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    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
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    Escape Room extrem

    Von Christoph Petersen

    Jetzt, wo heißerwartete Hollywood-Blockbuster wie „Tenet“ oder „Mulan“ immer wieder verschoben oder gar direkt zu Streamingdiensten abgeschoben werden, sind die wiedereröffneten Kinos besonders hungrig nach frischen Filmen. Das hat unter anderem zur Folge, dass aktuell eine Reihe von Horrorfilmen, die ursprünglich für eine Direct-to-Blu-ray-Auswertung vorgesehen waren, kurzfristig doch noch einen Kinostart in Deutschland erhalten. Neben „The Witch Next Door“ fällt etwa auch Will Wernicks Escape-Room-Folter-Horror „Follow Me“, der seine Weltpremiere erst kürzlich auf dem Fantasy Filmfest gefeiert hat, in diese Kategorie.

    Das ist eine gute Nachricht zumindest für all diejenigen, die nicht immer nur glatt polierten Mainstream-Grusel auf der großen Leinwand sehen wollen. Die Big-Budget-Version von „Follow Me“ hatten wir schließlich schon im vergangenen Jahre, als die Erzählung in „Escape Room“ von Adam Robitel schnell ins übertrieben Fantastische kippte – irgendwo muss man ja hin mit dem Geld, also steckt man es in aufwendige Raumkonstruktionen, die mit einer realen Escape-Room-Erfahrung kaum noch etwas gemein haben. „Follow Me“ bietet trotz Influencer-Protagonist nun die bodenständige Variante: Viele rostige Räume und Rätselmechaniken, die man tatsächlich nachvollziehen kann.

    Cole muss einen Schlüssel aus den Gedärmen fischen - eine echte Leiche oder nur ein sehr guter Make-Up-Effekt?

    Cole (Keegan Allen) filmt sich und seine Abenteuer schon seit Kindertagen – und ist so mit seinem VLOG „Escape From Life“ zum Social-Media-Superstar aufgestiegen. Zu seinem zehnjährigen YouTube-Jubiläum planen seine Freunde etwas besonders Extremes für den Influencer, der noch absolut keine Ahnung hat, was ihn erwartet, als er die Erste Klasse eines Flugzeugs Richtung Moskau besteigt.

    Als Cole schließlich erfährt, dass es sich bei der Überraschung „nur“ um einen weiteren, wenn auch besonders heftigen und auf ihn persönlich zugeschnittenen Escape Room handelt, ist er zunächst enttäuscht – da hatte er sich für seine Fans schon etwas Ausgefalleneres erhofft. Aber statt um seine Zuschauer hätte sich Cole ohnehin besser Sorgen um sich und seine ihn begleitenden Freunde gemacht...

    So sehen Influencer aus

    Ich weiß nicht, wie viel Autor und Regisseur Will Wernick in seinem Leben schon mit Influencern zu tun hatte – aber „Follow Me“ trifft das Business besser als die allermeisten Filme: Cole denkt zwar bei allem, was er tut und erlebt, immer zuerst daran, wie er es seinen Fans präsentieren kann – aber die Figur ist dennoch weder eine Karikatur noch ein Arschloch. Keegan Allen sieht zudem nicht nur aus wie ein Mix aus Logan Paul und PewDiePie, er erweist sich auch als fähiger Schauspieler – so drückt man Cole die Daumen, selbst wenn er kein uneingeschränkter Sympathieträger ist. Das ist auch später wichtig, wenn die universelle Selbstsicherheit des Influencers langsam aber sicher schierer Panik weicht.

    Auf dem deutschen Poster wird mit der Aussage „Von den Produzenten von Escape Room“ geworben – aber damit ist eben nicht der bekannte Kinofilm, sondern die ebenfalls schon von Will Wenick inszenierte Günstig-Variante „Escape Room – Das Spiel geht weiter“ von 2017 gemeint. Am Ende ist es da einfach Geschmackssache: Wer seine Escape Rooms auf der Leinwand möglichst überdreht und abgefahren mag, ist bei „Follow Me“ falsch.

    Das hätte auch leicht ins Auge gehen können...

    Stattdessen gibt es Fallen und Rätsel, die zwar dramatisch anmuten (wenn etwa eine Eiserne Jungfrau ihre metallenen Dornen gefährlich nah an den Augapfel eines Teilnehmers heranrückt), aber trotzdem noch als „real“ durchgehen könnten. Auch die bekannte 3-Liter-5-Liter-Knobelaufgabe aus „Stirb langsam – Jetzt erst recht“, die man tatsächlich genau so in einem Escape Room erwarten würde, wird hier aufgegriffen. Aber genau das ist ja auch der Punkt: Es soll für den Zuschauer (und den Protagonisten) möglichst lange im Unklaren bleiben, ob der Escape Room noch nach Plan abläuft, oder ob da bereits etwas sehr viel Abgründigeres in Gange ist.

    In der zweiten Hälfte entwickelt sich „Follow Me“ dann allerdings zunehmend zu einem Folter-Horror mit starkem Actionanteil, aber sehr wenig Blut oder sichtbarer Grausamkeit - quasi „Hostel light“. Da gibt es dann doch den einen oder anderen Hänger, bis das Finale schließlich noch einmal mit einer nicht völlig neuen, aber wunderbar gemeinen Schlusspointe überrascht. Ist eben doch schön, auch mal wieder solche dreckigen kleinen Genrefilme auf der großen Leinwand sehen zu können.

    Fazit: Vergleichsweise bodenständiger Escape-Room-Thriller mit zurückhaltenden Folterhorror-Einschüben und einem besonders fiesen Twist.

    Wir haben „Follow Me“ bei den Fantasy Filmfest Nights 2020 gesehen.

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