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    Pirates of the Caribbean: Fremde Gezeiten
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Pirates of the Caribbean: Fremde Gezeiten
    Von Christoph Petersen

    Basierend auf einer Vergnügungsparkattraktion im Disneyland gelang Regisseur Gore Verbinski, Produzent Jerry Bruckheimer und Hauptdarsteller Johnny Depp mit ihrem „Fluch der Karibik" im Jahr 2003 ein nahezu perfekter Sommerblockbuster. Der Grabgesang auf das Piratengenre war längst verklungen, als Captain Jack Sparrow die Segel seiner geliebten Black Pearl hisste und mit 143 Minuten bester Abenteuerunterhaltung fulminant das internationale Box Office enterte. Ganz nach dem bei Fortsetzungen üblichen Motto „Höher, weiter, schneller" machte die Reihe mit den Teilen zwei und drei dann aber leider einen Schritt zurück: Aus der Kinounterhaltung wurde wieder eine Rummelplatzattraktion, warum da gerade eigentlich was genau auf der Leinwand passierte, interessierte einen irgendwann kaum noch. Natürlich machte auch „Pirates Of The Caribbean - Am Ende der Welt" bei einem weltweiten Einspiel von 963 Millionen Dollar noch mächtig Profit, aber er war doch eine Ecke geringer als der von „Pirates Of The Caribbean: Fluch der Karibik 2" (1,066 Milliarden Dollar) knapp ein Jahr zuvor. Diesen durchaus verschmerzbaren Umsatzrückgang, aber vor allem die zurückhaltenden Kritiken haben die Produzenten als Schuss vor den Bug verstanden. Mit „Chicago"-Regisseur Rob Marshall als neuem Mann am Steuerrad ist „Fluch der Karibik 4" nun wieder viel stärker am ersten Film orientiert – obwohl wichtige Teile der Besetzung ausgetauscht wurden. Statt auf CGI-gestützte Überwältigungsstrategien setzen Marshall und Bruckheimer - trotz allerlei Fantasy-Einschübe – mit „Pirates of the Caribbean: Fremde Gezeiten" (so der offizielle Titel) auf geradezu klassische Kinounterhaltung.  

    Ob die spanische Armada, die englische Krone oder die Piratenkapitäne Blackbeard (Ian McShane), Barbossa (Geoffrey Rush) und Jack Sparrow (Johnny Depp) – die ganze Welt scheint hinter dem legendären Jungbrunnen herzujagen. Dabei hat Jack offenbar die schlechtesten Karten, denn im Gegensatz zu seinen Konkurrenten besitzt er nach dem Verlust der Black Pearl kein eigenes Schiff mehr. Außerdem gibt es in den Spelunken Londons einen Schwindler, der sich mit fremden Federn schmückt und als Jack Sparrow ausgibt. Bei dem Hochstapler handelt es sich jedoch keinesfalls um einen gemeinen Strauchdieb, sondern um die heißblütige Spanierin Angelica (Penélope Cruz), eine Ex-Geliebte von Jack, die dieser damals ohne ersichtlichen Grund verließ. Angelica ist es nun auch, die den bewusstlosen Jack an Bord von Blackbeards Schiff schmuggelt, wo dieser bald – aber ohne bleibenden Erfolg – eine Meuterei anzettelt...

    Statt einen noch abstruseren Plot um die Charaktere der ersten drei Teile zu spinnen, haben sich die Macher entschlossen, mit Tim Powers' „On Stranger Tides" einen Abenteuerroman von 1987 als Vorlage zu nehmen und diesen an die Figur des tuntig-torkelnden Piratenkapitäns Jack Sparrow anzupassen. Ging der Plot in den beiden vorherigen Filmen in so viele Richtungen gleichzeitig, dass man irgendwann gar nicht mehr wusste, warum man überhaupt noch versuchen sollte, da mitzukommen, bewegen sich die noch immer zahlreich vorhandenen Parteien diesmal zumindest in dieselbe Richtung: Alle jagen sie zum Jungbrunnen, was im ersten Moment vielleicht ein wenig simpel klingt, aber gerade diese Geradlinigkeit verleiht der Story im Vergleich zu den enttäuschenden Vorgängern viel mehr Drive.

    Auch die Umbesetzung des Regiepostens verfehlt ihr Ziel nicht. Gore Verbinski („The Ring", „Rango") ist ein guter Hollywood-Handwerker, aber ihm fehlten die Ideen, um dem „Höher, weiter, schneller"-Prinzip etwas entgegenzusetzen. Rob Marshall hingegen hat gleich mit seinem Regiedebüt „Chicago" sechs Oscars und sieben weitere Nominierungen abgeräumt. Mit seiner Verpflichtung war also von vornherein klar, dass von ihm nicht einfach noch mehr Krachbumm erwartet würde. Er besitzt nicht dieses unbedingte Bedürfnis, immer noch einen draufzusetzen. Damit ist er ein gesunder Gegenpol zu Bombast-Produzent Jerry Bruckheimer („Top Gun", „Das Vermächtnis der Tempelritter") und dem Film tut es nur gut, wenn sich Johnny Depp und Geoffrey Rush wieder mehr mit inbrünstig vorgetragenen Onelinern statt mit Säbeln duellieren.

