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    Verborgene Schönheit
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    Verborgene Schönheit
    Von Thomas Vorwerk

    David Frankel darf sich Oscargewinner nennen (er erhielt die Auszeichnung 1997 für einen Kurzfilm) und hat sich als Regisseur von Erfolgen wie „Der Teufel trägt Prada“ und „Marley & ich“ in Hollywood etabliert. Trotzdem dürfte er dem größten Teil des Publikums namentlich nicht bekannt sein, was auch daran liegt, dass er sich stets ganz in den Dienst der jeweiligen Geschichte stellt und dabei keinen ausgeprägten persönlichen Stil erkennen lässt. So ist es auch beim bittersüß-sentimentalen Drama „Verborgene Schönheit“, das thematisch an Charles Dickens' „Weihnachtsgeschichte“ und den James-Stewart-Klassiker „Ist das Leben nicht schön?“ erinnert, ohne diese Vorbilder auch nur ansatzweise zu erreichen. Bei dieser stargespickten überkonstruierten Kuriosität wird man sich im Nachhinein eher an die mal gewagten, mal absurden, öfter misslungenen als geglückten Kapriolen des Drehbuchs erinnern als an die funktionale Inszenierung.

    Prolog: Howard (Will Smith), Gründer und Chef einer aufstrebenden New Yorker Werbeagentur, hält eine Rede: „Zeit, Liebe und Tod. Diese drei Dinge verbinden jeden einzelnen Menschen auf der Erde. Wir sehnen uns nach Liebe. Wir wünschen uns mehr Zeit. Und wir fürchten uns vorm Tod.“ - Drei Jahre später: Die Agentur rutscht in die roten Zahlen, doch Howard will nicht verkaufen. Er ist viel zu sehr damit beschäftigt, den Tod seiner kleinen Tochter zu verarbeiten – er baut wochenlang Dominogebilde in seinem Büro auf oder beschwert sich in Briefen bei der Zeit, der Liebe und dem Tod. Seine Mitarbeiter und Freunde Whit (Edward Norton), Claire (Kate Winslet) und Simon (Michael Peña) wollen Howard helfen und zugleich von der Firma retten, was zu retten ist. Dazu engagieren sie drei unterbeschäftigte Schauspieler (gespielt von Helen Mirren, Keira Knightley, James Latimore), die als personifizierte Tod, Liebe und Zeit auftreten sollen, um den Trauernden sanft zu therapieren - oder ihm, wenn das nicht funktioniert, die Firmenführung aufgrund seines angeschlagenen Geisteszustands zu entziehen.

    Das Drehbuch zu „Verborgene Schönheit“ soll für Allan Loeb eine solche persönliche Herzensangelegenheit gewesen sein, dass sich der ansonsten schwer beschäftigte Hollywood-Autor („13“, „Den Sternen so nah“) dafür extra ein halbes Jahr Auszeit genommen hat. Seine Mühen sind vor allem in der komplexen Konstruktion der Geschichte zu erkennen, die aber auch deutliche Nachteile mit sich bringt, weil nun alles etwas zu hübsch zusammenpasst und eben sehr deutlich als konstruiert erkennbar bleibt. Das steht letztlich auch der angestrebten emotionalen Wirkung im Wege, sodass die in der Vorweihnachtszeit angesiedelte lebensbejahende Traumabewältigung immer wieder ins Sentimentale und Übertriebene kippt.

    Wenn Howards Kollegen etwa jeweils so mit der „Zeit“, der „Liebe“ und dem „Tod“ gepaart werden, dass sie vermeintlich tiefschürfende (aber je nur aus kurzen Szenen bestehende) persönliche Gespräche führen können, die mit der eigentlichen Story des traumatisierten Chefs kaum etwas zu tun haben, dann wirkt das arg kalkuliert: Whit ist fasziniert von der Liebesdarstellerin (Keira Knightley) und bekommt die Chance, die Liebe seiner Tochter zurückgewinnen. Claire kommt darüber ins Grübeln, wie viel „Zeit“ ihr noch bleibt, ihren Baby-Wunsch umzusetzen. Und Simon ist insgeheim todkrank. Diese Rollen sind zudem allesamt so klein, dass man ihnen die Herkunft vom Reißbrett noch anmerkt. Hier braucht man eine talentierte Besetzung, um überhaupt etwas aus dem Stoff herausholen zu können: Für „Verborgene Schönheit“ wurden nicht nur gute, sondern auch prominente Schauspieler engagiert.

    Die leichte Wiedererkennbarkeit der Stars alleine hilft hier schon, nicht den Überblick in der komplizierten Handlung zu verlieren. Außerdem können einen Darsteller vom Kaliber eines Edward Norton („Fight Club“, „Birdman“) oder einer Kate Winslet (Oscar für „Die Vorleserin“) auch schon in winzigen Szenen in den Bann ziehen. Und wenn Helen Mirren (Oscar für „Die Queen“) ganz in ihrem Schauspieljob als „Tod“ aufgeht, in einem T-Shirt der Rock-Band „Grateful Dead“ auftritt und ganz majestätisch anbietet, die anderen beiden zu vergebenden Rollen auch noch zu übernehmen, dann wird das vor allem durch die Vertrautheit mit dem Star zum Vergnügen, die andererseits allerdings auch wiederum zu der gefühlten Künstlichkeit des Films, zum Eindruck des zu sehr Gewollten und Glatten beiträgt.

    Hier mag jede Kamerafahrt und jede Unschärfe wohlüberlegt sein, aber das so aufwendig beschworene Gefühl für das Wunderbare der Geschichte (oder des Lebens gar) mag sich nicht einstellen. Dabei sind viele versteckte Details für sich genommen durchaus faszinierend und das Puzzle zusammenzufügen ist nicht ohne Reiz. Nichts bleibt dem Zufall überlassen: So teilt sich direkt vor Howards Wohnung die Straße so, dass man sich an dieser Stelle zwischen zwei Fahrbahnen entscheiden muss, die nach links oder rechts führen. Vor dem Bürogebäude, in dem sich seine Firma befindet, ist indes eine Einbahnstraße, die er mehrfach in die falsche Richtung befährt. Das Thema Schicksal (quasi die Summe von Liebe, Tod und Zeit) ist allgegenwärtig: Wenn die Dominosteine erst mal beginnen zu fallen, kann man sie nur schwer aufhalten.

    Das alles ist von Anfang an sehr aufdringlich angelegt und wer auch nur ein wenig Vergnügen an dem Film haben will, muss dazu einige Prämissen einfach schlucken - immerhin geht es hier indirekt unter anderem darum, die verborgene Schönheit eines plötzlichen Kindstods (!) zu entdecken. Dazu bekommt das Ganze in seiner ausgestellten Unausweichlichkeit bei einigen Wendungen eine fast schon angeberische Note. Letztlich erweist sich diese Perfektion im Design als die größte Schwäche des Films, denn sie nimmt der Geschichte (zum Beispiel der scheuen Romanze Howards mit einer von der neuen Miss Moneypenny Naomie Harris gespielten Traumatherapeutin) und damit auch den Gefühlen den Raum, sich zu entwickeln.

    Fazit: Zwischen der erdrückenden Realität eines Kindstods und einem „wunderhaften“ Therapieversuch bleibt hier nur die überkonstruierte Reißbrett-Fassung eines Weihnachtsmärchens.

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