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    Just Mercy
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Just Mercy

    Starke Schauspieler in einem Justizdrama von der Stange

    Von Asokan Nirmalarajah

    Oscar Grant, Adonis Johnson und Erik Killmonger – Michael B. Jordan scheint sich in seiner bisherigen Spielfilmkarriere ein Stück weit auf junge, wütende Einzelgänger mit einem Hang zu Gewaltausbrüchen spezialisiert zu haben. Seine intensiven Auftritte in „Nächster Halt: Fruitvale Station“, „Creed“ und „Black Panther“ wurden jedenfalls vollkommen zu Recht hochgelobt. Nun aber wechselt der als Jugendlicher mit TV-Kultserien wie „The Wire“ oder „Friday Night Lights“ bekanntgewordene Mime mit seinem ersten selbstproduzierten Kinofilm „Just Mercy“, einem namhaft besetzten Justizdrama des kommenden MCU-Regisseurs Destin Daniel Cretton („Shang-Chi“), offenbar endgültig ins Erwachsenenfach.

    Doch letztlich sind sowohl der Film als auch seine Rolle als idealistischer Anwalt zu konventionell und bieder angelegt, um Jordan einen weiteren elektrisierenden Leinwandauftritt zu ermöglichen. Am Ende zieht das auf wahren Begebenheiten beruhende Drama seine Spannung dann auch weniger aus der Justizarbeit des Anwalts oder aus der – leider recht klischeehaft-oberflächlichen – Darstellung des institutionellen Rassismus im Süden der USA. Stattdessen zeichnet für die Höhepunkt des grundsoliden Schauspielerfilms letztendlich fast ausschließlich Oscargewinner Jamie Foxx („Ray“) mit seiner melancholisch-traurigen Performance als unschuldiger Häftling im Todestrakt verantwortlich.

    Michael B. Jordan ist zwar der Hauptdarsteller und Produzent ...

    Bryan Stevenson (Michael B. Jordan) hat 1989 gerade sein Jurastudium in Harvard abgeschlossen. Aber statt nun das große Geld zu machen, zieht es den jungen Anwalt in den Süden der USA. In Alabama will er sich für Arme einsetzen, die sich sonst keinen Rechtsbeistand leisten können. Gemeinsam mit seiner Kollegin Eva Ansley (Brie Larson) interessiert er sich vor allem für die zum Tode verurteilten Häftlinge, die als hoffnungslose Fälle nur noch auf ihr Vollstreckungsdatum warten.

    Einer der Männer, die er dabei trifft, ist Walter McMillian (Jamie Foxx), ein Afroamerikaner, der 1986 für den Mord an einer weißen Frau verurteilt wurde. Stevenson vermutet hinter der Verurteilung rassistische Motive des örtlichen Sheriffs (Michael Harding), der schon hinter Walter her war, seitdem dieser eine Affäre mit einer anderen weißen Frau hatte. Der Sheriff hat auch die Aussage „besorgt“, die Walter überhaupt erst mit dem Mord in Verbindung gebracht hat. Der einzige Belastungszeuge ist nämlich der Häftling Ralph Myers (Tim Blake Nelson), der für seine Aussage eine Straferleichterung erhielt. Doch Bryans Anträge auf eine Neuaufnahme des Verfahrens werden vom Staatsanwalt abgewiegelt…

    Eine wahre Geschichte

    „Just Mercy“ basiert auf der außergewöhnlichen, aber wahren Geschichte des afroamerikanischen Anwalts und Anti-Todesstrafe-Aktivisten Bryan Stevenson. Trotzdem erzählt der Film keine Geschichte, die dem Kino gänzlich neu wäre. Dessen sind sich offenbar auch die Co-Autoren Destin Daniel Cretton und Andrew Lanham selbst bewusst, weshalb sie im ersten Drittel gleich mehrere Erwähnungen von „Wer die Nachtigall stört“ einstreuen. Der mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnete Roman von Harper Lee sowie der gleichnamige Filmklassiker von Robert Mulligan aus den frühen 1960er Jahren gelten nicht von ungefähr als Meilensteine in der Darstellung des intentionellen Rassismus im Süden der USA.

    In dem Klassiker findet der Konflikt seinen dramatischen Höhepunkt in einem Gerichtsfall, bei dem ein weißer Anwalt einen schwarzen Angeklagten verteidigt. In „Just Mercy“ wird dem Afroamerikaner Stevenson deshalb von Weißen immer wieder der Besuch eines „Wer die Nachtigall stört“-Museums empfohlen. Ähnlich wie das berühmte Vorbild stellt aber auch „Just Mercy“ keinen kniffligen oder wendungsreichen Rechtsfall in den Mittelpunkt, sondern erzählt – durchaus belehrend – vom institutionellem Rassismus und der juristischen Benachteiligung von Schwarzen in den USA.

    ... aber Jamie Foxx stiehlt ihm in seiner Nebenrolle trotzdem die Show!

    Die Frage nach der Schuld von Walter McMillian und seiner Todestrakt-Nachbarn, stark verkörpert von O'Shea Jackson Jr. aus „Straight Outta Compton“ und Rob Morgan aus „Mudbound“, stellt der Film gar nicht erst. In jedem der Fälle spielen rassistische Vorurteile eine Rolle. In den Gerichtsszenen muss Bryan Stevenson auch keine juristischen Kunststücke vollbringen, sondern die Richter einfach nur dazu bringen, sich der ungerechten Behandlung seiner Mandanten bewusst zu werden. So wird jeder Dialog schnell zu einem passioniert vorgetragenen Monolog über soziale Ungerechtigkeit zwischen den Rassen.

    Als eindimensionaler Bösewicht muss dabei ein nicht näher vorgestellter Sheriff herhalten, während auf der anderen Seite eine eher blasse Brie Larson (im dritten Film für ihren „Short Term 12“-Regisseur Destin Daniel Cretton) die selbstlose Bürgerrechtlerin gibt. Trotz einer gewissen Tendenz zur Leinwandpredigt und klischeehaften Figuren finden sich in „Just Mercy“ viele starke Performances, die dann auch ohne große Worte, sondern vor allem mit kleinen Gesten auskommen – darunter von Rafe Spall als rücksichtsloser, aber zwiegespaltener Staatsanwalt, Hayes Mercure als rassistischer, aber doch menschlicher Gefängniswärter und schließlich eben Jamie Foxx als verbitterter Verurteilter. Foxx ist auch der Schauspieler, der mit seiner zurückhaltenden Darbietung dem Film die nötige Emotionalität verleiht. Selbst Michael B. Jordan als eigentlicher Protagonist ist da in den gemeinsamen Szenen oft nur noch Stichwortgeber.

    Fazit: Trotz der konventionellen Inszenierung von Destin Daniel Cretton und der teilweise schablonenhaften Figurengestaltung punktet das Rassismus-Justizdrama „Just Mercy“ am Ende vor allem mit einem grandiosen Jamie Foxx in Höchstform.

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