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    High Society - Gegensätze ziehen sich an
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    1,0
    schlecht
    High Society - Gegensätze ziehen sich an
    Von Christoph Petersen

    Noch bevor Paris Hilton und Chiara Ohoven Töchtern reicher Eltern einen schlechten Ruf verpasst haben, gab es Mitte der Neunziger zumindest im Kino eine so richtig schön verzogene Millionärs-Göre, die wir trotz ihrer weltfremden Spleens und Shopping-Sucht sofort ins Herz geschlossen haben: Nicht umsonst ist Alicia Silverstone mit ihrer Rolle als Highschool-It-Girl Cher in Amy Heckerlings „Clueless – Was sonst?“ über Nacht zur Jugend-Ikone aufgestiegen. Auf ähnlichen Pfaden wandelt nun auch Emilia Schüle als nach der Geburt vertauschte Society-Tochter Anabel von Schlacht, nur das mit dem „ins Herz schließen“ bleibt in Anika Deckers Komödie „High Society – Gegensätze ziehen sich an“ leider aus. Das liegt allerdings weniger an dem sich redlich bemühenden „Ku’Damm 56“-Star als vielmehr an einem völlig inkohärenten Drehbuch, in dem die Konzepte gleich mehrerer anderen Filme erschreckend beliebig zusammengeschmissen werden - und wenn der Von-der-Prinzessin-zum-Aschenputtel-Plot schließlich vollständig ins Stocken gerät, wird stattdessen einfach mit einer aus dem Hut gezauberten „Fifty Shades Of Grey“-Parodie weitergemacht.

    Das 26-jährige It-Girl Anabel (Emilia Schüle) ist die Tochter der steinreichen Charity-Queen Trixi von Schlacht (Iris Berben)! Oder etwa doch nicht? Offenbar wurde Anabel nämlich als Baby von zwei mit Prosecco abgefüllten Krankenschwestern vertauscht – und zwar mit Aura (Caro Cult), die deshalb statt in der Society-Villa in einer Plattenbausiedlung als Tochter der resoluten Tierschutz-Aktivistin Carmen Schlonz (Katja Riemann) aufgewachsen ist. Aber solch ein Fehler lässt sich ja auch mit Mitte 20 noch beheben – und so zieht Anabel aus dem Luxusviertel in die Winzig-Wohnung ihrer leiblichen Familie. Außerdem muss sie sich zum ersten Mal in ihrem Leben einen richtigen Job suchen – und gerät dabei an den megaerfolgreichen Start-up-Gründer Benjamin Schwarz (Marc Benjamin), der sich unter einer privaten Putzhilfe allerdings etwas ganz anderes vorstellt als die zunächst noch ganz unbedarfte Anabel…

    Ist Anabel nun eine lebensunfähige verzogene Göre mit einem IQ um die 70, so wie sie sich bei ihrer Vorstellung beim Arbeitsamt geriert? Oder doch eher eine Rebellin mit sozialem Kern, die die abgründigen Absurditäten des Society-Spiels voll durchschaut? Wir haben auch nach dem Film nicht den geringsten Schimmer, denn das ändert sich von Szene zu Szene und hängt offenbar nur davon ab, welche „Anabel“ gerade für den nächsten Gag benötigt wird. Emilia Schüle bemüht sich sichtlich, ihrer Figur so etwas wie einen emotionalen Kern zu verleihen (etwa in der Szene am Bett ihres im Koma liegenden Ziehvaters) – aber mit dem Vorhaben steht sie schon deshalb auf verlorenem Posten, weil sie neben Jannis Niewöhner („Jugend ohne Gott“) als Polizisten-Schnuckel Yann die einzige ist, die ihre Rolle nicht als völlig überdrehte Karikatur anlegt. Das Identifikationspotential ist deshalb von Anfang an gleich Null – und alle anschließenden emotionalen Entwicklungen werden ausschließlich durch prominent eingespielte Schmuse-Popsongs behauptet. Da steigt zumindest schon mal unser Herz direkt in den ersten Minuten aus.

    Aber gut, dann schaut man halt mit dem Kopf und dem Rest des Körpers weiter – vielleicht gibt’s ja zumindest noch was für die Lachmuskeln: Als Trixi von Schlacht beim Charity-Brainstormen mit ihrem PR-Berater (Rick Kavanian, „Bullyparade – Der Film“) erfährt, dass Analphabeten und Aids schon weg sind, aber kriminelle Jugendliche und Transgender gerade total angesagt seien, kommt sie auf die brillante Idee, einem kleinen kriminellen Jungen Brüste zu kaufen. Ein schön knackig auf den Punkt gebrachter Gag, dessen Pointe anschließend in deutlich schwächerer Form noch sooft wiederholt wird, bis er auch wirklich endgültig totgeritten ist. Sowieso ist es schade, dass Klischees in „High Society“ nur bedient statt unterlaufen werden – der Joke, dass Anabel nur wenige Sekunden nach dem Abstellen ihres Wagens vor dem Plattenbau alles Gepäck aus dem offenen Cabrio geklaut wird, war in New-York-Komödien schon spätestens ab Ende der Achtziger ausgelutscht. Da muss man sich im Jahr 2017 einfach noch eine zweite Ebene einfallen lassen oder es gleich ganz bleiben lassen.

    Einziger Lichtblick bleibt so Katja Riemann als Anti-Pelz-Autonome, die so gerne eine Akte beim Verfassungsschutz hätte (aber leider keine hat). Nach ihrer Helene-Fischer-Show in „SMS für dich“ die zweite großartige Karikatur-Rolle in Folge, mit der Riemann sich als konsequente Szenendiebin behauptet. Allerdings gibt es überraschenderweise nur ganz wenige Szenen, die Anabels Versuche, sich in einer Hartz-4-Umgebung zurechtzufinden, amüsant illustrieren. Stattdessen wandelt sich „High Society“ plötzlich zu einer Parodie der SM-Romanze „Fifty Shades Of Grey“ – durchaus mit einem angedeuteten feministischen Kniff, aber auch wirklich nur einem angedeuteten. Warum der Film im letzten Drittel überhaupt in diese neue und zuvor nicht einmal angedeutete Richtung schwenkt? Keinen blassen Schimmer! Und warum zum Teufel stehen ihre beiden Familien plötzlich am Flugplatz und winken zum Abschied, als sich Anabel für ein Jetset-Leben als Privathure entscheidet? Aber Sinn ergibt in „High Society“ wie gesagt eh wenig.

    Fazit: Figuren, Tonart, Geschichte(n) – hier passt leider gar nichts zusammen. Zudem werden sowohl Ghetto- als auch Reichen-Klischees in der Regel nur platt bedient statt pfiffig unterlaufen – eine rundherum misslungene Komödie.

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