Mein Konto
    Wonder Woman
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,5
    hervorragend
    Wonder Woman
    Von Christoph Petersen

    Welchem Geschlecht die wahren Heulsusen meistens angehören, haben die Internet-Trolle ja erst in dieser Woche wieder hinreichend bewiesen, als sie wegen einer einzelnen Nur-für-Frauen-Vorstellung von „Wonder Woman“ im Alamo Drafthouse in Texas ausgerastet sind – es gab böse Briefe an den Bürgermeister von Austin und ein Männerrechtsaktivist reichte sogar formell Beschwerde bei einer Regierungsorganisation ein. Trotzdem verstehen wir schon, warum Männer unbedingt in diese Vorstellung wollen (einer hat sich sogar ein Ticket gekauft) - denn nachdem wir den Film nun in einer standesgemäß-gesitteten mittäglichen Pressevorführung gesehen haben, können wir uns nur allzu gut vorstellen, wie sehr „Wonder Woman“ dort in Austin abgefeiert werden wird! Der Superheldinnen-Blockbuster ist locker der beste DC-Film seit „The Dark Knight“: Patty Jenkins („Monster“) macht nicht nur so vieles richtig, was ihre Kollegen in den vergangenen Jahren immer wieder verbockt haben, sie entlarvt zugleich auch das ganze grüblerische Anti-Helden-Gehabe des DC-Kinouniversums als ziemlich pubertäres Jungsgetue, während sich Diana Prince alias Wonder Woman voll fokussiert um die wirklich wichtigen Dinge kümmert. Jetzt hat DC zumindest in einer Hinsicht die Nase vorn – wir sind gespannt, ob Marvel da mit dem für 2019 angekündigten „Captain Marvel“ etwas entgegenhalten kann.

    Die Amazonenkönigin Hippolyta (Connie Nielsen) besteht darauf, dass ihre achtjährige Tochter Diana (Lilly Aspell) keinerlei Kampfunterricht erhält. Hippolytas Schwester Antiope (Robin Wright) ist da allerdings ganz anderer Meinung und trainiert ihre Nichte heimlich. Das zahlt sich spätestens aus, als Jahre später der amerikanische Spion Steve Trevor (Chris Pine) nahe der Amazoneninsel Themyscira mit seinem abgeschossenen Flugzeug ins Wasser stürzt – verfolgt von einem Kriegsschiff der deutschen Marine. Diana (jetzt: Gal Gadot) und die anderen Amazonen können die Soldaten zwar besiegen, aber sie hören auch zum ersten Mal davon, dass dort draußen in der Welt gerade ein fürchterlicher Krieg tobt, der bereits Millionen von Menschenleben gefordert hat. Diana ist sich sicher, dass hinter solch schrecklichen Gräueltaten nur einer stecken kann: der griechische Kriegsgott Ares. Sie begleitet Steve zurück nach London, um von dort aus die Fronten des Ersten Weltkriegs nach Ares abzusuchen und ihn ein für alle Mal zur Strecke zu bringen…

    Historisch gesehen taugt Wonder Woman ebenso gut als karnevalstaugliches Sexsymbol wie als feministische Ikone, wobei in „Wonder Woman“ der zweite Aspekt glücklicherweise klar im Vordergrund steht. Nur kurzzeitig sieht Diana nach einer Amazonen-Version der legendären Kleideranprobier-Sequenz aus „Pretty Woman“ aus wie eine sexy Bibliothekarin aus einem Pornofilm, denn bei einer Schlägerei an der nächsten Straßenecke tritt sie die zum Outfit gehörige Brille auch schon wieder kaputt, während stattdessen Chris Pine („Star Trek“) als verführerische Waschbrett-Nymphe in einem fluoriszierenden Pool für das angemessene Eye Candy sorgt. Ein kurzer Abstecher ins britische Parlament (Zutritt für Frauen strengstens verboten) reicht zudem aus, um den verbohrten Schnurrbartträgern mal zu zeigen, was Tapferkeit wirklich bedeutet, während wir nach „Wonder Woman“ endlich wissen, warum das zerbombte Stück Land zwischen gegenüberliegenden Schützengräben im Englischen als No Man’s Land bezeichnet wird: Im Gegensatz zu den verschanzten Soldaten stürzt sich Wonder Woman nämlich ohne zu zögern in das feindliche Maschinengewehrfeuer, um die hilflosen Bewohner eines besetzen belgischen Dorfes zu retten (wenn auch nur vorübergehend, wobei die zivilen Verluste hier im Gegensatz zum oft kritisierten „Man Of Steel“-Finale tatsächlich ein angemessenes Gewicht erlangen).

