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    Avatar 2: The Way Of Water
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Avatar 2: The Way Of Water

    Abtauchen und Staunen

    Von Christoph Petersen

    Es geht wohl gerade vielen so: In Vorbereitung auf den Kinostart von „Avatar 2: The Way Of Water“ schaut man sich das 13 Jahre alte Original noch mal an – daheim und in 2D. Aber der Wow-Faktor, der „Avatar – Aufbruch nach Pandora“ zu einem weltweiten Rekord-Einspielergebnis von mehr als 2,9 Milliarden Dollar getrieben hat, ist irgendwie nicht mehr da. Ohne die überwältigende Ablenkung des 3D-Spektakels zieht sich die Pocahontas-in-Space-Story streckenweise sogar ganz schön hin. Aber hey, der Tech-Visionär James Cameron macht eben noch mehr als die allermeisten seiner Kolleg*innen nicht einfach nur Filme – er macht Kino! Und daran sollte man ihn deshalb auch messen.

    Wie wird es sich also anfühlen, „Avatar 2: The Way Of Water“ im Jahr 2035 in den eigenen vier Wänden in 2D zu gucken? Keine Ahnung. Aber das ist in diesem Moment eigentlich auch schnurzpiepegal. Denn gerade jetzt, im Dezember 2022, auf einer möglichst großen (IMAX-)Leinwand und in 3D, da kann man sich wohl kaum ein atemberaubenderes Kinoerlebnis vorstellen als „Avatar 2: The Way Of Water“! Sind manche Dialoge hölzern? Kratzt die Naturmystik am Kitsch? Sind 193 Minuten nicht doch einen Tick zu lang? Ja, ja und noch mal ja! Aber wenn der Tiefsee-Superfan James Cameron mit den Pandora-Walen tauchen geht, dann erweckt er damit den alten Wunschtraum vom Kino als ultimative Traummaschine trotzdem neu zum Leben…

    Sobald die Kamera in „Avatar 2“ unter die Wasseroberfläche auftaucht, dann weiß man als Zuschauer*in: Achtung, jetzt gibt’s was zum Staunen!

    Seit dem Ende von „Avatar – Aufbruch nach Pandora“, als die Na'vi die meisten Menschen von ihrem Planeten geschmissen haben, sind etwa eineinhalb Jahrzehnte vergangen. Jake (Sam Worthington) und Neytiri (Zoe Saldana) haben inzwischen drei leibliche Kinder, die Jungen Neteyam (Jamie Flatters) und Lo'ak (Britain Dalton) sowie deren jüngere Schwester Tuk (Trinity Jo-Li Bliss). Außerdem kümmern sie sich wie Eltern um die Teenagerin Kiri (Sigourney Weaver), die einst aus dem toten Avatar-Körper von Dr. Grace Augustine (im ersten Teil ebenfalls von Sigourney Wearver gespielt) geboren wurde. Nur haben die Menschen Pandora nicht aufgegeben. Stattdessen kehren sie mit noch mächtigeren Waffen zurück – und zwar diesmal nicht nur, um auf Pandora Mineralien abzubauen, sondern direkt, um die gesamte menschliche Rasse mittelfristig von der sterbenden Erde hierher umzusiedeln.

    Noch allerdings kann Jake die Invasionsarmee mit Anschlägen auf ihre Infrastruktur in Schach halten, wobei ihm auch die Fauna von Pandora regelmäßig zu Hilfe kommt. Allerdings hat die Generalin Ardmore (Edie Falco) bereits einen perfiden Plan: Einige der gefallenen Soldat*innen, darunter auch der sadistische Oberst Quaritch (Stephen Lang), wurden auf der Erde inzwischen als Na’vi geklont – und sollen nun Jagd auf Sully machen. Da das Killerkommando dabei die DNA der Na’vi in sich trägt, werden sie von den natürlichen Abwehrkräften des Planeten in Ruhe gelassen. Um nicht ihren kompletten Stamm in Lebensgefahr zu bringen, müssen Sully und seine Familie – buchstäblich (!) – untertauchen…

