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    Enkel für Anfänger
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Enkel für Anfänger

    Eine hübsch fiese Komödie

    Von Karin Jirsak

    Wer oder was sind eigentlich diese sogenannten Golden Ager? Nur ein Mythos, der heutigen Rentnern von der Werbung vermittelt wird, damit sie teure Produkte kaufen, die anhaltende Lebenslust und ewige Jugend versprechen. Dieser Überzeugung ist jedenfalls die vom Post-Pensionierungs-Einerlei frustrierte Seniorin Karin am Anfang der vor allem in der ersten Hälfte für eine deutsche Produktion angenehm schwarzhumorigen Familienkomödie „Enkel für Anfänger“ von Wolfgang Groos („Die Vampirschwestern“).

    Und was hilft am besten gegen wohlgeordnete Eintönigkeit und das Gefühl, nicht mehr gebraucht zu werden? Ein wilder Haufen Enkelkinder natürlich! Und so erleben wir hier die komödiantisch versierte Maren Kroymann („Der junge muss an die frische Luft“), die Fassbinder-Muse Barbara Sukowa („Hannah Arendt“) und einen herrlich fiesen Heiner Lauterbach („Kalte Füße“) als Paten-Großeltern von vier ziemlich unterschiedlichen Kids, denen es nach und nach gelingt, das Gold unter der beigen Fassade freizulegen.

    Palina Rojinski lässt als Single-Mom ihren russischen Charme spielen.

    Rentnerin Karin (Maren Kroymann) sehnt sich nach einer neuen Herausforderung. Ihre Schwägerin Philippa (Barbara Sukowa) bringt sie auf eine Idee: Wie wäre es mit einem Paten-Enkelkind? Auf dem Weg zur Vermittlungsstelle überredet Karin gleich noch ihren alten Bekannten Gerhard (Heiner Lauterbach), auch eine Patenschaft für ein Kind zu übernehmen. Der pensionierte Arzt kann mit Kindern zwar nichts anfangen, aber der kleine Viktor (Bruno Grüner) erinnert ihn an sein jüngeres Ich. Auch zwischen Karin und dem quirligen Jannik (Julius Weckauf) läuft es gut, nur dessen Halbschwester Merle (Maya Lauterbach) hat erst mal keinen Bock auf die Ersatz-Omi. Und auch Philippa stößt mit ihrer 68er-Attitüde bei Leonies überfürsorglichen Eltern (Paula Kalenberg, Tim Oliver Schultz) schnell an ihre Grenzen...

    „Die Realität ist nicht golden oder silbern, die ist beige“, stellt die Golden Agerin Karin zu Beginn des Films fest. Um mehr Farbe ins Rentnerleben an der Seite des piefigen Harald (kommt leider etwas kurz: Günther Maria Halmer) zu bringen, betreuen sie, Hippiebraut Philippa und der misanthropische Witwer Gerhard insgesamt vier reizende Kinder, die es ihnen allerdings größtenteils erstaunlich einfach machen. Bis auf die rebellische Teenie-Tochter Merle sind die Paten-Enkel von Anfang an zutraulich, machen so gut wie keinen Unsinn, und den Zaubertrick, mit dem Oma Karin den hyperaktiven Jannik im Handumdrehen bändigt und zum stundenlangen konzentrierten Dominobauen bewegt, würde manch gestresster Elternteil wohl gern erfahren.

    Geht gut garstig los

    Das Glück der Protagonisten ist in dem Fall ein bisschen Pech für den Zuschauer, denn bei der doch einigermaßen explosiv gestrickten Ausgangslage hofft man schon auf mehr Eskalation, als man hier letztendlich zu sehen bekommt. Insbesondere Haralds gemütliches Leben zwischen Couch und Modelleisenbahn hätte man gern so richtig mit der randalierenden Kinderschar kollidieren sehen. Dieses Erlebnis wird aber zugunsten eines sehr viel weniger aufregenden Handlungsstrangs ausgespart, der auch nur indirekt mit den Paten-Enkeln zu tun hat – schade!

    Dabei geht der Generationen-Clash so wunderbar garstig los: Wenn etwa Harald in einer (von insgesamt nur zwei kurzen) Begegnungen mit dem Jungvolk über den Rasen stürmt, um einen kleinen Racker vom Rasenmäher-Roboter zu zerren („Da sind rotierende Klingen drin! Wenn man da mit dem Fuß reinkommt, können die kaputtgehen!“), oder Gerhard sich zunächst dagegen sträubt, für den aus Russland stammenden Viktor den Ersatzopa zu geben („Russen haben Vorurteile gegen Schwule. Alle!“), dann macht das schon Lust auf mehr.

    Generationen-Showdown auf der Hüpfburg.

    Nach dem starken Auftakt zerfasern die anfänglich angelegten Konfliktlinien aber ziemlich, wobei leider auch der fiese Witz zunehmend schwindet. Am Ende lösen sie sich zudem auch viel zu leicht endgültig in Wohlgefallen auf. Nichtsdestotrotz wird man über weite Strecken gut unterhalten, vor allem dank des bestens mit den Kids und in sich harmonierenden Dreiergespanns Kroymann, Sukowa und Lauterbach. Letzterer hat hier als schwuler Arzt a. D. in haarsträubender Demonstration seiner Anti-Pädagogik einige köstliche Momente, etwa wenn Gerhard mit umgedrehtem Baseballcap auf Schul-Hooligan macht, um Viktor im Rollenspiel Überlebens-Skills für die Pause zu vermitteln. Und Sukowa ist als zottelige Laissez-faire-Omi einfach herrlich.

    Auch Lauterbach-Tochter Maya macht sich gut als zickiger Teen mit Herz, und Palina Rojinski („Get Lucky – Sex verändert alles“) darf als Single-Mom ihren russischen Charme (und Akzent) spielen lassen, um mit „Opa“ Gerhard endlich eine geeignete männliche Bezugsperson für ihren scheuen Viktor zu finden. Etwas mehr erzählerische Aufmerksamkeit hätte man Zappelphilipp Jannik gewünscht, gespielt von Julius Weckauf, der als Miniatur-Hape Kerkeling in „Der Junge braucht frische Luft“ eine starke Performance ablieferte. Weil das Drehbuch seine Figur ein bisschen aus den Augen verliert, verblasst das Jungtalent leider etwas hinter dem niedlichen Mobbingopfer Viktor und der allergiegeplagten Leonie und ihren Helikopter-Eltern, die mit salzfreien Dinkelbrezeln und Notfallrucksack auf Philippas 68er-Spirit prallen.

    Fazit: Schwungvoller Familienwohlfühlfilm mit vor allem in der ersten Hälfte schön fiesem Humor, souverän getragen vom ausgelassen aufspielenden Golden-Ager-Hauptdarstellertrio Maren Kroymann, Barbara Sukowa und Heiner Lauterbach.

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