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    Die Todesreiter von Darfur
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Die Todesreiter von Darfur
    Von Anna Lisa Senftleben

    Es gibt Kriege, bei denen man das Kriegsgeschehen quasi live am Fernsehschirm mitverfolgen kann – etwa den Irakkrieg im Jahr 2003. Doch es gibt auch Konflikte, die nahezu unter Ausschluss der Weltöffentlichkeit stattfinden: Auch 2003 kam es in der Region Darfur, die im Westen von Afrikas größtem Flächenstaat Sudan liegt, zu einer Ausweitung des jahrzehntelang andauernden Bürgerkriegs, der bereits mehr als zwei Millionen Menschenleben gekostet hat. Die Kämpfe zwischen Rebellengruppen und der Armee, die seit den Aufständen im Februar 2003 Milizen aus den arabischen Nomadenstämmen (sogenannte „berittene Teufel“) rekrutieren ließ, haben sich mittlerweile zu einer der schlimmsten humanitären Krisen der Welt entwickelt. Erst im Juli dieses Jahres wurde gegen den Hauptverantwortlichen für die brutalen Angriffe der arabischen Milizen auf nicht-arabische Stämme, Sudans Präsident Omar al Baschir, vom Internationalen Gerichtshof in Den Haag Haftbefehl wegen Völkermords erlassen. In den Medien wurde aber dennoch nur spärlich über den Krieg und seine Folgen berichtet. Bis heute weiß kaum einer Genaueres über den Konflikt, der zum Stellvertreterkrieg zwischen dem Sudan und dem Tschad geworden ist. Während der grausame Genozid in Darfur ungehindert weitergeht, versucht der mehrfach ausgezeichnete Dokumentarfilm „Die Todesreiter von Darfur“ von Annie Sundberg und Ricki Stern, auf die abscheulichen und menschenunwürdigen Zustände in dem afrikanischen Staat aufmerksam zu machen.

    Das Skript basiert auf dem Buch „The Devil Came on Horseback“ von Gretchen Wallace und ihrem Bruder Brian Steidle, einem ehemaligen US-Marine, der als offizieller militärischer Beobachter in den Jahren 2004 und 2005 im Sudan tätig war und Zugang zu Teilen des Landes hatte, in die damals kein Journalist hineingelassen wurde. Während seines Aufenthalts wurde Steidle unfreiwilliger Zeuge von Gräueltaten, die jenseits des menschlichen Vorstellungsvermögens liegen. Er quittierte schließlich den Dienst und kehrte zurück in die USA, nachdem von Seiten der Staatengemeinschaft nichts gegen das Morden unternommen wurde. Seitdem kämpft Steidle für Gerechtigkeit für die Menschen in Darfur.

    Der Beginn von „Die Todesreiter von Darfur“ erinnert ein wenig an den polemischen Stil von Michael Moores Werken Fahrenheit 9/11 und Bowling for Columbine: Schnelle Schnitte und rasante Kamerafahrten, Einblendungen von Standbildern und Fotos – kurz: eine rasante Einführung in das Thema verbunden mit verständlichen Worten und erschreckenden Fakten. Bisweilen ruft die Titelsequenz auch Assoziationen an einen aufklärerischen Schulfilm hervor, wobei dieser seinen Zweck aber trotzdem voll erfüllt: Dem Zuschauer soll die Grausamkeit des Krieges vorgeführt werden, um zumindest einen Teil des Publikums wachzurütteln, sich für ein baldiges Ende des Mordens einzusetzen.

    Im Anschluss an die Einführung widmet sich „Die Todesreiter von Darfur“ der Vorstellung des Protagonisten, dem ehemaligen Marine Brian Steidle, und den grausamen Aufnahmen, die er im Rahmen seiner einjährigen Tätigkeit als militärischer Berater der Afrikanischen Union in Darfur und dem Sudan gemacht hat. Es waren einige dieser Aufnahmen, die im Frühjahr 2005 in der New York Times veröffentlicht wurden, die Annie Sundberg und Ricki Stern auf Brian Steidle und seinen Kampf für ein Ende des Krieges in Darfur aufmerksam machten. Für diesen Schritt in die Öffentlichkeit mussten Steidle allerdings zunächst einen steinigen Weg beschreiten: Während ihn das US-Außenministerium nur darum bat, die Veröffentlichung der Fotos zu unterlassen, warnte ihn die Afrikanische Union gar damit, er würde sich einem Risiko für Leib und Leben aussetzen. Schließlich wurde ihm auch noch vorgeworfen, er würde sich mit den Schreckensbildern lediglich bereichern wollen.

    Für Annie Sundberg und Ricki Stern, die 2006 gemeinsam den preisgekrönten Dokumentarfilm „The Trials Of Daryl Hunt“ als Regisseurinnen und Produzentinnen realisierten, war es vor allem die Story von Brian Steidle, die sie für das Projekt begeisterte. So ist „Die Todesreiter von Darfur“ für Steidle auch eine Therapie, um das Erlebte zu verarbeiten. Sundberg und Stern gelingt die Gradwanderung zwischen persönlicher Geschichte und politischer Dokumentation hervorragend. Der Zuschauer wird dabei allerdings nicht gerade geschont: Steidles Fotos von verkohlten Leichen und die Interviews mit Flüchtlingen aus Darfur sind schockierend. Immer wieder stellt man sich so die Frage: Warum tut die Internationale Völkergemeinschaft nichts gegen das Morden?

    Bereits in Ruanda scheiterte die Welt und konnte einen der grausamsten Genozide der jüngeren Geschichte nicht verhindern. Nicht viel besser ist es um die Lage in Darfur bestellt: Der Friedenseinsatz der UN und der Afrikanischen Union kommt nicht voran, bislang sind gerade einmal 10.000 der zugesagten 26.000 Blauhelme vor Ort. Selbst an Material fehlte es den Soldaten, so mussten sie beispielsweise ihre grünen Helme selbst blau übermalen.

    Brian Steidles Engagement führte dazu, dass sich in den USA bis heute 180 Organisationen (die Save Darfur Coalition) für die Menschen in Darfur einsetzen. Im Frühjahr 2006 riefen diese in 22 US-Städten eine 22.000 Meilen lange Tour ins Leben, auf der Brian Steidle in Universitäten, Synagogen, Kirchen und lokalen Gemeindegruppen über seine Erlebnisse berichtete. Auch diese Vorträge sind Teil der Dokumentation.

    Fazit: Mit „Die Todesreiter von Darfur“ verarbeitet nicht nur ein traumatisierter Ex-Marine seine Vergangenheit, zugleich ist der Film auch eine mutige Anklage des Kriegs in Darfur und eine eindringliche Mahnung an die Weltöffentlichkeit, die nie mit erhobenem Zeigerfinger daherkommt.

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