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    Drachenreiter
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Drachenreiter

    Fantasy-Abenteuer mit Dating-App

    Von Christoph Petersen

    Die Fantasy-Romane der deutschen Autorin Cornelia Funke sind vor allem in den USA riesige Erfolge. Trotzdem fuhren die ersten beiden internationalen Verfilmungen, nämlich „Herr der Diebe“ und der immerhin 60 Millionen Dollar teure „Tintenherz“ mit Brandon Fraser, enttäuschende Ergebnisse an den Kinokassen ein. Sehr viel besser lief es hingegen mit rein deutschen Produktionen ohne Fantasy-Elemente (etwa „Hände weg von Mississippi“ oder „Die Wilden Hühner“).

    Der auf Englisch gedrehte „Gespensterjäger“ mit Anke Engelke stieß dann 2015 allerdings schon wieder auf ein deutlich reduzierteres Publikumsinteresse. Eine auf der Hand liegende Erklärung, warum die Fantasy-Bücher zwar aus den Regalen gerissen, die Filme aber zumindest bisher kaum im Kino geschaut werden, gibt es nicht – und deshalb ergibt es Sinn, es einfach weiter zu versuchen:

    Viele Stars für die internationale Version

    Drachenreiter“ von Regiedebütant Tomer Eshed ist nun die erste computeranimierte Cornelia-Funke-Verfilmung. Sie basiert auf dem gleichnamigen Roman von 1997, dem sieben Jahre nach seiner Erstveröffentlichung sogar noch der Sprung auf Platz 1 der Bestsellerliste der New York Times gelang. Mit Freddie Highmore (dem Norman Bates aus „Bates Motel“), Patrick Stewart und Felicity Jones hat die Kinoadaption zudem genug namhafte Sprecher, um die notwendige Aufmerksamkeit auf dem internationalen Animations-Parkett zu ergattern.

    Aber während sich die globusumspannende Drachen-Odyssee bei ihrem Erscheinen vor 23 Jahren noch frisch angefühlt haben mag, wirkt die Leinwand-Umsetzung nur selten originell. Wobei man dem durchaus kurzweiligen Animations-Abenteuer zugutehalten muss, dass die Macher auf erfrischend offene Art mit den Ähnlichkeiten zu „Drachenzähmen leicht gemacht“ umgehen.

    Das bunt zusammengewürfelte Helden-Trio auf der Suche nach dem "Saum des Himmels".

    Als die Menschen mit ihren Maschinen den Wald bedrohen, in den sich einige der letzten verbliebenen Drachen zurückgezogen haben, erinnert sich der junge Silberdrache Lung (deutsche Stimme: Julien Bam) an eine alte Legende vom sogenannten „Saum des Himmels“. Dahinter soll sich ein Ort verbergen, an dem Drachen gefahrlos leben können. Gemeinsam mit dem Koboldmädchen Schwefelfell (Dagi Bee) bricht Lung auf, um ein sicheres Zuhause für sich und seine Artgenossen zu finden.

    Aber schon bei der ersten Zwischenlandung in einer Menschenstadt wird aus dem Duo ein Trio: Der Straßenjunge Ben (Mike Singer) hat eine Halskette gestohlen und befindet sich deshalb gerade auf der Flucht vor der Polizei, als Lung ihn aufgrund seines Kostüms fälschlicherweise für einen Drachenreiter hält. Ben nutzt die Verwechslung, um seiner Bestrafung zu entkommen, während sich die ohnehin allen Menschen misstrauende Schwefelfell von Beginn an sicher ist, dass mit dem neuen im Team irgendetwas nicht stimmt...

    Wie man einen Drachen zähmt

    Die Marketing-Abteilung versucht gar nicht erst, die Parallelen zu „Drachenzähmen leicht gemacht“ zu verheimlichen. Ganz im Gegenteil: Schriftart, Schriftfarbe und Motiv des Posters wurden gerade in Hinblick auf die internationale Vermarktung sicherlich nicht ohne Hintergedanken gewählt. Sehr viel pfiffiger geschieht der Vergleich allerdings im Film selbst – und zwar mit Hilfe einer neuen Hintergrundgeschichte, die sich Drehbuchautor Johnny Smith („Gnomeo & Julia“) für den Straßenjungen Ben ausgedacht hat. Cornelia Funke ist ja bekannt dafür, dass sie ihre Fantasy-Geschichten stets mit realweltlichen Bezügen würzt – so legt sich der drachenfressende Bösewicht Nesselbrand (Rick Kavanian) auf Rat seines Homunkulus-Sklaven Fliegenbein etwa ein Online-Profil auf dem Dating-Portal www.WerPasstZuDir.com an.

    Weil solche aus dem Fantasy-Setting herausfallenden Elemente wie auch ein plötzlich auftauchender Passagierjet, der Lung fast vom Himmel rammt, aber ohnehin zum Konzept der Erzählung gehören, passt es eben auch, dass in der Welt von „Drachenreiter“ nun ein Film namens „How To Tame Your Dragon“ (statt „How To Train Your Dragon“) gerade seine Premiere feiert: Ben schnappt sich auf seiner Flucht das Kostüm eines Fans – und wird daraufhin von Lung mit dem Filmprotagonisten auf dem „How To Tame Your Dragon“-Poster verwechselt. Das ist schon eine sehr coole und selbstbewusste Art, mit der Sache umzugehen. Chapeau!

    Ben trifft bei der Filmpremiere von "How To Tame Your Dragon" auf Fans im Drachenkostüm.

    Bei der anschließenden Welttour auf der Suche nach dem „Saum des Himmels“ präsentieren die Macher so viele verschiedene exotische Settings, wie man in eineinhalb Stunden nur irgendwie unterbekommen kann: „Drachenreiter“ spielt in der Wüste, im Grand Canyon, in Indien und im Himalaya, um nur ein paar der Schauplätze zu nennen. Das ist zumindest visuell abwechslungsreich, selbst wenn sich viele der Episoden doch eher generisch anfühlen und „Drachenreiter“ in Sachen schiere Bildgewalt nicht mit der Big-Budget-Konkurrenz mithalten kann.

    Während Lung nicht nur wegen seiner matt-silbernen Schuppenfarbe eher blass bleibt (was auch daran liegt, dass YouTube-Star Julien Bam hier nicht an seine durchaus gelungene „Sonic“-Synchro herankommt), erweisen sich die Sidekicks als die größte Stärke des Films. Beauty-Influencerin Dagi Bee serviert als zumindest zu Beginn grummelig-zynisches Koboldmädchen einige keck-trockene Sprüche, während einem der geschundene Fliegenbein tatsächlich leidtun kann. Aber allen die Show stiehlt ohnehin Axel Stein („Die Goldfische“) als goldgeiler Zwerg Kiesbart, der mit seinem bayerischen Akzent alles und jeden zu einer Schlägerei herausfordert.

    Fazit: Ein actionreiches und humorvolles Fantasy-Abenteuer, in dem allerdings kaum Figuren oder Situationen auftauchen, die einem nicht schon ganz schrecklich bekannt vorkommen.

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