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    Wegen "Black Widow": Scarlett Johansson verklagt Disney
    Björn Becher
    Björn Becher
    -Mitglied der Chefredaktion
    Als zugelassener Rechtsanwalt interessiert sich Björn Becher auch für alle Filmthemen mit Jura-Bezug – von Justizfilmen über Fragen des Jugendschutzes bis hin Hollywoods Branchenprozessen.

    Es ist eine Klage, die Hollywood erschüttert und zum großen Präzedenzfall werden könnte. Scarlett Johansson geht gegen Disney vor, weil „Black Widow“ parallel zum Kinostart auf Disney+ erschienen ist. Wir erklären euch alles, was ihr wissen müsst.

    Disney und seine verbundenen Unternehmen / HDF Kino e.V.

    Dass Disney seinen MCU-Action-Blockbuster „Black Widow“ parallel zum Kinostart auch auf Disney+ veröffentlicht hat, wurde heiß diskutiert. In Deutschland führte es zum Beispiel mittelbar dazu, dass mehrere Kinos den Film nicht zeigten.

    Doch es ist kein Einzelfall. Disney selbst unternahm diesen Schritt auch für weitere Filme – wie „Cruella“ und nun aktuell „Jungle Cruise“. Und Warner veröffentlicht sogar alle Kinofilme 2021 – egal ob „Godzilla vs. Kong“, „The Suicide Squad“ oder „Dune“ – in den USA parallel auf Streamingdienst HBO Max.

    Doch es ist nun der erste Fall, bei dem ein Star dagegen vor Gericht zieht: Scarlett Johansson hat Klage gegen Disney eingereicht.

    Darum geht es in der Klage von Scarlett Johansson

    Wie es bei Top-Stars nicht unüblich ist, hat sich Johansson in ihrem Vertrag eine Beteiligung an den Kinoeinnahmen zusichern lassen. Gerade die dürften bei „Black Widow“ aber sehr niedrig ausfallen.

    Nach einem hervorragenden Start gingen die Zahlen schnell massiv zurück. Aktuell hat „Black Widow“ an den Kinokassen „nur“ 319 Millionen Dollar eingespielt. Mit „Der unglaubliche Hulk“ (265 Millionen Dollar) hat nur ein MCU-Film weniger eingespielt. Selbst wenn „Captain America - The First Avenger“ (370 Millionen Dollar) noch überholt wird:

    „Black Widow“ wird am Ende einer der MCU-Filme mit den niedrigsten Einnahmen an der Kinokasse sein.

    Black Widow

    Doch genau da sind wir beim Knackpunkt: Für Disney sind bei der Veröffentlichungsstrategie die Einnahmen an den Kinokassen nur noch ein Puzzleteil. Der Konzern selbst feierte die hohen Einnahmen, die angeblich über die zusätzliche Auswertung bei Disney+ erzielt worden sind.

    Scarlett Johansson profitiert aber laut ihrer Klage an den Kinoeinnahmen. Laut dem Wall Street Journal behauptet sie, dass ihr rund 50 Millionen Dollar Beteiligung an diesen durch die nicht abgesprochene Veröffentlichungsstrategie entgangen sei. Zuletzt spielten MCU-Blockbuster schließlich gern über eine Milliarde Dollar ein.

    Eine Entschädigung stehe ihr auch zu, weil ihr vertraglich eine exklusive Kinoauswertung auf mindestens 1.500 Leinwänden versprochen worden sei. Disney habe diesen Vertrag also gebrochen.

    Disney bläst zum Gegenangriff

    In einem in der Wortwahl ungewöhnlich deutlichen Statement hat Disney bereits öffentlich angekündigt, dass man sich gegen die Klage verteidigen werde. Man habe den Vertrag von „Ms. Johansson“ nicht nur komplett erfüllt, sondern diese habe sogar mit der Disney+-Veröffentlichung die deutlich erhöhte Chance auf eine zusätzliche Beteiligung, welche über die 20 Millionen Dollar hinausgehe, die sie bereits erhalten habe.

    Im Gegenzug macht Disney der Schauspielerin Vorwürfe, die Klage in dieser Zeit angestrengt zu haben. So heißt es unter anderem: „Die Klage ist durch ihr gefühlloses Außer-Acht-Lassen der schrecklichen und andauernden weltweiten Effekte der COVID-19-Pandemie besonders traurig und erschütternd.“

    Disney in der Defensive

    Die Antwort des Maushauses fällt wohl auch so harsch aus, weil man arg in die Defensive gedrängt wird. Denn ausgerechnet eine E-Mail eines Disney-Anwalts könnte dem Konzern nun um die Ohren fliegen. Die E-Mail ist ein Schlüsselteil der Argumentation von Scarlett Johansson. Sie habe diese erhalten, nachdem sie bereits 2019 (also vor Corona) besorgt war, dass Disney „Black Widow“ zu Streamingdienst Disney+ geben könnte.

    In der in der Klageschrift zitierten E-Mail wird ihr nicht nur „eine typische große Kinoveröffentlichung“ zugestanden, sondern auch erklärt, dass man „große Erwartungen“ für den Film habe und versuche, dasselbe zu erreichen wie mit „Captain Marvel“. Der spielte bekanntlich über 1,1 Milliarde Dollar ein.

