualitativ fragwürdige Vehikel mit gealterten Actionstars wie John Travolta („Cash Out“) oder Bruce Willis („Fortress 2: Sniper's Eye“ und viele mehr) verantwortlich.

Wo die kurze Verfolgungsjagd zu Beginn noch ganz passabel ausschaut, offenbart sich Emmetts handwerkliches Unvermögen spätestens bei einem kurzen Shootout auf der Brücke: In der unübersichtlich gefilmten Ballerei ist oft nicht klar, wer in welche Richtung auf wen schießt. Ohnehin stand Kosteneffizienz beim von ursprünglichen 15 auf nur neun Tage zusammengekürzten On-Location-Dreh im US-Bundesstaat Mississippi offenbar an erster Stelle – kein Wunder also, dass Actionszenen und Pyrotechnik generell Mangelware sind. Die zwei biederen Mini-Explosionen am Geldtransporter muten in ihrer stiefmütterlich-biederen Inszenierung jedenfalls arg pflichtschuldig an...

Viel zu viel Zeit, um über die Löcher im Plot nachzudenken

Auch wenn ein paar Luft- und Landschaftsaufnahmen von Cale Finot („Baghead“) überraschend pittoresk die aufgeheizte Südstaaten-Atmosphäre einfangen: Der allgemeine Mangel an Attraktionen lässt die zahlreichen Ungereimtheiten im Plot umso mehr zutage treten. So werden James und Casey in den ersten Filmminuten wiederholt zurechtgewiesen, warum sie denn immer wieder zu spät kommen. Merkwürdig, dass genau ihr Geldtransporter nun ausgerechnet keinerlei GPS-Sensor zu besitzen scheint und niemand hellhörig wird, wenn das millionenschwere Vehikel mit durchgetaktetem Zeitplan ewig nicht bei anderen Banken auftaucht.

Eine Blockade auf einer rostigen Brücke bleibt stundenlang unbemerkt, Casey fällt trotz gemeinsamer Arbeitstage mit James nicht dessen anhaltende Trinkerei auf – und auch warum James, seine Frau und Sohn Casey in einer unnötigen Rückblende im Polizeiwagen mit Blaulichtaufsatz in den Campingurlaub düsen, will nicht so recht einleuchten. Die Kuriositäten-Liste ließe sich hier jedenfalls noch ewig fortführen.

Vater und Sohn verschanzen sich vor den Gangstern im gepanzerten Geldtransporter. So eine Beschränkung auf einen beengten Ort spart natürlich auch Budget. LEONINE
Vater und Sohn verschanzen sich vor den Gangstern im gepanzerten Geldtransporter. So eine Beschränkung auf einen beengten Ort spart natürlich auch Budget.

Die Drehbuch-Debütanten Cory Todd Hughes und Adrian Speckert schrecken auch vor pathetisch-bedeutungsschwangeren Dialogen nicht zurück, um ihren Substanz-armen Plot noch irgendwie zu etwas Größerem aufzublasen. Da erklärt Rook die Situation auf der Brücke zunächst lang und breit mit „Murphy’s Gesetz“, bevor sich die Wortwechsel mit ihm und James an rätselhaften Schach-Metaphern abarbeiten. Eigentlich abgebrühte Söldner bekommen plötzlich Nervenflattern, weshalb das eh schon mäßige Erzähltempo des schwerfälligen Action-Thrillers durch ihre immer wieder hochkochenden Konflikte nur noch weiter gedrosselt wird.

Trotz der zumindest angedeuteten Charakterzeichnung seiner introvertierten, zu kühlem Kopf mahnenden Antihelden-Figur bleibt Jason Patric („Speed 2: Cruise Control“) blass. Josh Wiggins („Max – Bester Freund. Held. Retter.“) ergeht es als weinerlich geratene Milchbubi-Figur nicht anders. Und Sly? Der ballert einmal behäbigen Schritts völlig unmotiviert auf den Geldtransporter und starrt minutenlang geduldig und etwas ungläubig auf einen Bohrer, der seiner Truppe Zugang zum Laderaum verschaffen soll. Dazwischen sagt er gelangweilt seine Dialoge auf und hat mit seinem steifen Rücken sichtlich Mühe dabei, seinen Kopf zur Seite zu drehen. Auch wenn er am Ende ein paar süffisante Momente beisteuert: Langsam wird es nach dem steten Kokettieren in den „Expendables“-Filmen wohl tatsächlich Zeit für die Action(film)-Rente…

Fazit: Der sichtlich preisgünstig produzierte Action-Thriller „Armor“ nervt mit ausufernden Dialogen und vielen holprigen Stellen im Skript. Ein wenig engagierter Sylvester Stallone reißt da leider auch nichts mehr raus.

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