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    The Impossible
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    The Impossible
    Von Andreas Staben

    Am 26. Dezember 2004 sorgte ein schweres Erdbeben im Indischen Ozean für eine riesige Tsunami-Katastrophe in Südostasien. Fast 250.000 Menschen sind durch die gigantischen Wellen direkt oder indirekt ums Leben gekommen, die meisten in Indonesien. Schwer betroffen waren auch beliebte Urlaubsregionen in Thailand, wo neben Tausenden Einheimischen fast ebenso viele Touristen aus der ganzen Welt zu den Opfern gehörten. Eine dieser Urlauberinnen war die Spanierin Maria Belon, die das Unglück auf wundersame Weise überlebte, mit ihrer Familie. Als Regisseur Juan Antonio Bayona („Das Waisenhaus") Marias dramatische Geschichte hörte, war er so beeindruckt und berührt, dass er beschloss, daraus einen Film zu machen. Das Ergebnis ist „The Impossible", eine der ersten großen internationalen Produktionen über diesen Jahrhundert-Tsunami, die in der spanischen Heimat des Regisseurs und der Hauptfigur bereits Einspielrekorde aufstellte. Das in englischer Sprache gedrehte Katastrophen-Drama ist engagiert gespielt und vor allem technisch eindrucksvoll gelungen. Die Aufnahmen des zerstörerischen Wirkens der Natur sind schlicht atemberaubend und der emotionalen Wucht des dramatischen Geschehens kann man sich kaum entziehen, aber Regisseur Bayona erreicht diese nicht zuletzt durch einige diskussionswürdige Übertreibungen und Zuspitzungen.

    Dezember 2004. Henry Bennett (Ewan McGregor), seine Frau Maria (Naomi) sowie die drei gemeinsamen Söhne Lucas (Tom Holland), Thomas (Samuel Joslin) und Simon (Oaklee Pendergast) verbringen den Familienurlaub zu Weihnachten in einer schicken Ferienanlage in Phuket an der thailändischen Küste. Hier scheinen alle Sorgen weit entfernt zu sein, aber als das Ehepaar Bennett am zweiten Weihnachtstag am Pool entspannt und mit den Kindern spielt, findet das Idyll ein jähes Ende. Eine riesige Welle überrollt den Strand und das Hinterland und reißt alles auf ihrem Weg mit, Bäume werden entwurzelt, Häuser zerstört, Menschen und Tiere einfach weggespült. Maria in den Strudel der Wassermassen, die direkt hinter ihr ein großes Aquarium zersplittern lassen. Als sie sich an die Oberfläche kämpft und nach Luft schnappt, bemerkt sie ihren Sohn Lucas, der in einiger Entfernung versucht, der Strömung des Wassers standzuhalten. Mit einer übermenschlichen Kraftanstrengung versucht sie, zu ihm zu gelangen. Von Henry und den beiden kleineren Jungs ist allerdings nichts zu sehen...

    Häufig ist der inflationär gebrauchte Vorspann-Hinweis auf die „wahren Ereignisse" ein allzu durchsichtiger Versuch, einem ansonsten womöglich nicht weiter bemerkenswerten Film zumindest den Anschein von Relevanz und Glaubwürdigkeit zu verleihen. Bei „The Impossible" wird das Wörtchen „true" sogar noch besonders hervorgehoben und dem Filmtitel, der ja gerade das Unmögliche beschwört, explizit gegenübergestellt. Die Ambivalenz, die in dieser Zusammenführung steckt, wird dann allerdings nicht zum Thema gemacht, sondern in einer Spannungsdramaturgie aufgelöst. An manchen der unwahrscheinlicheren Stellen wirkt Bayonas Film dabei, als wäre die einleitende Authentizitätsformel ein willkommenes Feigenblatt für erzählerische Unzulänglichkeiten – ganz nach dem Motto: „Das Leben schreibt eben die unglaublichsten Geschichten". Wenn etwa Henry eine durchaus überraschende Entscheidung trifft, oder wenn verschiedene Handlungsstränge auf kaum glaubliche Art zusammengeführt werden, dann ist letztlich weniger das Was des faktischen Geschehens problematisch als vielmehr das Wie der Inszenierung. Bayona verwandelt das Drama des chaotischen Überlebenskampfs in eine effektvolle Achterbahnfahrt wie sie im Buche steht, wobei er den Fokus so ausschließlich auf die Bennetts legt, dass alle anderen Figuren reine Statisten bleiben und auch die katastrophalen Umstände letztlich austauschbar wirken.

    Juan Antonio Bayona hat sein Spielfilmdebüt mit dem Horrorfilm „Das Waisenhaus" gegeben und diese Genre-Affinität ist auch „The Impossible" anzusehen. Da gibt es haufenweise ominöse Vorahnungen, es grollt und grummelt auf der Tonspur, Verletzungen werden in blutigen Großaufnahmen präsentiert und mit der oft überaus aufdringlich eingesetzten Musik lärmende Akzente gesetzt. Zuweilen orchestriert Bayona nicht nur den Schrecken so effektbewusst. Auch wenn sich der überforderte Lucas im Krankenhaus verzweifelt in den Versuch stürzt, getrennte Familien zusammenzuführen, macht der Regisseur daraus eine Suspense-Sequenz und wenn Henry endlich an ein Telefon kommt, um in der Heimat anzurufen, bleibt dies eine kalkuliert eingefädelte Gelegenheit für ein schauspielerisches Bravourstück. Bayonas Inszenierung ist fast nur auf elementare Thrills angelegt, der menschlichen Dimension der realen Tsunami-Katastrophe wird er damit längst nicht immer gerecht. Aber abgesehen von der zuweilen irritierenden Verengung der Perspektive ist „The Impossible" über weite Strecken ein mitreißendes Filmerlebnis. So ist Bayona bei der ausführlichen Entfesselung der Naturgewalten sichtlich in seinem Element und der Tsunami selbst, der ohne großen Computereinsatz mit Modellen hauptsächlich in einem großen Wassertank in Spanien gedreht wurde, kann mit der entsprechenden Sequenz aus Clint Eastwoods „Hereafter" mehr als mithalten.

    Die Finanzierung des aufwändigen Projekts war nur als internationale Co-Produktion in englischer Sprache und mit Star-Besetzung möglich und so wurde aus den Belons im Film eine britische Familie (so scheint es jedenfalls, eine Nationalität wird nicht explizit genannt). Zu Bayonas Ansatz eines hochemotional aufgeladenen Identifikationskinos passt dieser Rückgriff auf bekannte Gesichter, aber Naomi Watts und Ewan McGregor bringen weitaus mehr ein als bloß Starqualitäten. Vor allem Watts zeigt als Maria vollen Körpereinsatz und mehr noch als in „21 Gramm" oder „King Kong" auch Leidensbereitschaft, während McGregors Henry weit entfernt von „Trainspotting"-Exzessen und von Jedi-Ritter-Heldentum der Krisensituation mit einer Beharrlichkeit begegnet, die immer wieder in Verzweiflung umzuschlagen droht. Durch die Schauspieler (der Newcomer Tom Holland als ältester Sohn Lucas verdient ein Sonderlob) bekommt die beispielhafte Erzählung vom menschlichen Überlebenswillen erst die Widerhaken, die „The Impossible" auch emotional nachvollziehbar werden lassen.

    Fazit: „The Impossible" ist ein packend gespieltes und wirkungsvoll, aber einseitig inszeniertes Katastrophen-Drama über den Überlebenskampf einer Familie.

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