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    Hyde Park am Hudson
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    Hyde Park am Hudson
    Von Tim Slagman

    Diese Engländer! Der Zustand der Monarchie in den 30er- und 40er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts brachte in der jüngeren Vergangenheit unterschiedliche Filmemacher auf die unterschiedlichsten Ideen. In Tom Hoopers oscargekröntem „The King's Speech - Die Rede des Königs" ging es - wenigstens vordergründig - um George VI. und sein Stotterproblem. Madonnas reichlich prätentiöser „W.E." beschäftigte sich mit Georgs Bruder Edward VIII. und mehr noch mit Wallis Simpson, der geschiedenen Amerikanerin, für die Edward auf den Thron verzichtete. Roger Michell („Notting Hill") greift für seinen neuen Film „Hyde Park am Hudson" die gleichen Figuren der englischen Historie auf, tut sich aber deutlich schwerer damit, einen klaren Fokus zu finden. Er erzählt ein bisschen von einem Treffen Georgs mit dem amerikanischen Präsidenten Roosevelt auf dem Landwohnsitz von Roosevelts Mutter, ein bisschen vom Charakter des US-Präsidenten und ein bisschen von seinem Umfeld und auch ein bisschen davon, wie lustig es sein kann, wenn steife Aristokraten auf kumpelhafte Hot-Dog-Fresser treffen. Einen runden Film ergibt all das allerdings nicht.

    1939: Während Amerika noch die Nachwehen der großen Depression verspürt, zieht es Franklin D. Roosevelt (Bill Murray) immer wieder in das Anwesen „Hyde Park am Hudson", wohin er auch seine entfernte Cousine Margaret, genannt Daisy (Laura Linney), einlädt. Die beiden entwickeln eine enge Freundschaft, die ab und an die Grenze der Intimität überschreitet – während Roosevelts Ehefrau Eleanor (Olivia Williams) es bevorzugt, im eigenen Haus gemeinsam mit anderen Damen zu wohnen. Bald kündigt sich ein geschichtsträchtiger Staatsbesuch an: Zum ersten Mal überhaupt betritt ein britischer König die USA, George VI. (Samuel West) und Königin Elizabeth (Olivia Colman) haben sich angekündigt. Roosevelt wird zum väterlichen Freund des unsicheren Regenten, und Daisy macht in der Zwischenzeit eine erschütternde Entdeckung.

    Nach dem Tod von Margaret Suckley, die 100 Jahre alt wurde, fand man 1991 eine Kiste mit Briefen und Tagebüchern unter ihrem Bett. Der Dramatiker Richard Nelson nutzte diese dankbar als Quelle für sein Drehbuch, dem anzumerken ist, dass die Begeisterung über einen solch einmaligen Fund das Auge für eine schlüssige Struktur und eine stilsicher gesetzte Atmosphäre deutlich trübte. In bemerkenswert enge Räume schließt Regisseur Roger Michell seine Figuren ein, wenig Licht – schon gar kein künstlich gesetztes – fällt durch die langen Vorhänge von Roosevelts Arbeitszimmer. Damit entwickelt sich die Beziehung zu Daisy in einer Schwere, die den ohnehin schon langsamen Erzählfluss des Films noch weiter niederdrückt. Es gibt Sequenzen in „Hyde Park am Hudson", die einfach sterbenslangweilig sind.

    Dann aber, als die Briten kommen, soll es plötzlich eine heitere, unbeschwerte Stimmung sein, die dieses Umfeld charakterisiert und in dem die snobistischen Monarchen ab und an Gefahr laufen, zu bloßen Karikaturen zu verkommen. Auch wenn sich Autor Nelson alle Mühe gegeben hat, den stotternden König als kluge, sensible Seele ernst zu nehmen: Mit Szenen, in denen George und Elizabeth steif und achtungsvoll einem vorbeiziehenden Farmer auf dem Mähdrescher zuwinken, der sie keines Blickes würdigt, werden diese Figuren eindeutig degradiert. Zumal der Humor in solchen Momenten seltsam forciert erscheint, der gesamte Ton des Films plötzlich kippt und die Schilderung der eigentlichen Erzählerin Daisy ins Abseits rückt.

    So bleibt Bill Murray („Lost in Translation") das Pfund mit dem „Hyde Park am Hudson" am heftigsten wuchert! Der herausragende Darsteller gibt seinen Roosevelt mit großer Ruhe und Gelassenheit. Wegen einer frühen Polio-Erkrankung saß der Präsident im Rollstuhl, was seinem Volk unter großen Mühen verschwiegen wurde – und wenn ein Bediensteter Murray wie ein Kind durch die Szenen trägt, dann gelingt es tatsächlich, dies witzig und würdevoll zugleich darzustellen. Die stoische Ironie, die leicht genervt hoch gezogenen Augenbrauen, mit denen Murray etwa durch die Filme von Jim Jarmusch („Broken Flowers") und Wes Anderson („Moonrise Kingdom", „Die Tiefseetaucher"), geht, weicht hier einem charakteristischen, zähnefletschenden, stummen Lachen, mit dem Murray seine Figur subtil unterspielt und eine gewisse Falschheit andeutet. Über die tatsächlichen Fehltritte Roosevelts, die sich im Laufe der Handlung zeigen, gehen die Filmemacher dagegen schweigend hinweg: So war er halt, der FDR. Ein interessantes oder auch nur interessiertes, geschweige denn kritisches, Verhältnis zu ihrer Hauptfigur entwickeln sie dabei so wenig wie zu ihren Themen, die disparat nebeneinander in den Plot gestopft sind.

    Fazit: „Hyde Park am Hudson" stellt Liebesgeschichte und Politik, das Persönliche und das Weltbewegende, lustlos nebeneinander statt es ineinander zu verweben. Trotz eines herausragenden Hauptdarstellers ist das Ergebnis weder unterhaltsam noch inspirierend.

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