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    Das Jerico Projekt - Im Kopf des Killers
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    1,5
    enttäuschend
    Das Jerico Projekt - Im Kopf des Killers
    Von Andreas Staben

    Während in Tarsem Singhs „Self/Less – Der Fremde in mir“ noch Ryan Reynolds das Bewusstsein von Ben Kingsley eingepflanzt wurde, sind es im Action-Thriller „Das Jerico Projekt – Im Kopf des Killers“ nun die Erinnerungen und Emotionen des „Deadpool“-Stars, die in das Hirn von Kevin Costner („Der mit dem Wolf tanzt“) übertragen werden. In beiden Varianten dient die Sci-Fi-Fantasie (mit der Betonung auf Fiction) dazu, dem Tod ein Schnippchen zu schlagen, doch wo Singh zumindest noch zaghaft metaphysische Gedanken streift, geht es bei der britisch-amerikanischen Co-Produktion seines Kollegen Ariel Vromen („The Iceman“, „Visions – Die dunkle Gabe“) fast nur um den Informationstransfer. Der israelische Regisseur jagt seine prominente Besetzung von Gary Oldman über Tommy Lee Jones bis zu „Wonder Woman“ Gal Gadot durch eine notdürftig zusammengeschusterte Gaga-Handlung und bleibt dabei - auch was Spannung und Thrill angeht - deutlich hinter erkennbaren Vorbildern wie den „Bourne“-Filmen zurück.  

    London. Der CIA-Agent Bill Pope (Ryan Reynolds) wird von dem spanischen Terroristen Xavier Heimdahl (Jordi Mollà) und dessen Komplizin Elsa Mueller (Antje Traue) durch die Stadt gehetzt, gefangen, gequält und getötet. Aber die Informationen, hinter denen die Verbrecher genauso her sind wie Popes Kollegen Quaker Wells (Gary Oldman) und Marta Lynch (Alice Eve), hat der Ermordete trotz Folter für sich behalten. Nun konzentriert sich die Suche auf eine versteckte Tasche voller Geld und den Hacker The Dutchman (Michael Pitt), wobei Wells eine ganz besondere Methode in petto hat, um an Popes Wissen heranzukommen: Mit Hilfe des Neurowissenschaftlers Dr. Franks (Tommy Lee Jones) verpflanzt er das Gedächtnis des toten Agenten in den Kopf des psychisch gestörten Todeszelleninsassen Jerico Stewart (Kevin Costner). Als der Schwerverbrecher – mit dem Wissen und den Fähigkeiten des getöteten CIA-Agenten - aus der Obhut des Geheimdienstes entkommt, beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit …

    Wer glaubt, dass es hier angesichts der Humbug-Prämisse nach dem Motto „Wir übertragen die Erinnerungen eines toten Säugetiers in ein lebendes Säugetier“ (so wird es im Film tatsächlich beschrieben) mit einem Augenzwinkern à la „Face/Off – Im Körper des Feindes“ zur Sache geht, der täuscht sich. Andererseits kann von einer ernsthaften Auslotung moralischer oder politischer Fragen schon gar nicht die Rede sein. So murmelt Oscar-Preisträger Tommy Lee Jones („Auf der Flucht“, „Lincoln“) als verantwortlicher Wissenschaftler seine hanebüchenen Dialogzeilen teils fast unverständlich in sich hinein und wandelt sichtlich unterfordert mit besorgt-müdem Gesichtsausdruck durch den Film. Gary Oldman („Leon – Der Profi“, „The Dark Knight“) wiederum, der als Oberagent eine ähnliche 08/15-Rolle bekleidet, steckt viel Energie in das Befehle-Brüllen und das generelle Ausflippen, denn irgendwie muss der Zuschauer ja merken, dass es hier ums Ganze geht.    

    Offensichtlich sollte der Terror in „Das Jerico Projekt“ nicht allzu realistisch erscheinen. So gibt es keine Spur von den üblichen arabischen oder russischen Verdächtigen, sondern einen spanischen Anarchisten (!) als Erzschurken - und auf Charisma hat man auch gleich verzichtet: Jordi Mollàs („Bad Boys II“) Xavier Heimdahl sitzt wie ein Buddha vor seinem Laptop und steuert Raketen fern als würde er eine Online-Bestellung aufgeben. Seine in einer Talkshow verbreitete Agenda ist ebenso radikal wie unbestimmt („Regierungen müssen weg“), ihr werden weder Ideale noch Wahnsinn hinzugefügt. Nur bei seiner von Antje Traue („Man Of Steel“) gespielten rechten Hand und Geliebten blitzt so etwas wie echte Boshaftigkeit auf, doch Regisseur Ariel Vromen zeigt kein Interesse an Nuancen und verlegt sich lieber auf unverständlich brutale Gewaltausbrüche. Und damit verheizt er seine edle Besetzung förmlich – das gilt auch für Michael Pitt („Die Träumer“) als flüchtiger Hacker sowie für die Agenten Alice Eve („Zu scharf, um wahr zu sein“) und Scott Adkins („Der Spion und sein Bruder“).

    Nach dem dynamischen Kurzauftritt von Ryan Reynolds zu Beginn liegt es einzig an Kevin Costner (mit ein wenig Unterstützung von Gal Gadot als Bill Popes Witwe Jill), dass der Film nicht vollkommen in der Genre-Belanglosigkeit versinkt. Obwohl die Erklärung dafür, warum ausgerechnet einem vollkommen empathielosen und gemeingefährlichen Verbrecher die Erinnerungen Popes eingepflanzt werden, besonders absurd ausfällt, holt der Star aus der folgenden „Dr. Jekyll und Mr. Hyde“-Situation mit dem inneren Widerstreit zwischen Aspekten beider Persönlichkeiten eine ganze Menge heraus. Im Gegensatz zu Heimdahl wirkt Jerico wirklich bedrohlich, wenn er etwa einen Dönerladen heimsucht (er besitzt keinerlei Verständnis für soziale Regeln, stattdessen nimmt er sich einfach, was er will). Costners böse Auftritte wirken in der wenig sensiblen Inszenierung von Vromen manchmal ein bisschen zu „cool“, sie ergeben aber dennoch einen wirkungsvollen Kontrast zu den späteren Szenen, in denen Jerico durch Bills Erinnerungen langsam den Menschen in sich entdeckt. Wenn er sich schließlich zu Popes Frau und Kind hingezogen fühlt, kommt es zu den stärksten Szenen des Films und zu den wenigen Spuren echter Emotionen.

    Fazit: In diesem Action-Thriller mit unsinniger Handlung und verschenkter Promi-Besetzung sorgt einzig Kevin Costner für die wenigen Lichtblicke.

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