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    Kaboom
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Kaboom
    Von Stefan Geisler

    Gregg Araki ist ein echtes Regie-Chamäleon. Wer nach dem verstörenden Drama „Mysterious Skin" einen Nachfolger mit ähnlichem Tiefgang erwartete, wurde durch „Smiley Face" eines Besseren belehrt. In der Kifferkomödie von 2007 versuchte Anna Faris („Scary Movie"), vollkommen zugedröhnt einen ganz alltäglichen Tagesablauf zu meistern. Auf den Ausflug ins Grüne folgt nun „Kaboom", ein Film, der an Arakis frühe Low-Budget-Produktionen der Teen-Apocalypse-Trilogie („Totally f***ed up", „The Doom Generation", „Nowhere - Eine Reise am Abgrund") erinnert. „Kaboom" ist ein knallbunter Coming-of-Age-Film, ein Genre-Potpourri, das nahezu jeden Geschmack und dabei doch leider keinen wirklich befriedigt. Ob Komödie, Softporno, Horror-Thriller oder Science-Fiction, alles findet seinen Platz in den 86 Minuten Spielzeit. Das Ergebnis ist ein leicht größenwahnsinniger Film, der im letzten Drittel endgültig aus dem Ruder läuft, eine Ausgeburt des Wahnsinns, die das Publikum spalten wird.

    Smith (Thomas Dekker) ist 18 Jahre alt und Filmstudent. Gemeinsam mit seiner besten Freundin Stella (Haley Bennett) und seinem Zimmergenossen Thor (Chris Zylka) versucht er durch den ganz normalen Studienwahnsinn zu kommen. Ungezügelter Sex unter Drogeneinfluss gehört einfach dazu, und dabei ist es Smith vollkommen egal, welches Geschlecht in seinem Bett landet. Nach einer wilden Partynacht trifft er auf eine ominöse Rothaarige (Nicole LaLiberte), die er bereits aus einem wiederkehrenden Traum zu kennen glaubt. Diese ersucht seine Hilfe, da sie von Männern mit skurrilen Tiermasken verfolgt und bedroht wird. Alles nur ein böser Trip, wie Smith am nächsten Tag glaubt, doch die Ereignisse der nächsten Tage sprechen eine andere Sprache...

    Gregg Arakis cineastischer Drogentrip startet als Spiel mit College-Klischees, irgendwo zwischen Unistress, ausschweifendem Nachtleben, sexuellen Eskapaden und übermäßigem Drogenkonsum. Arakis zeigt eine Jugend, die ihre Sexualpartner so selbstverständlich wechselt wie die eigene Unterwäsche, ohne auch nur einen Gedanken an tiefere Bindungen oder die Welt nach dem Moment zu verlieren. Es sind kalte Menschen, die der Filmemacher da präsentiert, abgestumpft von Internet-Pornos und dem Party-Drogenkonsum. Nichts scheint in dieser Welt wirklich real und so ist es kaum verwunderlich, dass ein nächtlicher Überfall durch grotesk hinter Tiermasken verborgene Personen auf die Nachwehen eines Drogentrips geschoben wird. Selbst als beide Hauptfiguren in fantastische Begebenheiten verwickelt werden, fällt es ihnen offensichtlich schwer, den Erlebnissen ihres Gegenübers Glauben zu schenken. Erst mit dem Zusammenbruch ihres Hedonismus schaffen es die apathischen Protagonisten, eine aktive Rolle im Geschehen einzunehmen.

    Der Cast von „Kaboom" ist so vielfältig wie die Handlung selbst. Neben Thomas Dekker („A Nightmare on Elm Street") als Student in der Selbstfindungsphase und Chris Zylka („Cougar Town - 40 ist das neue 20") als Surferboy Thor sind es besonders die weiblichen Schauspieler, die den Film sehenswert machen. Zum einen wäre da Jungdarstellerin Haley Bannett („The Hole - Wovor hast du Angst?") als zynisch-fiese Stella, die ihren besten Freund Smith mit Rat und Tat zur Seite steht und seine Eskapaden mit herrlich spitzer Zunge kommentiert. Daneben brilliert die bezaubernde Juno Temple („Die Schwester der Königin"), als partygeile Nymphomanin mit Bindungsängsten. London, so der Name des unermüdlichen Partyluders, nutzt Sex besonders in harten Studienzeiten um Stress abzubauen und hat für sie eher mit sportlicher Betätigung als mit Zwischenmenschlichkeiten zu tun.

    „Kaboom" ist eine bunte Irrfahrt durch die Genre-Landschaft. Startet der Film noch als Mix aus Coming-of-Age-Film und Psychothriller, kommt es bald zu halsbrecherischen Twists. Und dann sind der Wirklichkeit keine Grenzen mehr gesetzt. So wird eine Verschwörung aufgetan, die nicht nur den Campus oder die Stadt, nein, gleich die ganze Welt umspannt. Wenn Nebenfiguren, die kaum mehr als drei Sätze gesprochen haben, urplötzlich zu bedeutenden Handlungsträgern mutieren und Arakis Irrsinn volle Blüten treibt, bleibt nur noch der totale Kollaps selbst hypothetischer Wirklichkeit, um den Film zu Ende zu bringen. Erstaunlicherweise büßt „Kaboom" ausgerechnet im abgefahrenen Schlussakt an Fahrt ein, Witz und Spannung verlieren sich im Absurden. „Kaboom" ist ein schriller und hervorragend besetzter Film, der vor allem experimentierfreudige Genre-Fans ansprechen wird.

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