    Ein weiterer gesunder Gegenpol ist Penélope Cruz als Angelica. Endlich gibt es eine Figur, die Jack Sparrow auch in Sachen Humor und Schlagfertigkeit etwas entgegenzusetzen hat. In vielerlei Hinsicht beweist die spanische Oscar-Preisträgerin (für „Vicky Cristina Barcelona") dabei sogar noch mehr selbstironische Qualitäten als Johnny Depp, der auf gleichbleibend hohem Niveau doch wieder nur noch mehr vom selben abliefert. So erklärt Angelica Jack zum Beispiel, dass sie nur deshalb ausgerechnet ihn imitieren würde, weil er schließlich der einzige Piratenkapitän sei, als der sie auch als Frau ohne weiteres durchgehen könne. Ebenso augenzwinkernd spielt Cruz auf ihre Schwangerschaft (während der Dreharbeiten musste sie teilweise von ihrer kleinen Schwester Mónica Cruz gedoubelt werden, weil ihr Babybauch zu auffällig geworden war) an, wenn sie Depp vorgaukelt, nach einer durchzechten Nacht von ihm schwanger zu sein, damit er sie nicht noch einmal verlässt.

    Es ist übrigens ein Irrtum, dass Penélope Cruz die ausgebootete Keira Knightley ersetzt. Eine Rolle wie die von Angelica gab es in den vorherigen Filmen nämlich gar nicht. Vielmehr übernehmen nun Sam Claflin („Die Säulen der Erde") als eifriger Missionar Philip und die Französin Astrid Bergès-Frisbey („Triff die Elisabeths!") als trockengelegte Meerjungfrau Syrena den Liebespaar-Part von Orlando Bloom und Keira Knightley. Dabei machen die beiden Neulinge keinen schlechten Job, gerade Bergès-Frisbey schaut mitunter so herzzerreißend traurig drein, dass man(n) in die Leinwand hineinkrabbeln und sie trösten will. Leider läuft die Liebesgeschichte der beiden Neulinge aber merkwürdig abgetrennt neben dem übrigen Plot her: Mit Jack Sparrow haben sie zumindest kaum etwas zu tun. Es wird spannend zu sehen, ob und wie die Autoren die Figuren in den kommenden zwei Filmen noch besser integrieren. Dass auch die zweite Trilogie wie geplant vervollständigt wird, steht nämlich im Prinzip längst außer Frage, auch wenn sich Johnny Depp aktuell noch ein wenig ziert.

    Abgesehen von der ebenso attraktiven wie liebenswürdigen Syrena sind die Meerjungfrauen allerdings ziemliche Biester, die auch direkt aus einem Horrorfilm stammen könnten. Irgendwo zwischen Piranha, Vampir und Spider-Man (sie können Algenstränge aus ihren Handgelenken abfeuern) reißen sie Seemänner mit sich in die Tiefe und bringen sogar ganze Schiffe zum Kentern. Dieser horrorhafte Einschub fällt zwar ein wenig aus dem Rahmen, beschränkt sich aber auf nur wenige Minuten und bietet in diesen eine nette Abwechslung. Allerdings fällt auf, dass der ganze Aufwasch um echte und operierte Brüste der Meerjungfrauen ziemlich überflüssig war. Es wird nämlich immer peinlich genau darauf geachtet, dass man nur nicht zu viel zu sehen bekommt (weshalb die nassen langen Haare der Nixen mitunter doch arg drapiert an ihren Körpern kleben).

    Sicherlich gibt es in „Pirates of the Caribbean: Fremde Gezeiten" nur wenige Szenen, in denen nicht nachträglich zumindest noch ein wenig am Computer nachgeholfen wurde. Aber mit Ausnahme des Auftritts der Meerjungfrauen gibt es gerade im Vergleich zu den beiden Vorgängern trotzdem nur wenige Szenen, in denen einem das CGI-Getue allzu genüsslich unter die Nase gerieben wird. Auch der Einsatz der 3D-Technik ist angenehm zurückhaltend. Bis auf einen durch die Kojentür gerammten Säbel gibt es kaum Elemente, die aus der Leinwand auf das Publikum zukommen und es so womglich aus der Handlung herausreißen. Außerdem erreicht das Geschehen selbst in den dunklen Szenen noch eine beeindruckende Schärfe - dass der Film in 3D gedreht statt nachträglich konvertiert wurde, zahlt sich aus. Nur bei den schnellen Säbelduellen verwischt das Bild hin und wieder.

    Fazit: Die „Fluch der Karibik"-Macher haben sich nach den ausufernden Teilen zwei und drei auf den Kern besonnen und überlassen die monumentalen CGI-Effektschlachten dieses Jahr lieber Michael Bay und seinem einen Monat später startenden „Transformers 3". Stattdessen setzt der neue Regisseur Rob Marshall lieber auf geradezu klassische Abenteuerunterhaltung und beschert dem Publikum vor allem auch dank einer Johnny Depp jederzeit ebenbürtigen Penélope Cruz recht kurzweilige 140 Minuten Sommerkino.

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