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    Zudem gesteht der Disney-Anwalt in der E-Mail ein, dass man verstanden habe, dass Scarlett Johansson den Film nur mache, wenn er so groß ins Kino komme wie alle anderen MCU-Filme. Und man verstehe, dass man sich gemeinsam besprechen müsse, falls sich dieser Plan ändere, weil der Vertrag ja auf einer Reihe sehr großer Kinoeinnahmen-Boni basiere.

    Das Tischtuch zwischen Disney und Scarlett Johansson scheint vorläufig auf jeden Fall zerschnitten. Pläne für weitere Abenteuer und Auftritte von Black Widow bestanden wohl ohnehin nicht, sind aber jetzt ganz sicher vom Tisch. Wobei Scarlett Johansson das wohl bewusst war – und ihre Position, nicht mehr auf den Part angewiesen zu sein, ihr überhaupt ermöglichte, diese Klage anzustrengen.

    Darum ist der Prozess so wichtig

    Der Prozess von Scarlett Johansson könnte nur der Auftakt sein. Einer von Scarlett Johanssons Anwälten, John Berlinski, deutet im Gespräch mit Variety bereits an, dass viele Stars genau auf diesen Präzedenzfall schauen und weitere Klagen folgen könnten. Schon länger wird gemunkelt, dass zum Beispiel auch Emma Stone („Cruella“) und Emily Blunt („Jungle Cruise“) sehr unglücklich mit der Parallel-Auswertung ihrer Kinofilme auf Disney+ seien.

    Und vor allem viele Stars bei Disney-Konkurrent Warner könnten noch mal aufhorchen. Dort bahnte sich angeblich bereits eine große Klagewelle an, als bekannt wurde, dass die Kinofilme 2021 alle bei HBO Max landen. Warner soll insgesamt über 200 Millionen Dollar ausgegeben haben, um seine Stars mit Bonuszahlungen zu besänftigen.

    Und große Diskussionen gab es auch schon bei Kinofilmen, die an Streamingdienste wie Netflix und Amazon Prime Video verkauft wurden, sodass die Stars plötzlich gar keine Chance mehr auf nur einen Cent Gewinnbeteiligung haben.

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    Zudem könnte es der erste Prozess sein, der entscheidet, wie viel es wert ist, wenn sich ein Star einen exklusiven Kinostart festschreiben lässt, wie sehr Streaming die klassische Filmauswertung verändert und welche Rolle die Corona-Pandemie dabei überhaupt spielt. Die Anwälte von Scarlett Johansson argumentieren nämlich, dass Hollywoods Konzerne wie Disney die Pandemie nur als Vorwand nutzen, um schon länger bestehende Pläne, mehr auf Streaming zu setzen, durchzudrücken. Daher habe man schon 2019 besorgt nachgefragt.

    Zudem wird die Frage zu beurteilen sein, wie indirekte Einnahmen zu bewerten sind. Während die gekauften VIP-Pässe für „Black Widow“ noch klar zu beziffern wären und Johansson daran beteiligt werden könnte, argumentieren ihre Anwälte so unter anderem auch, dass Disney mit der Auswertung des MCU-Abenteuers auf der Streamingplattform auch mittelbar Gewinne erzielt. So seien Abonnent*innenzahl und Aktienkurs dadurch deutlich gestiegen.

    Wer am Ende bei einem Prozess was erreichen wird, wenn man sich nicht ohnehin außergerichtlich einigt, ist aktuell noch nicht abzusehen. Auch wenn Scarlett Johansson mit der zitierten E-Mail über einen großen Trumpf verfügt, sind viele genaue Zahlen unbekannt. Wird sie wirklich auch an den Streamingeinnahmen beteiligt, wie Disney behauptet, könnte das ihrer Klage wieder viel Wind aus den Segeln nehmen.

    Dieser Prozess kann Hollywood verändern

    Sicher ist aber, dass dieser Prozess in Hollywood hohe Wellen schlagen wird und für viele Veränderungen sorgen dürfte – auch bei der Vertragsgestaltung und daraus resultierend womöglich auch bei den Filmprojekten, die gemacht werden. Nachdem sich in den vergangenen Jahren immer mehr Gewinnbeteiligungen etablierten, dürften womöglich wieder höhere Grundgehälter in den Fokus rücken, da sich Stars nicht an eine Kinoauswertung binden wollen, die es am Ende vielleicht gar nicht gibt.

    Höhere Grundgehälter steigern aber die festen Kosten, wodurch die Gefahr besteht, dass man in Hollywood noch mehr auf Nummer sicher geht und nur Projekte anschiebt, die auch dieses Geld plus einen Gewinn wirklich wieder einbringen.

    Ihr seht: Bei Scarlett Johansson vs. Disney geht es um viel mehr als um einen klassischen Rechtsstreit, bei dem am Ende eine Seite einen Anspruch durchsetzt oder abwehrt.

    Zur Wiedereröffnung der Kinos hat der Verband der deutschen Kinobetreiber HDF Kino e.V. die Kampagne #EndlichWiederKino gestartet. Wir schließen uns der Aktion gerne an, indem wir ihr u.a. durch die Einbettung des Logos in unsere Bilder bei News zu aktuellen Kinofilmen eine größtmögliche Sichtbarkeit verschaffen. Wenn ihr nun also endlich wieder die Kinos besucht, dann postet gerne ein Foto von eurem Besuch mit dem Hashtag #EndlichWiederKino in den sozialen Netzwerken – wir machen auch mit.

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