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    Pompeii 3D
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Pompeii 3D
    Von Andreas Staben

    Es ist eine bekannte Hollywood-Anekdote, dass der englische Regisseur Paul Anderson seinem Namen im Vorspann um die mittleren Initialen W.S. ergänzte, um nicht mit seinem Kollegen Paul Thomas Anderson verwechselt zu werden. Nun lassen sich kaum zwei unterschiedlichere Filmemacher finden als die beiden und entsprechend weit gehen auch die Meinungen zu ihnen auseinander. Das zeigte sich zuletzt im Herbst 2012, als zeitgleich das Arthouse-Drama „The Master“ (von Paul Thomas) und die Computerspiel-Verfilmung „Resident Evil 5: Retribution“ (von Paul W.S.) in den amerikanischen Kinos anliefen, was ein Kritiker gar zum Anlass nahm, die „Schlacht der Andersons“ auszurufen. Tatsächlich stehen die namensgleichen Regisseure an entgegengesetzten Enden des künstlerischen Spektrums, aber statt sie polemisch gegeneinander auszuspielen, lohnt es sich festzuhalten, dass sie beide ihre, wenn auch sehr unterschiedlichen, Qualitäten besitzen. Während der Schöpfer von „Magnolia“ und „There Will Be Blood“ als ambitionierter Autorenfilmer gefeiert und von vielen als einer der besten Regisseure der Gegenwart angesehen wird, dreht der Macher von „Death Race“ und „Die drei Musketiere“ unprätentiöse Genre-Filme und begeistert seine Fans mit schnörkellosen Action-Szenen und einfallsreichem 3D-Einsatz. Genau das sind auch wieder die Stärken des Historien-Katastrophen-Spektakels „Pompeii 3D“, in dem Paul W.S. Anderson ein visuell beeindruckendes Vulkanausbruchs-Inferno entfacht – erzählerisch allerdings kaum über das Reißbrettstadium hinauskommt.

    Im Jahre 62 schlagen römische Truppen im nördlichen Britannien brutal einen Aufstand keltischer Reiterstämme nieder. Der Junge Milo (Dylan Schombing) muss mitansehen, wie seine Eltern und sein gesamtes Volk auf Befehl von Corvus (Kiefer Sutherland) umgebracht werden und überlebt selbst nur, weil man ihn für tot hält. Als die Soldaten abgezogen sind, wird er von Sklavenhändlern aufgelesen und verschleppt. 17 Jahre später sorgt Milo (jetzt: Kit Harrington) in Londinium als Gladiator unter dem Namen „der Kelte“ für Aufsehen. Die  Römer halten den Kämpfer bald für zu gut, um sein Talent in der Provinz zu verschwenden: Graecus (Joe Pingue) holt ihn nach Pompeii. Dort wird bestimmt, dass der Neuankömmling im Zweikampf gegen den besten Gladiator der Stadt antreten muss. Bevor es jedoch zu diesem Duell mit Atticus (Adewale Akinnuoye-Agbaje) kommen soll, werden die Sklaven zu einem Fest abkommandiert, das der Kaufmann Severus (Jared Harris) zu Ehren von Corvus ausrichtet. Hier sieht Milo nicht nur den Mann wieder, der einst seine Familie niedermetzeln ließ, sondern auch jene liebreizende junge Frau, der er auf dem Weg nach Pompeii bei einer Kutschenpanne hilfreich zur Seite stand: Severus‘ Tochter Cassia (Emily Browning). Doch auch sie scheint den gehassten Römer bereits zu kennen und während der Vulkan Vesuv im Hintergrund ungewöhnlich stark rumort, brauen sich allerlei Konflikte zusammen…

