Mein Konto
    Man to Man
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Man to Man
    Von Deike Stagge

    Die Berlinale hat sich zum Ziel gesetzt, jedes Festival mit einer echten Perle zu beginnen. Auch 2005 ist Festivalleiter Dieter Kosslick wieder ein besonderer Coup gelungen. Aus den unzähligen Einreichungen wählte er „Man To Man“ als Eröffnungsfilm, das neueste Werk des eher unbekannten französischen Regisseurs Regis Wargnier („Indochine“).

    Der junge Arzt und Wissenschaftler Jamie Dodd (Joseph Fiennes) ist im Jahre 1870 Teilnehmer eines besonderen Forschungsprojekts, mit dem er Weltruhm erlangen will. Zusammen mit seinen Kollegen Alexander Auchinleck (Iain Glen) und Fraser McBride (Hugh Bonneville) will er beweisen, dass der Mensch vom Affen abstammt. Dazu entführt er im Dschungel Afrikas zwei Pygmäen, damit er sie im heimischen schottischen Labor als „missing link“, die Verbindung zwischen Mensch und Tier, klassifizieren kann. Um die beiden aus Afrika schmuggeln zu können, ist Jamie auf die Hilfe der Abenteurerin Elena van den Ende (Kristin Scott Thomas) angewiesen. Doch was zunächst als Forschungsexperiment begann, endet im Desaster. Jamie lässt langsam seine wissenschaftliche Distanz fallen und entwickelt Sympathie für die „Versuchsobjekte“ Toko (Lomama Boseki) und Likola (Cecile Bayiha). Er entdeckt einen Weg, sich mit ihnen zu verständigen und kommt zu dem Schluss, dass seine Hypothesen über die Pygmäen falsch waren. Währenddessen treiben seine Partner ihre Versuche immer weiter auf die Spitze, um die „missing link“-Theorie doch noch beweisen zu können. Sie riskieren dabei auch bereitwillig die Leben ihrer beiden Gefangenen. Jamie muss sich zwischen dem verlockenden wissenschaftlichen Weltruhm und seiner Menschlichkeit entscheiden.

    „Man To Man“ ist ein rundum gelungener Film, der in faszinierenden Bildern das Europa der Hochzeit des Kolonialismus porträtiert und dabei auch Fragen von aktueller Relevanz aufgreift. Alexander und Fraser verkörpern in ihrer kompromisslosen Bessenheit von ihrer wissenschaftlichen Hypothese den Zeitgeist des Imperialismus mit all seinen Lehren von der Überlegenheit der weißen Europäer. Beide sehen die Pygmäen als ihr klinisches Experiment und bauen keinerlei emotionale Verbindung zu ihnen auf. Auch Jamie ist zunächst dieser Doktrin verschrieben, erkennt aber, dass er falsch liegt und seine Ansichten ändern muss. Diesen Wandel zeigt der Film sehr einfühlsam. Der Zuschauer erlebt Toko und Likola immer aus der Sicht von Jamie. Durch diese Erzählweise erscheint der schwierige Annäherungsprozess plastisch und nachvollziehbar. Trotzdem lässt sich der Film nicht zu einem plumpen moralisierenden Fingerzeigen auf den Kolonialgeist herab. Es bleibt dem Zuschauer überlassen, seine Schlüsse aus dem Gezeigten zu ziehen.

    Gerade die darstellerische Leistung hebt „Man To Man“ aus der Masse der Hollywoodfilme hervor. Joseph Fiennes („Shakespeare In Love“) liefert die intensive Darstellung eines Mannes, der an seinen Idealen zu zweifeln beginnt und in einen schweren Gewissenskonflikt stürzt. Die wohl komplexeste Rolle hat jedoch Kristin Scott Thomas („Der englische Patient“). Die verwitwete Unternehmerin Elena ist der facettenreichste Charakter der Geschichte, hin und hergerissen zwischen Profitgier und der Sympathie für die beiden Pygmäen. Elena verfügt aufgrund ihrer Afrikareisen bereits über einen Wissensvorsprung gegenüber dem Ärzteteam, dass ihr ein Verständnis der afrikanischen Bevölkerung ermöglicht. Kristin Scott Thomas verleiht ihrer Figur eine besondere Ausdruckskraft. Lomama Boseki und Cecile Bayiha, die ihr Leinwanddebüt geben, bestechen durch ihre natürliche Ausstrahlung.

    Die Wirkung der schauspielerischen Leistung wird durch die zurückhaltene Kameraführung unterstützt, die den Darstellern viel Platz zum Agieren lässt. Geschickt und dezent setzt Regisseur Wargnier die filmischen Gestaltungsmittel ein und konzentriert sich vor allem auf die starke Wirkungskraft seiner Geschichte. „Man To Man“ kann sich sicher große Hoffnungen auf eine Auszeichnung im Rahmen der Berlinale machen. Doch unabhängig davon wird der Film sicherlich das Publikum mit seiner sehenswerten Story und der herausragenden Leistung des Ensembles begeistern.

    Möchtest Du weitere Kritiken ansehen?
    Das könnte dich auch interessieren
    Back to Top