    Wer "Avatar 2" nicht in 3D guckt, ist selber schuld

    Mit „Avatar: Aufbruch nach Pandora“ hat James Cameron 2009 einen 3D-Hype befeuert, der inzwischen längst schon wieder abgeebbt ist. „Avatar 2: The Way Of Water“ ist nun der erste Film seit längerem, der in der Berliner Pressvorführung in 3D gezeigt wurde – und das ist sicher kein Zufall. Die Studios haben längst selbst erkannt, dass die dritte Dimension ihren Filmen in den allermeisten Fällen eher schadet als hilft. Selbst wenn aus der Idee von 2016, als James Cameron in einem Interview laut über ein brillenloses 3D nachdachte, am Ende nichts geworden ist, hebt „Avatar 2: The Way Of Water“ die Technik dennoch auf ein völlig neues Level – und man fragt sich zwangsläufig, ob all seinen an der dritten Dimension gescheiterten Kolleg*innen in den vergangenen Jahren wirklich immer nur das Geld, oder womöglich auch die nötige Vision gefehlt hat. Technisch jedenfalls setzt das „Terminator“-Mastermind – mal wieder (!) – völlig neue Maßstäbe. Wobei es längst nicht nur die technische Tollkühnheit gemixt mit einem Budget von kolportierten 350 bis 400 Millionen Dollar ist, die das Publikum immer wieder in blankes Staunen versetzt …

    … eine mindestens ebenso wichtige Rolle spielt schließlich die fast schon kindliche, offenbar unstillbare Begeisterung, die der Filmemacher der Welt unter der Meeresoberfläche entgegenbringt. Wie wohl er sich im Ozean fühlt, hat James Cameron schließlich nicht nur mit „Abyss – Abgrund des Todes“ und „Titanic“ bewiesen – er ist 2012 auch als erster Mensch alleine in einem Tiefsee-U-Boot bis zu einer Tiefe von 10.898 Metern getaucht. In „Avatar 2: The Way Of Water“ schmeißt er diese persönliche Leidenschaft mit einer Wirkkraft auf die Leinwand, dass man sich ihr auch im Publikum einfach nicht entziehen kann: Schon die ersten Tauchgänge in einem fluoreszierenden Korallenriff sind atemberaubend – aber wenn dann auch noch die Wale dazukommen, die zwar für irdische Säugetiere ein paar Augen und Flossen zu viel haben, aber ansonsten fast schon fotorealistisch anmuten, kommt man aus dem Staunen endgültig kaum noch raus.

    Stephen Lang hat in „Avatar – Aufbruch nach Pandora“ einen dermaßen eindrücklichen Bösewicht abgeliefert, dass James Cameron seine Figur lieber geklont hat, als sich einen neuen Schauspieler als Bad Guy zu suchen.

    Die visionäre Kraft von „Avater 2: The Way Of Water“ liegt eindeutig unter der Wasseroberfläche – einen passenderen Titel hätte man sich für das über viele Jahre immer wieder nach hinten verschobene Sequel also kaum aussuchen können. Weniger visionär sind hingegen, und auch das ist bei James Cameron nicht unbedingt eine Neuigkeit, Drehbuch und speziell die Dialoge – wenn Sully gleich mehrfach antiquierte Kalendersprüche zum Thema „Vaterrolle“ raushaut, dann darf darüber im Kino allem Pathos zum Trotz ruhig genauso gekichert werden wie über so manches naturmythisches Kitsch-Klischee. Die Story bleibt im Kern ebenfalls wieder sehr simpel: Nach der Pocahontas-Prämisse des Vorgängers hangelt sich Cameron diesmal an verschiedenen Western-Tropen entlang – mit einem Überfall auf einen futuristischen Postzug als angemessenem Auftakt.

    Allerdings sind die emotionalen Einsätze diesmal deutlich höher, was den Film trotz seiner um 31 Minuten längeren Laufzeit als die Kinofassung von „Avatar – Aufbruch nach Pandora“ insgesamt sogar noch mal deutlich kurzweiliger erscheinen lässt. Dabei macht es sich James Cameron zwar schon sehr leicht, indem er ausgerechnet Kinder und Wale in die emotionale Waagschale wirft. Aber egal, der Plan geht voll auf und man schließt vor allem die majestätischen Ozean-Riesen allem CGI zum Trotz sofort ganz tief ins Herz! Die Chancen auf ein weltweites Walfangverbot standen wohl seit dem Kino-Release von „Free Willy“ nicht mehr so gut wie nun nach „Avatar 2: The Way Of Water“, wo Cameron sogar einen kurzen, aber ausgesprochen kathartischen Splatter-Moment in seinen Film hineinschmuggelt, um dem Publikum ein mögliches Ventil für all die angestaute Wut auf die Walfänger*innen anzubieten.