    „Pompeii 3D“ bietet einige nette historische Details und Anspielungen (nicht zuletzt im schönen Schlussbild, das eine teilweise hanebüchene Erzählung zu einem versöhnlichen Ende bringt), aber Handlungszeit und –ort sind hier wie bei so vielen Monumentalfilmen in erster Linie willkommene Kulisse für die Präsentation von Schauwerten und Spektakel. Der Plot ist weniger komplex als eine durchschnittliche Folge von TV-Serien wie „Spartacus: Gods Of The Arena“ oder „Rome“ und die Figuren haben nicht die geringste Tiefe. Da verkörpert Kiefer Sutherland („24“) als verkommener Senator ohne jeden Widerhaken den Inbegriff der römischen Dekadenz, während „Game Of Thrones“-Star Kit Harrington in der Hauptrolle zwar immer ins rechte Licht gerückt wird, aber nur in den Action-Szenen Charakter und sonst nur seine immerhin beeindruckenden Muskeln zeigen darf. Emily Browning („Sucker Punch“) wiederum lässt manchmal ihre nackten Beine hervorblitzen und müht sich mehr schlecht als recht durch einige der unglücklichsten Dialogzeilen (etwa über Muskeln und Güte), aber dennoch ist ihre Kaufmannstochter eine für dieses Genre überdurchschnittlich selbstbewusste Frauenfigur (wenn auch weit entfernt von Milla Jovovichs Kick-Ass-Amazone aus den „Resident Evil“-Filmen) und sorgt mit einer kleinen Handbewegung für einen der Höhepunkte des Films.

    So wie Cassias Fingerzeig beredter ist als drei Seiten Dialog, so stecken auch in den Kampfszenen und in der Asche-Apokalypse des Schlusses mehr Substanz als in den kaum mehr als skizzierten moralischen und politischen Konflikten. Von der Stadt Pompeii, von den Machtverhältnissen dort und vom Status seiner Bürger im Vergleich zu Rom erfährt man so gut wie nichts. Bei Anderson steckt die Erzählung in den Bildern und in der Action - und so ist sie wieder einmal eher emblematisch als detailgenau. Im besten Fall gehen Form und Inhalt dabei Hand in Hand, etwa wenn Milo und Atticus (auch „Lost“-Star Adewale Akinnuoye-Agbaje stehen die wortlosen Szenen besser zu Gesicht, dort strahlt er Würde und Stolz aus) bei einem großen Gladiatorenkampf einer Übermacht von römischen Legionären gegenüberstehen. In dieser ausgedehnten, sehr spannenden und virtuos inszenierten Sequenz wird die Dialektik von Unterdrückung und Rebellion in eine existenzielle, geradezu mythologische Auseinandersetzung überführt: Von der Tribüne kommentiert wie in einer griechischen Tragödie ein Maskenchor das Geschehen und an ihrem Ende steht eine ebenso pathetische wie aufregende Geste des Widerstands. Hier bekommt auch die Metzelei des Prologs mit ihren beklemmenden Einstellungen von regelrechten Leichenbergen und von einem Baum, an dessen dürren Ästen die aufgeknüpften Opfer hängen, ein Echo.   

    Die Freiheits-Thematik spielt auch bei der unmöglichen Romanze zwischen dem Sklaven und der Händlerstochter eine Rolle, aber Anderson schafft es auch mit Harringtons wiederholtem Einsatz als „Pferdeflüsterer“ nicht, die herbeikonstruierte Liebelei mit Emotionen zu versehen - bis er ein ebenso unerwartetes wie überzeugendes Ende aus dem Hut zaubert. Auf dem Weg dahin wird einem das Mitfiebern durch den rein schematischen Gang der Dinge nicht unbedingt leicht gemacht und darunter leidet auch die Wirkung der ausgedehnten finalen Vulkanausbruchs-Szenen. Dennoch ist Anderson hier spürbar in seinem Element, er zeigt sein ganzes Können und dabei gelingen ihm einige denkwürdige Momente: das wellengepeitschte Meer mit den Schiffen, die dem Inferno nicht mehr entkommen können; die Totale auf die in Panik davonrennende Menschenmasse, während Milo als einziger gegen den Strom in die entgegengesetzte Richtung läuft; die Aschewolke, aus der der verlorengeglaubte Milo wie ein Phoenix hervorspringt; das Schiff, das mitsamt riesiger Wassermassen auf die Straße und in die Stadt hinein gespült wird. Der 3D-Einsatz ist dabei weniger offensichtlich als bei den beiden bisher letzten „Resident Evil“-Filmen (außer bei einigen fliegenden Waffen), aber er gibt gerade dem Untergangsszenario durch den allgegenwärtigen Ascheregen eine unglaublich plastische Wirkung.

    Fazit: „Pompeii 3D“ ist ein visuell über weite Strecken beeindruckendes Spektakel mit einigen echten (Action-)Höhepunkten und überaus dürftiger Handlung.

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