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    Wolke unterm Dach
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Wolke unterm Dach

    In Watte gepackt

    Von Karin Jirsak

    Was bleibt, wenn wir gegangen sind?“ In Alain Gsponers angekitschtem Mix aus Trauer-Drama und Wohlfühl-Film ist es jedenfalls die titelgebende Wolke unterm Dach. Ihrer fantastischen Elemente zum Trotz beruht die Geschichte allerdings lose auf realen Erlebnissen: In seinem Kinderbuch „Wolke unterm Dach“ verarbeitete der preisgekrönte Drehbuchautor Christoph Silber („Das Wunder von Kärnten“) die Zeit nach dem Tod seiner Frau. Das Drehbuch zur Verfilmung ist allerdings nur lose an die Vorlage angelehnt und stammt von Dirk Ahner, der sich als Autor von „Hui Buh – Das Schlossgespenst“ genau wie Regisseur Gsponer mit „Das kleine Gespenst“ schon mal mit putzigen Erscheinungen auf der großen Leinwand beschäftigt hat.

    Mit Tochter Lilly (Romy Schroeder) und dem urigen Häuschen am Stadtrand scheint das Leben von Julia (Hannah Herzsprung) und Paul (emotional angeknipst: Frederick Lau) perfekt zu sein. Als Julia ohne jedes Vorzeichen eine Hirnblutung erleidet, bricht die Idylle jedoch jäh in sich zusammen. Oma Lore (Barbara Auer), die Kolleg*innen und die neue Chefin (Nicolette Krebitz) wollen für Vater und Tochter da sein, doch Pauls Schwierigkeiten, sich mit dem Verlust auseinanderzusetzen und gleichzeitig für seine Lilly stark zu sein, bringen den Witwer an seine Grenzen. Während Paul mit dem Haushalt ringt, seine Trauer mit Arbeit betäubt und versucht, den Verkauf des Hauses abzuwenden, macht Lilly auf dem Dachboden eine wolkige Entdeckung…

    Paul (Frederick Lau) weiß nicht so recht, wie es nach dem Tod seiner Frau weitergehen soll ...

    Drei Generationen, drei Arten zu trauern: Oma Lore klammert sich an den Gedanken an ein Leben nach dem Tod, während sich Papa Pauls Herangehensweise auf den gelebten Satz „Da ist nichts, da ist der Tod und das war’s!“ beschränkt – und den schleudert er dann auch gleich zwei lächelnden Bibelverkäufern an der Haustür ins Gesicht. Die kleine Lilly flüchtet sich unterdessen in ihre Fantasie. Schon an dieser einfachen Aufstellung lässt sich die etwas schematische Art der Erzählung ablesen: Alle Akteur*innen verhalten sich exakt so, wie es das Klischee nahelegt. Die ältere Dame sucht Zuflucht beim lieben Gott und den Engeln, der Mann verleugnet seine Gefühle und rationalisiert, das Kind kreiert sich eine niedliche Geschichte, in der es noch hat, was in Wirklichkeit nicht mehr da ist.

    Die Wolke als Sinnbild des Flüchtigen und doch Präsenten der sogenannten Seele ist dabei so stimmig wie überpräsent, beginnend in der Kennenlernszene von Julia und Paul, wenn die furchtlose Stewardess sich trotz Turbulenzen im Flieger in den Gang stellt, um ein Wolke-von-oben-Foto zu schießen. Dabei stürzt sie und zieht sich – gleich einem bösen Omen – eine Platzwunde am Kopf zu, die dann vom Krankenpfleger und zukünftigen Ehemann Paul verarztet wird. All diese sich allzu harmonisch ineinander fügenden Attribute, Bilder und Ereignisse sind Ergebnis eines Skripts, dem handwerklich wenig vorzuwerfen ist, außer dass es zu sehr nach Skript riecht.

    ... bis Tochter Lilly (Romy Schroeder) auf dem Dachboden eine wolkige Entdeckung macht!

    Die Umsetzung serviert Gefühle mit Glasur: Im Bemühen, alles hübsch glatt im Sinne einer Feelgood-Entwicklung auf die Reihe zu bringen, wagt es Gsponer nicht, sich mit seinem Thema ernsthaft auseinanderzusetzen. Viel zu wohl fühlt er sich in der durchdesignten Villa Kunterbunt, die Paul und Lilly bewohnen, als dass er hier auch nur einen Moment lang das Gefühl von Kälte und Leere einziehen lassen möchte, das der Tod eines geliebten Menschen in der Realität so mit sich bringt. Lieber als das Mädchen etwas tun oder sagen zu lassen, das ihre Trauer wirklich mitfühlen ließe, lässt er Wildfang Lilly der Maklerin ins Bein beißen oder auf den höchsten Baum klettern, um einen roten Herzluftballon zurückzuholen, der doch hoch zu Mama fliegen sollte.

    Ständig droht die Vater-Tochter-Haus-Situation zu kippen, doch immer wieder findet sich in unmittelbarer Nähe ein „Schutzengel“, der eingreift und verhindert, dass etwas wirklich Aufrüttelndes, sprich Authentisches passiert. Ja, es ist eine rundum unterstützende, arschlochfreie Welt, in der Paul und Lilly leben, von der attraktiven und verständnisvollen Oberärztin bis zum Bankberater, der sich persönlich dafür einsetzt, dass Paul das Haus nicht verkaufen muss. Am Ende steht einmal mehr die psychologische Binsenweisheit, dass man(n) seine Trauer „einfach“ zulassen und artikulieren muss – schon lösen sich hier auch alle anderen Probleme in Luft auf wie Schäfchenwolken am Himmel.

    Fazit: Der Tod ist flauschig und weiß: Ein Film über Trauer für Menschen, die sich mit dem Thema nicht so richtig auseinandersetzen möchten. Dramaturgisch drückt Regisseur Alain Gsponer aber die richtigen Knöpfe – und so liefert das Trauer-Märchen „Wolke unterm Dach“ auch dank Sympathieträger Frederick Lau bei entsprechender Kitsch-Toleranz immerhin ganz nette Tränenzieher-Unterhaltung.

     

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