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    Gold
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Gold
    Von Andreas Staben

    In seinem Regiedebüt „Syriana“ hat Oscar-Preisträger Stephen Gaghan (für das Drehbuch zu „Traffic“) ein so dichtes erzählerisches Netz aus politischen, wirtschaftlichen, militärischen und geheimdienstlichen Aspekten des Kampfes um Macht und Einfluss (und Öl) im Nahen Osten geflochten, dass es zunächst gar nicht so einfach war, die komplizierten Zusammenhänge nachzuvollziehen. Doch ähnlich wie schon beim episodischen Drogen-Drama „Traffic“ fügen sich die diversen Erzählstränge schließlich zu einem erstaunlich umfassenden und schlüssigen Gesamtbild. Nach diesen geopolitischen Crashkursen im Kinosaal kommt nun auch Gaghans zweiter Film als Regisseur scheinbar mit globalen Ambitionen daher: In „Gold“ geht es immerhin um das große Geschäft mit dem titelgebenden edlen Metall, bei dem der Profit immer vor der Moral kommt. Aber auch wenn fragwürdige Manöver und rücksichtsloser Konkurrenzkampf Kontinente überspannen, steht das große Ganze des Wirtschaftskrimis hier nur an zweiter Stelle - denn „Gold“ erweist sich als wahre One-Man-Show: Ein kaum wiederzuerkennender Matthew McConaughey („Interstellar“, „Magic Mike“) reißt das weniger analytische als vielmehr emotionale Abenteurer-Drama an sich und zeichnet das faszinierende Porträt eines unmäßigen Träumers, noch schillernder als das Gold, an das sich seine Sehnsüchte heften. Dadurch verengt sich die Perspektive des Films allerdings spürbar: Die politisch-ökonomischen Zusammenhänge, aber auch die persönlichen Beziehungen des Protagonisten kommen nicht voll zur Geltung.

    Im Jahr 1981 laufen die Geschäfte recht gut für die Washoe Mining Corporation in Nevada. Doch dann stirbt der Firmenpatriarch und sein Sohn Kenny Wells (Matthew McConaughey) übernimmt die Leitung des Unternehmens. Sieben Jahre später steht die Firma vor dem Ruin und Kenny betäubt seine Sorgen mit Alkohol. Im Vollrausch kommt ihm schließlich eine Erleuchtung: Er träumt von Indonesien, wo er vor Jahren den Geologen Mike Acosta (Edgar Ramirez) kennenlernte, der eine umstrittene Theorie zum Aufspüren von Bodenschätzen aufgestellt hat. Kenny setzt alles auf diese Idee und überredet Acosta, mit ihm in Indonesien auf Goldsuche zu gehen. Nach ersten kleinen Erfolgen liegt Kenny für Wochen mit Malaria flach. In dieser Zeit kommt die Kunde aus dem Dschungel: Mike hat einen Riesenfund gemacht. Die Nachricht macht schnell die Runde, jeder will ein Stück vom Kuchen, die Washoe Corporation geht an die Börse. Doch Kenny hat ganz eigene Vorstellungen davon, wie es weitergehen soll…

    Wie im vielstimmigen Polit-Panorama „Syriana“ gibt es auch in „Gold“ jede Menge prominent besetzte Nebenfiguren (dabei sind unter anderem Corey Stoll, Stacy Keach, Bruce Greenwood, Toby Kebbell und die extrem unterbeschäftigte Bryce Dallas Howard). Aber mit Ausnahme des ebenso herzlichen wie undurchschaubaren Edgar Ramirez („Carlos“) spielen sie alle nur die zweite Geige, den Ton gibt Matthew McConaughey an. Sein Kenny Wells ist bei weitem nicht der cleverste, nicht der attraktivste (der frühere Sexiest Man Alive trägt stolz ein Bäuchlein vor sich her und auch der Kahlschlag auf seinem Kopf ist alles andere als vorteilhaft) und höchstens für einen kurzen Moment der reichste Mann im Goldgräber-Business. Aber er hat die innigste Beziehung zu dem Edelmetall, ähnlich treu ist er nur noch dem tröstenden Schluck aus der Flasche. Einmal schlägt er Millionen Dollar in den Wind und verkündet, es gehe ihm nicht um Geld, sondern um Gold. Der Unterschied ist ihm wichtig und in ihm liegt das ganze Drama dieser von wahren Begebenheiten inspirierten Geschichte.

    Als der Instinktmensch Kenny Wells von seiner Berufsinnung mit der Goldenen Spitzhacke ausgezeichnet wird, zeichnet er ein romantisiertes Bild des Abenteuerlebens und der Freundschaft unter den Glücksrittern, das in herbem Kontrast zu dem malariageplagten Dahinsiechen steht, das er selbst bei einem seiner Trips in den indonesischen Dschungel durchlitten hat. Es ist, als würde der Träumer Wells gegen den Realisten Stephen Gaghan antreten, der die hochtrabenden, oft aber auch am Rande des Lächerlichen balancierenden Auftritte des Protagonisten gezielt konterkariert. Der sinnliche Reiz des glitzernden Goldes und die berauschende Wirkung diverser goldfarbener Flüssigkeiten konkurrieren vielsagend mit der nüchternen Abstraktion von Aktienkursen und bargeldlosem Zahlungsverkehr. Dabei erweist sich Kennys etwas altmodische Abenteurer-Ehre gegenüber der institutionalisierten Gier der Anzugträger in ihren klimatisierten Konferenzräumen als träumerisch naiv.

    Nebenbei liefert uns Gaghan eine grobe Skizze jener kapitalistischen Strukturen, denen auch ein Realitätsverweigerer wie Kenny nicht entkommen kann (obwohl er immerhin einen Tiger in die Knie zwingt). Da mischen im Hintergrund eifrig ein amerikanischer Ex-Präsident und der damalige indonesische Diktator Suharto mit, doch schließlich nimmt das bunte Treiben um die Bodenschätze in Borneo, die nicht nur Fantasien und Börsenkurse beflügeln, sondern auch kriminelle Energien freisetzen, eine Wendung, die all das Getue als ebensolches entlarvt. Im letzten Drittel schlägt das Geschehen noch einige weitere unwahrscheinliche, aber trotzdem glaubwürdige Kapriolen – der Regisseur kredenzt uns das auf unermüdlich sachliche Art, als wollte er das Satirische der Situation um jeden Preis meiden. Der ermittelnde FBI-Agent im Film zuckt irgendwann nur noch mit den Schultern und dem Hauptdarsteller geht langsam die Luft aus – bis zur allerletzten Pointe.

    Fazit: Ein vor allem dank dem wild aufspielenden Matthew McConaughey faszinierendes, aber in mancher Hinsicht auch etwas oberflächliches Drama über einen modernen Goldgräber zwischen Abenteurerromantik und knallhartem kapitalistischem Konkurrenzkampf.

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