    Sigourney Weaver stielt die Show

    Was die Neuzugänge angeht, richten sich alle Blicke natürlich zunächst auf Kate Winslet in ihrer ersten Cameron-Rolle seit „Titanic“ – und tatsächlich liefert sie eine starke Performance in ihrer eher überschaubaren Rolle als Ronal, der Matriarchin der Riff-Na’vis. Aber am stärksten in den Vordergrund spielt sich neben den starken Darsteller*innen des Na’vi-Nachwuchses, der diesmal fast noch mehr als ihre Eltern im Vordergrund steht, eine alte Bekannte im neuen bläulichen Gewand: Die gestandene Action-Ikone Sigourney Weaver, die ihren schleimigen Widersacher*innen schon 1979 in „Alien – Das unheimliche Wesen aus einer fremden Welt“ mit Anlauf in den Allerwertesten getreten hat, ausgerechnet als verträumte Na’vi-Teenagerin? Das klingt im ersten Moment nach einer ausgewachsenen Schnapsidee – entpuppt sich dann aber als echter Besetzungs-Coup: Kiri entwickelt sich auch dank ihrer aufregenden Mimik schnell zur wohl interessantesten Figur des Films …

    … und das hat nur bedingt etwas mit dem Plottwist zu tun, der sich schon früh andeutet, aber erst im gigantomanischen Finale voll zum Tragen kommt. Wie auch schon im Vorgänger nimmt der Showdown einen signifikanten Teil der Spielzeit ein – und sicherlich könnte man darüber diskutieren, ob man den ein oder anderen Schlenker (oder in diesem Fall: die eine oder andere Geiselnahme) nicht einfach hätte weglassen können. Aber auf der anderen Seite gibt es genug abwechslungsreiche Phasen der Schlacht – und speziell wenn sich das Zentrum der Handlung langsam von über auf unter der Wasseroberfläche verschiebt, bringt James Cameron eine Menge von dem zurück, was vor einem Vierteljahrhundert auch schon die Untergangssequenzen von „Titanic“ so großartig gemacht hat.

    „Titanic“-Reunion: „Avatar 2: The Way Of Water“ ist der erste Film seit dem elffachen Oscar-Abräumer, in dem James Cameron mit seiner damaligen Hauptdarstellerin Kate Winslet zusammenarbeitet.

    Trotz der computergestützten Motion-Capturing-Erscheinung der Na’vi stecken da nämlich erstaunlich viele praktische Effekte drinnen: Wenn man sich an die gewaltigen Wassertanks zurückerinnert, die man damals immer in den Making-of-Szenen von „Titanic“ gesehen hat, dann kann man sich ungefähr vorstellen, was für ein unfassbarer Aufwand hier am Set betrieben worden sein muss. James Cameron hat mit „Titanic“ und „Avatar – Aufbruch nach Pandora“ zwei Filme in Folge gedreht, die jeweils zum bis dahin erfolgreichsten Film aller Zeiten avancierten – und wahrscheinlich braucht man so ein gewaltiges Ego im Rücken, um so ein Spektakel wie „Avatar 2: The Way Of Water“ überhaupt in Angriff nehmen zu können.

    Man wartet und wartet und wartet auf seine Filme, bis fast niemand mehr dran glaubt, oder alle vom allerschlimmsten Flop ausgehen – und dann kommt James Cameron und zeigt, dass seine bisherige Karriere eben doch alles andere als ein Zufall war. Längst nicht alles an „Avatar 2: The Way Of Water“ ist perfekt, nicht mal ansatzweise. Aber zugleich zeigt uns Cameron eben auch wieder etwas, das wir so bislang noch nicht (mal ansatzweise) gesehen haben. Jetzt bleibt nur zu hoffen, dass er damit nicht wieder einen 3D-Hype im Kino auslöst: Denn während wir beim ersten Teil noch gehofft haben, dass andere womöglich von ihm lernen, sind wir uns inzwischen leider ziemlich sicher, dass das mit dem das Publikum wegpustenden 3D so schnell einfach niemand anderes so hinbekommen wird wie er…

    Fazit: Erst in den kommenden Wochen wird sich zeigen, ob „Avatar 2: The Way Of Water“ dem aktuellen Spitzenreiter „Avatar – Aufbruch nach Pandora“ im Kampf um den Titel als erfolgreichster Film aller Zeiten gefährlich werden kann. Aber was ja – zumindest fürs Publikum – ohnehin viel wichtiger ist: Als Film und als Spektakel ist „Avatar 2: The Way Of Water“ seinem 13 Jahre alten Vorgänger schon jetzt in so ziemlich jeder Hinsicht überlegen!

    PS zur Sternewertung: Ja, wir schreiben, dass „Avatar 2: The Way Of Water“ seinem Vorgänger in vielerlei Hinsicht überlegen ist – und trotzdem haben nun beide Filme bei FILMSTARTS dieselbe Wertung von 4 Sternen. Aber wenn Kritiken von verschiedenen Autor*innen zu verschiedenen Zeitpunkten geschrieben werden, dann sind solche Inkonsistenzen nun mal unvermeidbar (es sei denn, man bewertet Filme höher oder niedriger, als man eigentlich meint, nur damit es mit früheren Wertungen übereinstimmt, was in unseren Augen unehrlich wäre). Wir können deshalb damit leben – und ihr hoffentlich auch…

     

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