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    Isi & Ossi
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Isi & Ossi

    Was taugt der erste deutsche Netflix-Film?

    Von Asokan Nirmalarajah

    Spezifischer Lokalkolorit mit globalem Appeal – so lautet das Erfolgskonzept zahlreicher internationaler Serien, die Netflix in den vergangenen Jahren auf seiner Plattform ausgerollt hat. Neben britischen („The Crown“) und spanischen („Haus des Geldes“) Serienhits konnten so auch die deutschsprachigen Netflix-Produktionen „Dark“ und „How to Sell Drugs Online (Fast)“ in nicht-deutschsprachigen Ländern erstaunliche Aufmerksamkeit generieren.

    Mit der romantischer Komödie „Isi & Ossi“ von Oliver Kienle wagt sich das Streaming-Portal nun an seinen ersten in Deutschland produzierten Original-Film – und bleibt auch dabei seiner Linie treu: eine universelle Geschichte in einem lokalspezifischen Milieu. Aber die ulkige Love-Story zwischen einer Heidelberger Millionärstochter und einem Mannheimer Boxer will nicht so recht zünden. Trotz einiger toller frischer Gesichter auf der Besetzungsliste und einem ganzen Haufen skurriler Nebenfiguren wird der Film durch eine klischeebeladene und ereignisarme zentrale Liebesgeschichte am Abheben gehindert.

    Isi: Mit einem Fast-Food-Job gegen die millionenschweren Eltern!

    Isi (Lisa Vicari) und Ossi (Dennis Mojen) wachsen zwar nur wenige Kilometer voneinander entfernt, aber doch in völlig unterschiedlichen Welten auf: sie als Tochter reicher, kultivierten Eltern in Heidelberg, er als Sohn einer alleinerziehenden, verschuldeten Mutter in Mannheim. Während sich Ossi aus Frust über die finanzielle Situation seiner Familie dem Boxsport zuwendet, will Isi der Bevormundung durch ihre Eltern entfliehen. Als die Abiturientin erfährt, dass ihre Eltern ihr den Abschluss erkauft haben, will sie in New York eine Kochausbildung anfangen.

    Doch dafür fehlt ihr das nötige Geld, das ihre Eltern nur für ein vernünftiges Studium rausrücken wollen. Um sie zu erpressen, beginnt Isi in einem Mannheimer Fastfood-Laden zu arbeiten und wirft sich dort der Zufallsbekanntschaft Ossi an den Hals. Sie verspricht ihm 25.000 Euro, damit er die Schulden seiner Mutter und das Startgeld für seinen ersten Profi-Boxkampf bezahlen kann. Dafür soll er vor ihren Eltern ihren Liebhaber spielen. Doch dann verliebt sich Isi in Ossi und dessen schräge, vornehmlich aus Tagedieben und Ex-Knackis bestehende Familie…

    Instagram-Satire und Eminem-Parodie

    Der erste deutschsprachige Netflix-Film kommt pünktlich zum Valentinstag am 14. Februar auf die Plattform. Da läge es nahe, hier einfach eine romantische Komödie zu vermuten. Aber diese Beschreibung würde zu kurz greifen, schließlich präsentiert Regisseur und Drehbuchautor Oliver Kienle eine recht ambitionierte Mischung aus alberner Proletarier-Komödie, überdrehter Reichen-Satire und jugendlicher Fisch-aus-dem-Wasser-Liebesgeschichte. Obendrein gibt es noch eine Handvoll Figuren, die den Film immer wieder in ganz andere Richtungen ziehen.

    So scheint Isis Instagram-süchtige beste Freundin (Zoë Straub) in ihrer eigenen Medien-Satire zu spielen, während Ossis Opa (Ernst Stötzner) als rassistischer Großvater mit unrühmlicher Kleinkriminellen-Knast-Vergangenheit zum Rap-Gesang findet, was stellenweise wie eine Parodie auf „8 Mile“ anmutet. An lustigen Figuren mangelt es dem Film jedenfalls nicht, dafür aber an einer klischeefreien Handlung, die sich nicht ständig in Nebenschauplätze flüchtet, weil der zentrale Strang einfach nicht interessant genug ist.

    Die zentrale Love Story enttäuscht

    Denn die eigentlich handlungstragende Liebesgeschichte zwischen Isi und Ossi ist trotz der Spielfreude von Dennis Mojen („Traumfabrik“) und Lisa Vicari (bekannt als Martha Nielsen aus dem Netflix-Hit „Dark“) weder sonderlich aufregend noch berührend oder auch nur glaubhaft. Ihre Figuren sind leider nicht ausreichend genug entwickelt, um aus sich heraus die Aufmerksamkeit des Zuschauers zu halten. Entsprechend erfrischend sind da die Auftritte von Christina Hecke und Hans-Jochen Wagner als eitle Eltern von Isi, von Lisa Hagmeister als forsche Mutter von Ossi, vom begnadeten André Eisermann als trotteliger Box-Trainer mit Sprachproblemen und vor allem von Ernst Stötzner als respektloser, aber lebenslustiger Großvater.

    Da verschmerzt man auch, dass der Auftritt von „Türkisch für Anfänger“-Serienstar Pegah Ferydoni als desillusionierte Gymnasiallehrerin nur sehr kurz geraten ist und dass Walid Al-Atiyat („BEAT“) in der undankbar flachen Rolle des besten Freundes von Ossi verschenkt ist. Bei einer so starken Besetzung ist es aber umso ärgerlicher, dass dem Film nach einem energischen Auftakt nicht mehr viel einfällt. Ob Isi und Ossi am Ende ein Paar werden, ob Isi ihre Eltern doch noch rumkriegt, ob Ossi seinen wichtigen Boxkampf am Ende gewinnt – all das wird für den Zuschauer nie zu wirklich spannenden Fragen.

    Ob Ossi am Ende gewinnt oder nicht, bleibt dem Publikum leider ziemlich egal.

    So wirkt „Isi & Ossi“ im Grunde wie die Pilotfolge zu einer Ensemble-Sitcom über den Kulturschock zwischen den Mannheimer Proleten und der Heidelberger High Society. Denn den eigentlichen Schauwert des Films bietet nicht das titelgebende Paar, sondern die schrulligen Nebenfiguren (siehe auch die desillusionierten bis infantilen Mitarbeiter im Fastfood-Restaurant), die zwar alle über eine witzige Eigenart nicht hinauskommen, aber in einer Comedy-Serie durchaus Spaß machen würden. Sollte Oliver Kienles Netflix-Originalfilm also bei den Abonnenten gut ankommen, könnte der Serienmacher (er schrieb bereits „Bad Banks“ für das ZDF) damit den Grundstein für eine neue Netflix-Serie aus Deutschland gelegt haben.

    Fazit: Oliver Kienles nicht ganz uncharmante Liebeskomödie „Isi & Ossi“ punktet vor allem mit einer ganzen Latte talentierter Schauspieler in skurrilen Rollen. Aber das reicht nicht, um die klischeebeladene Geschichte einer Liebe zwischen den sozialen Schranken durchgängig zu beleben. Es ist halt selten ein gutes Zeichen, wenn die Nebenfiguren die eigentlichen Protagonisten derart überflügeln.

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