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    Das Rätsel
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    Das Rätsel

    Ein Literaturbetrieb-Krimi auf den Spuren von Agatha Christie

    Von Jochen Werner

    Den fiktiven, mysteriöserweise nicht persönlich in Erscheinung tretenden Schriftsteller Eric Brach im Zentrum von „Das Rätsel“ muss man sich wohl als eine Art Dan Brown oder Stieg Larsson vorstellen, auch wenn er im Film einmal mit James Joyce verglichen wird. In seiner Bestseller-Trilogie „Daedalus“ geht es um einen mysteriösen Mordfall und einen getriebenen Protagonisten auf der Suche nach dem Mörder seiner Geliebten. Um die Romane hat sich inzwischen ein weltweiter Kult gebildet, mit einer hingebungsvollen und mitunter ziemlich durchgeknallten Fanbasis.

    Da werden auch mal alternative Übersetzungen zum Download ins Netz gestellt, da die Fans mit den offiziellen Fassungen, die Verleger Éric Angstrom (Lambert Wilson) möglichst schnell und kostengünstig herstellen lässt, wenig zufrieden sind. Im französischen Original heißt der Literatur-Thriller von Régis Roinsard („Warten auf Bojangles“) deshalb auch sehr viel passender und weniger generisch „Les Traducteurs“, also „Die Übersetzer“.

    Eingesperrt für die Kunst

    Zur Vorbereitung der weltweit gleichzeitigen Veröffentlichung des langerwarteten letzten Romans der Trilogie sperrt Angstrom eine Gruppe von Übersetzer*innen einen Monat lang als eine Art Boot Camp in einen Bunker: Elf Stunden täglich in einem Großraumbüro, bewacht von bewaffneten russischen Bodyguards und ohne Internet oder sonstigen Kontakt zur Außenwelt, sollen der Brite Alex (Alex Lawther), die Russin Katerina (Olga Kurylenko), die Deutsche Ingrid (Anna Maria Sturm), der Spanier Javier (Eduardo Noriega), die Dänin Helene (Sidse Babett Knudsen), der Grieche Konstantinos (Manolis Mavromataki), der Italiener Dario (Riccardo Scamarcio), der Chinese Chen (Frédéric Chau) und die Portugiesin Telma (Maria Leite) das Manuskript in ihre jeweiligen Sprachen übersetzen – allerdings immer nur 20 Seiten am Stück, vorsichtshalber, wie der paranoide Verleger ihnen verkündet.

    Es passiert dann allerdings doch, was passieren muss, um die Plotmechanik in Gang zu setzen: Die ersten Seiten des Romans werden ins Internet geleaked, ein anonymer Erpresser kommt ins Spiel, der das komplette Buch noch vor der Veröffentlichung ins Netz zu stellen droht – und der sich in seinen Mails als einer der Anwesenden auszugeben scheint. Die Suche nach dem Hacker beginnt – auf der einen Seite geht der paranoide Angstrom immer brutaler vor, auf der anderen beginnen aber auch die eingekerkerten Übersetzer*innen selbst, sich gegenseitig zu verdächtigen…

    Der Verleger Éric Angstrom (Lambert Wilson) sorgtdafür, dass nichts und niemand aus dem Bunker herausdringen kann, bevor der Roman nicht fertig übersetzt ist.

    Im Kern erzählt Roinsard in „Das Rätsel“ einen klassischen Whodunit-Plot der Marke Agatha Christie, der sich dann irgendwann zumindest zeitweise zum Heist-Movie verschiebt. Der Ansatz, dabei einen Roman und einen literarischen Copyright-Verstoß ins Zentrum zu stellen, statt wie in den jüngeren Whodunit-Filmen im Fahrwasser des großen Erfolgs von „Knives Out“ einen Mord, ist dabei durchaus als originell zu bewerten. So richtig geht das im Film allerdings nicht auf. Die kulturellen Stereotypen, mit denen zu spielen der multikulturelle und multilinguale Cast anbietet, bleiben (von einer einzigen, zumindest ansatzweise cleveren mehrsprachigen Szene abgesehen) leider nur ebendies:

    Klischees, mit denen außer ein paar verpuffenden, halbherzigen Witzeleien nichts Interessantes angestellt wird. Man könnte schon fast zynisch vermuten, der internationale Cast sei eigentlich eher einer Reihe verfügbarer europäischer Filmfördertöpfe zu verdanken als einer echten Notwendigkeit, damit etwas erzählen zu wollen. Und die üblich Twists, Turns und wechselnden Zeitebenen, die etwa ab der Filmmitte immer mehr Raum einnehmen, wirken eher chaotisch und wirr als clever durchdacht.

    Irgendwann greift die Paranoia auf dem engen Raum um sich – und auch die Übersetzer*innen selbst fangen an, sich gegenseitig zu verdächtigen…

    Etwas interessanter ist da schon die literarisch-künstlerische Ebene, die sich im Fahrwasser eines der besagten Twists an die Oberfläche von „Das Rätsel“ schleicht – nachdem sie eigentlich schon die ganze Zeit unter all dem Plotwirrwarr mitlief. Nach Relevanz und Wertschätzung der Kunst und des Kunstschaffenden wird da gefragt, und nach dessen Position zwischen mitunter obsessiv-fanatischen Fans und den allzu pragmatisch-profitorientierten Geschäftemacher*innen, die ihr Lebenswerk an die Kundschaft bringen sollen.

    Er habe die „Daedalus“-Romane angepriesen wie Zahnpasta, heißt es einmal über den früh als Schurken charakterisierten Angstrom, und auch wenn das alles in der Art, wie es erzählt wird, einen ziemlichen Quatsch ergibt, ist doch dieses Herz des Films nicht komplett doof. Denn darin steht die Kunst, und Roinsard scheint zu wissen, dass es nichts gibt, was wichtiger ist – eine Erinnerung, die wir nach Jahren, in denen sie regelmäßig als verzichtbar und bloßes Freizeitvergnügen abgetan wurde, eigentlich alle ganz gut gebrauchen können. Einen besseren Film hätte man dieser durchaus zeitgemäßen Botschaft allerdings schon gewünscht.

    Fazit: „Das Rätsel“ ist ein nur im Ansatz origineller, in der Durchführung aber viel zu chaotischer Whodunit-Thriller in der Welt der (Bestseller-)Literatur und ihrer Übersetzungen. Auch wenn das, was der Film zu Rolle und Relevanz der Kunst zu sagen hat, nicht komplett substanzlos ist, gelingt es Regisseur Régis Roinsard zu selten, dies auch in eine packende filmische Form umzusetzen. Das Ergebnis ist keineswegs komplett freudlos, aber doch ein bisschen zu wirr, um wirklich zu fesseln.

     

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