    Die erste knappe halbe Stunde auf der paradiesischen Insel Themyscira ist nett anzusehen, aber auch die schwächste des Films: Gerade Robin Wright (die patente Präsidentengattin aus „House Of Cards“) braucht mit ihrem narbenübersäten drahtigen Körper zwar nicht länger als einen Augenblick, um uns glaubhaft zu versichern, was für ein Badass Antiope ist, trotzdem bleibt der Soll-Diana-trainieren-oder-nicht-Konflikt zwischen ihr und ihrer Schwester emotional eher vage (auch die Auflösung folgt unerwartet plötzlich). Es wird eben eine Menge griechisch-göttlicher Exposition vor sommerlich-schöner Kulisse präsentiert, mehr nicht. Erst mit dem Absturz von Steve kommt dann richtig Schwung in die Sache – und den hält der Film dann auch die folgenden zwei Stunden bis zum Abspann bei. Los geht’s mit einer an klassische Western erinnernden, mit reichlich verdienten Zeitlupen gewürzten Kriegssequenz, in der die Amazonen mit Pfeil und Bogen gegen die mit Gewehren bewaffneten deutschen Soldaten anreiten – in „Wonder Woman“ wird gestorben, selbst im ersten Akt. Sowieso entfalten die Actionszenen insgesamt einfach viel mehr Wucht als man es aus dem DC-Universum gewohnt ist, egal ob beim Zusammenkrachen zweier Schwerter oder auf den zerfurchten Schlachtfeldern des Ersten Weltkriegs.

    Mit dem Aufbruch gen London macht „Wonder Woman“ dann erst einmal einen Schlenker ins Genre der Fish-out-of-Water-Komödie – und zwar gleich im doppelten Sinne, schließlich kennt Diana weder Männer noch die moderne Zivilisation. Während Ex-Model und Ex-Soldatin Gal Gadot („Fast & Furious Five“) betont seriös auftreten muss, damit diese Art des Humors überhaupt funktionieren kann, nutzt Chris Pine die Gelegenheit zu einer schauspielerischen Sternstunde: Nie war er besser als hier, wenn er auf Dianas naive Nachfragen oder resolute Forderungen reagieren darf. So soll etwa ein nackter Steve darauf antworten, wie er sich denn so im Vergleich zu anderen Männern einschätzen würde - DC kann auch verdammt lustig sein, wer hätte das gedacht? Und nicht nur das: Zwischen Pine und Gadot sprühen auch die Funken, wie wir es derart glaubhaft bisher noch in keinem anderen Superheldenfilm erlebt haben. Vielleicht hat es zumindest dafür tatsächlich erst einer Frau auf dem Regiestuhl bedurft.

    Schließlich geht es dann dorthin, wo es Diana schon die ganze Zeit hinzieht: an die Front! Aber während man bei DC-Mastermind Zack Snyder („Man Of Steel“, „Batman V Superman“, „Justice League“) immer das Gefühl hat, dass er mit Heldenhaftigkeit einfach generell nicht sonderlich viel anfangen kann, schließlich darf bei ihm ja nicht mal Superman wirklich gut sein, inszeniert Patty Jenkins ihre Protagonistin nun volle Kanne als SuperHELDIN – und es ist genau diese Lebendigkeit, dieser Optimismus, diese Herzensgüte, die Wonder Woman zu einer so viel tragischeren und deshalb auch berührenderen Figur macht als die zynischen Selbstzweifler Batman und Superman. Schließlich ist dem Publikum schon ab dem Moment, in dem Diana hoffnungsfroh und voller Aufbruchsstimmung mit Steve Richtung London segelt, vollkommen klar, dass ihre Mission von Vorneherein zum Scheitern verurteilt ist. Immerhin geht sie ganz simpel davon aus, dass sie nur Ares aus dem Weg räumen muss, um damit zugleich auch die dunkle Seite der Menschheit zu beseitigen – während der Zuschauer im Kinosaal natürlich darum weiß, dass nur 21 Jahre nach dem Ende des Ersten Weltkriegs der nächste globale Konflikt ausbrechen und erneut Millionen von Todesopfern fordern wird. Trotzdem fühlt sich Dianas zielstrebige, hoffnungsvolle, selbstlose Leidenschaft nie wie fehlgeleitetes naives Pathos an, sondern reißt tatsächlich mit - ihre Kameraden wie das Publikum. Und das liegt vor allem an Gal Gadot, der man eben nicht nur die Kampfkünste der Amazonenprinzessin, sondern auch ihre unumstößlichen Werte hundertprozentig abkauft.

    Batman und Superman sind die Superhelden, die unsere abgefuckte Zeit verdient!

    Wonder Woman ist die Superheldin, die unsere abgefuckte Zeit braucht!

    Fazit: Obwohl sie nicht einmal im Titel auftauchte, ist Wonder Woman schon 2016 aus dem Giganten-Duell „Batman V Superman“ als heimliche Siegerin hervorgegangen – aber nach ihrem herausragenden Solofilm ist Gal Gadot als Diana Prince jetzt endgültig das größte Pfund der neuen Justice League.

    Zur Frage 3D oder kein 3D: Wir haben den Film lediglich in 2D gesehen, aber gerade im ersten Drittel auf der Amazoneninsel gibt es einige Szenen, etwa wenn die Kämpferinnen in Zeitlupe durch die Luft wirbeln, in denen sich in 2D der Vordergrund in auffälliger Weise von dem Hintergrund abhebt. Die Szenen sind so offensichtlich auf 3D ausgelegt, dass es in 2D fast ein wenig stört. Wir können wie gesagt nichts dazu sagen, wie viel das 3D zusätzlich zu dem Film beiträgt, aber zumindest solche negativen Effekte ließen sich mit der Wahl einer 3D-Vorstellung wohl vermeiden.

    Möchtest Du weitere Kritiken ansehen?
    Das könnte dich auch interessieren
    Back to Top