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    In the Line of Fire - Die zweite Chance
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,5
    hervorragend
    In the Line of Fire - Die zweite Chance
    Von René Malgo

    Es gab auch eine Zeit vor dem peinlichen „Air Force One“ und dem umstrittenen Troja, für nicht wenige Cineasten ein Musterbeispiel an vergebene Möglichkeiten. Diese Zeit begann mit Das Boot, der renommierteste deutsche Film überhaupt und auch einer der besten. Obgleich sein Ruf in letzter Zeit ein wenig gelitten hat, der Exil-Deutsche Wolfgang Petersen darf sich zur exklusiven Gesellschaft in Hollywoods Regielandschaft zählen, zumindest im Mainstreambereich. Dort hat er sich nach „Die unendliche Geschichte“ allen Unkenrufen zum Trotz - gerade aus eigenem Lande - mit zwei Thrillern ganz besonders etabliert: Outbreak und „In The Line Of Fire“. Letzterer ist ein spannender, sicher inszenierter Polit-Thriller, behaftet mit einigen wenigen üblichen Genreschwächen, ausgeglichen aber mit weniger üblichen Genrestärken.

    Secret-Service-Agent Frank Horrigan (Clint Eastwood) gehörte zu den Leibwächtern John F. Kennedys. Er war dabei, als der Präsident erschossen wurde. 30 Jahre nach diesem Ereignis hat er das Geschehen noch immer nicht so richtig verarbeitet. Da bekommt er einen seltsamen Anruf. Ein Fremder (John Malkovich), sich Booth nennend, kündigt an, den Präsidenten zu töten. Horrigan nimmt diese Bedrohung ernst. Er möchte, dass nicht wieder ein US-Präsident ins Gras beißt, wohlmöglich durch seine Schuld. Er nimmt seinen alten Dienst wieder auf; doch die Sicherheitsvorkehrungen werden durch das Wahlkampfprogramm des Präsidenten erheblich erschwert. Ein Wettlauf mit der Zeit und einem scheinbar perfekten Killer beginnt…

    Die Story von Jeff Maguire wartet mit einigen typischen Klischees auf. Der (Anti-)Held hat ein Alkoholproblem, leidet an einer unschönen Vergangenheit und ist dem Bad Guy nicht so unähnlich. Nichtsdestotrotz gab es für das Drehbuch eine Oscarnominierung. Und diese ist auch verdient, trotz genannter Schwächen und einigen kleineren, typischen Genreunglaubwürdigkeiten mehr. Das unglückliche Verhalten der Agenten während einer Verfolgungsjagd beispielsweise kann auf menschliches Versagen zurückgeführt werden. Diesen Schluss legt der Film insbesondere nahe, weil die Helden Angst haben und Gefühle zeigen. Gründliche Charakterisierungen und psychologische Stimmigkeit machen das Ganze glaubwürdig und lassen insoweit den Vorwurf der Klischeehaftigkeit weitgehend verpuffen.

    Insbesondere wirft „In The Line Of Fire“ einen authentisch wirkenden Blick hinter die Kulissen einer Agentenlaufbahn des Secret Service. Der Thriller zeigt auf, dass einige Tätigkeiten der Bodyguards nur Show sind und stellt die finsteren Gesellen in dunklen Anzügen als Menschen dar. Heraus sticht in der Story das Psychoduell zwischen Clint Eastwood und John Malkovich. Letzterer bekam eine Oscarnominierung für die beste Nebenrolle. Tatsächlich stellt er mit seiner Leistung alle anderen guten Schauspieldarbietungen in den Schatten und begründet mit seiner Interpretation einen der bemerkenswertesten und auch menschlichsten Psychopathen der Filmgeschichte. Dem hat Clint Eastwood eine lebensnahe Performance entgegenzusetzen, dessen subtile Herangehensweise die Protagonisten-Klischees wieder wett macht. Rene Russo als weibliche Agentin ist mehr als nur schmuckes Beiwerk, obgleich die Liebesgeschichte zwischen ihr und Horrigan (Eastwood) je nach Blickwinkel etwas aufgesetzt wirken kann.

    Perfekt geschnitten und außerordentlich schön gefilmt, katapultiert sich der Film vor allem durch Wolfgang Petersens sichere Inszenierung in höhere Sphären. Ennio Morricones - für ihn eher untypischer - Soundtrack tut sein übriges dazu. Der schöne Score wird durch atmosphärische Jazzstücke und passende Originalsongs bestens komplettiert. Die ausgesprochen hohe Spannung bleibt bis zuletzt aufrecht, ein wenig Anspruch und Dramatik fehlen nicht und die Verwebung von Tatsachen und Fiktion sowie Vergangenes und im Film Momentanes ist besonders gut gelungen. Viele Details lassen sich entdecken; mehr, als auf den ersten Blick erahnt werden könnte. Ein Beispiel gefälligst? So spricht der Psychopath (Malkovich) Agent Holligan immer beim Vornamen Frank an und nennt sich selbst Booth. Frank Booth war der berühmtberüchtigte Killer von Präsident Abraham Lincoln. Nach ihm wurde auch schon Blue Velvets Ober-Psychopath benannt.

    Ein intelligenter, sehr ansehnlicher und bis zum großen Finale nervenaufreibender Polit-Thriller. Was will der Genrefan mehr?

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