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    Es ist kompliziert..!
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Es ist kompliziert..!
    Von Thomas Vorwerk

    Seit „Vier Hochzeiten und ein Todesfall“ von 1994 hat die britische Produktionsfirma Working Title immer wieder romantische Komödien mit dezidiert englischem Humor zu echten Exportschlagern gemacht – von „Notting Hill“ über die „Bridget Jones“-Filme bis zu „Tatsächlich… Liebe“. Die Working Title-Mannschaft um Tim Bevan und Eric Fellner hatte auch ihren Anteil daran, dass Simon Pegg, der mittlerweile zum festen Ensemble der Franchises „Mission: Impossible“ und „Star Trek“ zählt, mit „Shaun Of The Dead“ zum Star aufstieg. Nun tritt der Schauspieler mal wieder in einer kleinen Komödie auf, wie er es gelegentlich gerne tut, allerdings ist „Es ist kompliziert..!“ überraschenderweise keine Working Title-Produktion. Doch Regisseur Ben Palmer, der vor allem durch die Fernsehserie „The Inbetweeners“ und das daraus entstandene Filmsequel „Sex On The Beach“ bekannt ist, folgt so gekonnt dem Erfolgsrezept (und fügt einige eigene Zutaten hinzu), dass diese RomCom mit Psychoballast durchaus in einer ähnlichen Güteklasse anzusiedeln ist wie „Notting Hill“ und Co. Und zu ihrem besonderen Charme gehört, dass Simon Pegg sich von der vergleichsweise unbekannten Lake Bell („Wenn Liebe so einfach wäre“) charmant an die Wand spielen lässt.

    Die 34-jährige Nancy (Lake Bell) hat gerade ein misslungenes, von ihrer Schwester arrangiertes Blind Date hinter sich, als sie auf der Zugfahrt zu einer Familienfeier das Optimismusgeschwätz der zehn Jahre jüngeren Jessica (Ophelia Lovibond) ertragen muss, die ihr als finale (ungewollte) Beleidigung auch noch einen Selbsthilfe-Bestseller zurücklässt - mit einer Notiz darin: „Deine negativen Gedanken ruinieren Dein Leben (und das anderer Leute)“. Die erboste Nancy will das Buch eigentlich nur ihrer neunmalklugen „Wohltäterin“ zurückgeben, wird mit diesem Erkennungsmerkmal unter dem Arm allerdings vom 40-jährigen Jack (Simon Pegg)  für Jessica gehalten - und klärt das Missverständnis wegen eines schicksalshaft klingenden Zitats aus ihrem Lieblingsfilm „Das Schweigen der Lämmer“ vorerst nicht auf. Das Fundament dieser Bekanntschaft ist also eine Lüge, aber ohne den sonst üblichen Druck finden Jack und Nancy schnell einige Gemeinsamkeiten, ehe sich ein romantischer Abend immer mehr in eine abstruse (aber sehr unterhaltsame) Katastrophe entwickelt.

    Romantische Komödien sind ja meist durch eine recht stark ausgeprägte Realitätsferne gekennzeichnet. Dass die Figuren hier keine 29-jährigen Kreativlinge oder Großverdiener sind, sondern „normale“ Menschen mit kleinen Problemen, macht „Es ist kompliziert..!“ da gleich sympathisch. Jack hat sich zum Beispiel auf das Blind Date mit einer 24-jährigen Athletin nur eingelassen, um seiner Exfrau (Olivia Williams) eins auszuwischen. Und Nancy schließt sich lieber mit einer guten DVD ein, als immer wieder den Frust fehlgeschlagener Verabredungen zu erleben. Solchen lebensnahen Protagonisten gönnt man gern etwas Glück und Zuneigung, und so kommen hier auch der wie üblich aus nostalgischen Hits zusammengestellte Soundtrack (schön: eine spontane Tanzeinlage zu Duran Durans „The Reflex“!) und die unvermeidlichen Zeitlupen-Montagesequenzen besser zur Geltung als bei der oft überzuckerten Genrekonkurrenz. Und in „Es ist kompliziert..!“ ist die große Liebe auch nicht auf einen herbstlichen Bilderbuchpark bei Sonnenuntergang angewiesen, vielmehr finden zentrale Szenen in Toiletten oder auf der Bowlingbahn statt.

    Auf Romantikkitsch wird also weitgehend verzichtet, dafür legen Regisseur Palmer und Drehbuchautorin Tess Morris mehr Wert auf die komödiantische Seite des Genres: Ein sehr aufdringlicher ehemaliger Schulfreund (Rory Kinnear), der Nancy erpressen will, eine peinliche Verlobungsfeier im Hawaii-Look und pointiert-illusionslose Grundsatzdiskussionen über Beziehungsfragen geben dem Film Schwung und Witz. Vor allem in diesen lebhaften Streitgesprächen sind Simon Pegg und Lake Bell voll in ihrem Element: Da kann die gemeinsame Vorliebe für Spaghetti Bolognese eben nicht mehr als Beleg für eine schicksalhafte Zusammengehörigkeit dienen – oder doch? Und dass ausgerechnet ein Regiekniff aus „Das Schweigen der Lämmer“ als Inspiration für den sehr gelungenen - und ziemlich emotionalen - Showdown dient, zeugt von einer Originalität, die in diesem Genre allzu selten ist.

    Fazit: Statt Märchenhochzeit lieber Do-it-yourself-Psychotherapie mit britischem Humor: „Es ist kompliziert..!“ ist eine der besten Komödien des Jahres – ganz einfach.

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