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    Boss Level
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Boss Level

    …und täglich grüßt das Killerkommando

    Von Lutz Granert

    Man mag es kaum glauben. Aber der längst nicht mehr taufrischen Zeitschleifen-Mechanik lassen sich offensichtlich auch fast 30 Jahre nach Harold Ramis' Komödien-Klassiker „…und täglich grüßt das Murmeltier“ immer noch neue Ideen abtrotzen. So avancierte erst vergangenes Jahr „Palm Springs“ mit Andy Samberg und Cristin Milioti, in dem (mindestens) zwei Gäste einer Hochzeit gemeinsam in derselben Zeitschleife festhängen, zum Kritikerfavoriten und Publikumshit.

    Einen ähnlich originellen, aber ungleich brachialeren Ansatz verfolgt nun auch Action-Regisseur Joe Carnahan („Smokin‘ Aces“, „The Grey“) in seinem vogelwilden „Boss Level“, dessen Titel auf die Arcade-Game-Klassiker der Achtzigerjahre anspielt: Nach dem Game Over geht’s eben immer direkt noch einmal von vorn los! Das temporeiche Spektakel steckt dabei zwar voll knalliger Ideen und nerdiger Zitate, verliert in der zweiten Hälfte aber spürbar an Tempo.

    Bei so vielen Killern, die einem an einem einzelnen Vormittag gleichzeitig ans Leder wollen, muss (Frank Grillo) schon einiges an Feuerkraft auffahren.

    Der ehemalige Elite-Soldat Roy Pulver (Frank Grillo) wacht in seinem Bett auf – und wird sofort von einem Killer mit Machete attackiert. Kurze Zeit später taucht ein mit Mini-Gun bewaffneter Hubschrauber vor der Fensterzeile seines Lofts auf und zersiebt die komplette Inneneinrichtung. Roy übersteht diese Mordanschläge am frühen Morgen inzwischen mühelos, denn er ist in einer Zeitschleife gefangen – und jeden Tag aufs Neue versucht er erfolglos, der riesigen Armee von eiskalten Profikillern zu entwischen, die ihm den ganzen Vormittag über pausenlos auf den Fersen ist.

    Spätestens um 12.47 Uhr segnet er allerdings das Zeitliche – und wacht wieder auf, während ein Killer mit einer Machete auf ihn losgeht. Erst nach seiner 100. Wiedergeburt kommt Roy langsam dahinter, dass offenbar die sogenannte „Osiris-Spindel“ mit der rätselhaften Zeitschleife in Zusammenhang steht. Die wurde von Roys verängstigter Wissenschaftlerin-Ex-Frau Jemma Wells (Naomi Watts) unter Aufsicht des zwielichtigen Clive Ventor (Mel Gibson) entwickelt...

    Was lange währt…

    „Boss Level“ hat eine lange Entstehungsgeschichte hinter sich. Bereits im Jahr 2012 schrieb Joe Carnahan ein Skript von Chris und Eddie Borey um, das dann unter dem Titel „Continue“ für 20th Century Fox verfilmt werden sollte. Doch damals kam das Projekt nicht über erste Screen-Tests mit dem geplanten Hauptdarsteller Frank Grillo hinaus – dem Studio war der drahtige Hüne schlicht zu unbekannt. Kein Wunder, schließlich hat er die Rolle als Brock Rumlow alias Crossbones im Marvel Cinematic Universe erst einige Jahre später übernommen. Grillo erweist sich trotzdem als passende Besetzung, weil es ihm einerseits nicht an lässiger Coolness und physischer Präsenz mangelt – er zugleich aber auch mit viel Selbstironie das grobschlächtige Macho-Gemüt seines Actionhelden offenlegt.

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    Während er das Geschehen mit einem salopp-sarkastischen Voice-Over à la „Deadpool“ kommentiert, pariert er den ersten Killer während des Kaffeetrinkens fast schon genervt-gelangweilt mit einem Handtuch. Auf die Idee, das – für den Handlungsverlauf tatsächlich nicht unerhebliche – Geschenk seiner Ex-Frau zu öffnen, das nur wenige Zentimeter entfernt auf der Küchenzeile liegt und auf dessen Wichtigkeit sie noch einmal nachdrücklich hingewiesen hat, kommt er hingegen erst sehr viel später. Wer nicht (zu-)hören will, muss eben fühlen – und das heißt im Fall von „Boss Level“: sterben, immer und immer wieder.

