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    Last Radio Show
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Last Radio Show
    Von Andreas R. Becker

    „A Prairie Home Companion“ (dt.: „Last Radioshow“), Grundlage für Robert Altmans gleichnamiges Filmmusical mit großem Staraufgebot, ist das erfolgreichste Radioformat der USA und, zumindest was die Fläche des Exports anbetrifft, wohl eines der erfolgreichsten weltweit. Das einzigartige Konzept von Begründer und Moderator Garrison Keilly, der auch als Autor und Kolumnist tätig ist, ging 1974 das erste Mal auf Sendung und läuft auf nunmehr 558 Rundfunkstationen seit 30 Jahren (einschließlich zweijähriger Unterbrechung Ende der 80er) in den Vereinigten Staaten und erreicht auch in Australien, Westeuropa und anderen Teilen der Welt über 35 Millionen Zuhörer. So much for the figures.

    Die Show ist ein zeitloser Mix aus Country-, Folk-, Gospel- und Opernmusik, garniert mit witzigen Anekdoten, vom Film Noir inspirierten Detektiv-Fortsetungskrimis (der Protagonist selbst heißt Guy Noir) und fiktiven Werbespots, die, ganz im Stil der 50er und 60er Jahre, das Blaue vom Himmel versprechen. All das wird aber nicht im hermetisch abgeriegelten Studio, sondern bereits seit 1978 live vor Publikum im Fitzgerald Theatre in St. Paul, Minnesota, im mittleren Westen der Staaten, produziert und von dort aus gesendet.

    Als den Moderator die Lust packte, sich dramaturgisch zu betätigen und ein Drehbuch zu schreiben, wandte er sich an Robert Altman, dessen Nachname inzwischen übrigens wörtlich zu nehmen ist: 80 Jahre war der Macher von „Nashville“, M*A*S*H und Short Cuts während der Dreharbeiten und erweist sich auch persönlich immer noch als ein ebenso geistreicher und humorvoller wie bescheidener Meister. Heraus kam bei der Zusammenarbeit eine halb-dokumentarische, halb-fiktive Hommage an Keillors Show (der sich selbst als „GK“ spielt), die eine typische Sendung von „A Prairie Home Companion“ portraitiert. Nur, dass es im Film die letzte sein soll: Der Sender wurde übernommen und die Hiobsbotschaft von der Einstellung verbreitet sich kurz vor dem Auftritt des eingeschworenen Teams wie ein Lauffeuer.

    Für dessen musikalischen Teil stehen in erster Linie die singenden Cowboys Dusty (Woody Harrelson, Wag The Dog) und Lefty (John C. Reilly, Magnolia, Chicago) sowie Yolanda (Meryl Streep, The Hours) und Rhonda Johnson (Lily Tomlin, Short Cuts), zwei herumtingelnde Schwestern eines einst erfolgreichen Quartetts. Keillor über die beiden: „Sie sind abgestürzt, [...] ganz und gar unglamourös. Ich liebe solche Figuren: sie sind am Ende, aber dennoch unerschütterlich und immer gut gelaunt.“ Sich selbst spielen unter anderem die Gospelsängerin Jearlyn Steele, das Singer/Songwriter-Paar Linda und Robin Williams, die Musiker der Guy’s All Star Shoe Band und der wunderbare Geräuschemacher Tom Keith, der auch ganz ohne Computer zu unterhalten versteht. Die Figur des Privatdetektivs Guy Noir wurde umgewandelt in einen Sicherheitsbeauftragten, der eher wenig zu tun hat, verkörpert von Kevin Kline (Der Eissturm, De-Lovely) im Stil der 20er Jahre, und einen Hauch von Mystik und Rätselhaftigkeit bringt Virginia Madsen (Sideways) als engelhafte Figur in die glänzende Welt des Showbusiness.

    Unter der souveränen und routinierten Führung von GK begleitet die Kamera die Protagonisten auf fast dokumentarische Weise 100 Minuten vor und hinter der Bühne; Altman ließ seinen Schauspielern viel Raum, um ihre Figuren zu entwickeln: „Man könnte durchaus behaupten, dass wir den Film im Dokumentarstil gedreht haben. Wir haben erst gar nicht versucht, die Kameras zu verbergen. Wir haben die Dinge einfach so aufgenommen, wie sie waren: die Kamera war eben zufällig dabei, als die Leute vorbei gingen.“ Gepaart mit Kameramann Ed Lachmanns phantastischer Bildkomposition, die vor Detailreichtum geradezu überläuft, entsteht eine warme, vertraute Atmosphäre, in der wir zwischen schmissigen Musiknummern und Werbejingles (beide ebenfalls von Keillor geschrieben) die Darsteller belauschen und beobachten, wie sie über vergangene Tage und vergangene Liebe sinnieren und in nostalgischen Anekdoten schwelgen. Und dann und wann schwappt ein bisschen etwas vom wahren Leben auf die Bühne über und fordert die ganze Improvisationskraft des unerschütterlich sympathisch-trockenen GK.

    Was optisch und musikalisch bunt ist, setzt sich in der Bandbreite der liebenswert-witzigen Figuren fort. Sie wissen um das bevorstehende Ende und lassen sich dennoch nicht einschüchtern. Keillor: „Wenn man Menschen mit einer Axt bedroht, nun, dann hat man bereits eine Story. Und wenn diese Menschen die Situation dann irgendwie ignorieren, sie nicht beachten, nicht weinen und einfach weitermachen wie bisher, dann marschieren sie gewissermaßen sehenden Auges auf den Abgrund zu, so wie das im richtigen Leben auch passiert, und das hat mich fasziniert.“

    „A Prairie Home Companion“ ist eine wunderbar kurzweilige und nostalgische Mischung aus Radio und Theater auf Film, die, obwohl ursprünglich auf HD gedreht und auf 35 mm übertragen, schön anzusehen und, in allererster Linie, schön anzuhören ist, kurz: Unterhaltung auf bestem Niveau. Trotz aller von Melancholie geprägten Momenten der Vergänglichkeit wird eine tiefe Zuversicht ausgedrückt und der Zuschauer gut gelaunt und wippenden Fußes nach Hause schickt: „The show must go on.“

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