    Mel Gibson ist eigentlich ein cooler Bösewicht - bekommt aber zu wenig Raum, um die Abgründigkeit seiner Figur richtig zu entwickeln.

    Joe Carnahan gönnt sich in seiner Dauerverfolgungsjagd mit blutigen Shoot-Outs und ansehnlicher Pyrotechnik nur selten Auszeiten. Stattdessen stopft er seinen Film voll mit mal mehr, mal weniger erhellenden Rückblenden – und geizt auch nicht mit Anspielungen auf Videospiel-Klassiker der 80er Jahre. Das spiegelt sich nicht nur in dem neongrünen Wiederbelebungs-Counter, sondern auch in cartoonesk überzeichneten Tötungsszenen wider: So beißt sich der im Survival-Modus agierende Roy spätestens an der Schwertkämpferin Guan Yin (Selina Lo) immer wieder die Zähne aus. Sie lässt sich eben nicht à la „Jäger des verlorenen Schatzes“ einfach mal so erschießen (auf den Spielberg-Klassiker wird in einem Dialog auch direkt angespielt). Stattdessen trennt sie ihm stets mit demselben idiotischen Sprüchlein brutal den Kopf ab.

    Einmal steuert Roy nicht wie sonst das asiatische Restaurant an, in dem er definitiv sterben wird – sondern begibt sich in eine Skaterhalle, in der gerade ein eSport-Turnier mit Arcade-Titeln á la „Street Fighter II“ stattfindet. Hierhin verschlägt es zufällig auch Roys Sohn Joe (gespielt von Frank Grillos Sohn Rio Grillo) – was dem in die Jahre gekommenen Haudegen für wenige Stunden die Möglichkeit gibt, beim gemeinsamen Zocken endlich einmal ein guter Vater zu sein. Leider verpasst Carnahan seinem Film nach dieser Episode einen unpassend kitschigen Spin, wenn der versoffene, abgefuckte Roy plötzlich den Wert seiner (bisher vernachlässigten) kleinen Familie erkennt. Das wirkt sowieso nicht glaubhaft – geschieht aber auf Kosten des Tempos.

    Zu wenig Mel Gibson

    Das liegt auch daran, dass die für „The Impossible“ oscarnominierte Naomi Watts in ihrer Rolle als betont rätselhaft agierende Wissenschaftlerin viel zu wenig Screentime bekommt, um wirklich etwas auszurichten. Ähnlich ergeht es auch Mel Gibson („Fatman“) als Superschurke. Mit seinem fantastischen Vollbart darf er in der Rolle des sinistren Militäroffiziers zwar Zigarre qualmend ein denkwürdiges Gleichnis von einem Wildschwein und einer Python vortragen. Im Anschluss werden die Dialogzeilen seines Klischee-Bösewichts, der zwischendurch eine ganz Zeit lang komplett aus dem Film verschwindet, aber spürbar kürzer. Auch über die „Osiris-Spindel“ und ihre Funktionsweise erfährt man wenig – und gerade im Zeitschleifen-Genre driften Filme schnell ins Beliebige, wenn sie die Regeln ihrer Mechanik nicht eindeutig offenlegen.

    Fazit: „Boss Level“ beeindruckt zwar mit einer flotten Erzählweise, cooler Over-the-Top-Action sowie brachialem Humor. Wie bei den Prügel-Videospielen der 80er Jahre wohnt dem Plot und den Charakteren aber eine ziemliche Grobschlächtigkeit inne – was in einem abgehobenen B-Movie wie diesem auch nur dadurch zum Problem wird, dass Joe Carnahan in der zweiten Hälfte plötzlich auch noch eine unter diesen Vorzeichen wenig überzeugende Erlösungs-Geschichte zu erzählen versucht.

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