Mein Konto
    Glass Onion: A Knives Out Mystery
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Glass Onion: A Knives Out Mystery

    Weniger Krimi, mehr Humor und viel mehr Cameos

    Von Björn Becher

    Grandios hat es Rian Johnson in „Knives Out“ verstanden, Murder Mystery auf den Spuren von Agatha Christie mit beißender Gesellschaftssatire zu verbinden. Die Welt wollte mehr von Meisterdetektiv Benoit Blanc (Daniel Craig) … und Netflix schlug zu. Die unglaubliche Summe von 465 Millionen Dollar zahlte der Streamingdienst angeblich und gab „Star Wars: Die letzten Jedi“-Regisseur Johnson freie Hand, gleich zwei Fortsetzungen zu machen. Was sich auf den ersten Blick toll anhört, kann aber auch zum Problem werden. Schließlich ist die freie Hand, welche Netflix Filmemacher*innen gewährt, auch dafür verantwortlich, dass eine Reihe von Produktionen des Streamingdienstes locker eine halbe Stunde zu lang geworden sind – weil halt kein Studioverantwortlicher mal nachfragte, ob diese oder jene Szene wirklich im Film sein muss.

    Doch Rian Johnson begeht diesen Fehler nicht. Seine Fortsetzung „Glass Onion: A Knives Out Mystery“ ist nur wenige Minuten länger als der (zugegeben auch schon über zwei Stunden dauernde) Vorgänger und keine Sekunde fühlt sich verschwendet an. Denn begonnen mit dem Prolog über unser Leben in der Corona-Pandemie sitzen die Spitzen und Dialoge, mit denen er eine böse Satire auf das Leben der Reichen und vermeintlich Mächtigen erzählt. Allgemein dreht Johnson den Humor auch mit zahlreichen Star-Auftritten und -Anspielungen noch einmal kräftig nach oben. Daneben rückt der Krimi-Spaß ein klein wenig in den Hintergrund. Das große Rätsel im Mittelpunkt ist nicht ganz so spannend. Trotzdem schlägt das nach kurzem Vorab-Kinostart ab 23. Dezember 2022 auf Netflix verfügbare „Knives Out“-Sequel so viele Volten, dass es immer wieder überraschen und durchweg fesseln kann.

    Auch am Swimming Pool grübelt Benoit Blanc..

    Mai 2020, die Corona-Pandemie dauert schon lange genug an, dass wir alle von Online-Meetings die Schnauze voll haben. Daher ist eine Gruppe von Menschen begeistert, sich endlich mal wieder in Persona treffen zu können. Der geniale Tech-Milliardär Miles Bron (Edward Norton) lädt in sein wie eine gläserne Zwiebel wirkende Luxus-Anwesen auf einer griechischen Privatinsel ein. Es ist eine jährliche Tradition seines Freundeskreises, die sich die Disruptoren nennen. Und so erscheinen auch in diesem Jahr alle: die Politikerin Claire Debella (Kathryn Hahn), Brons Chef-Wissenschaftler Lionel Touissant (Leslie Odom Jr.), Influencer Duke Cody (Dave Bautista) samt Freundin Whiskey (Madelyn Cline) und Mode-It-Girl Birdie Jay (Kate Hudson) samt Assistentin Peg (Jessica Henwick).

    Doch zwei Gäste sorgen für Staunen: Gekommen ist auch Andi Brand (Janelle Monáe), die jüngst von Miles aus der gemeinsamen Firma gedrängt wurde – und zwar auf ganz hässliche Weise. Und vor Ort ist der berühmte Meisterdetektiv Benoit Blanc (Daniel Craig), dessen Anwesenheit sich alle erst einmal damit erklären, dass Miles in diesem Jahr ein Krimi-Spiel veranstalten will. Doch aus der zum Spaß inszenierten Mördersuche wird bald bitterer Ernst, als es wirklich einen Toten gibt. Einmal mehr ist das Talent von Benoit Blanc gefragt, das Rätsel zu lösen, bevor weitere Tote folgen. Während er die gläserne Zwiebel schält, kommen Schicht für Schicht immer neue Geheimnisse ans Licht...

    Ein noch größeres Superstar-Schaulaufen

    Natürlich sollte man bei solchen Mordrätsel-Geschichten im Vorfeld nicht zu viel wissen, um auch ja gemeinsam mit Benoit Blanc an der Lösung des oder sogar der Rätsel tüfteln zu können. Und auch wenn das etwas einfacher als noch bei „Knives Out“ ist, man bei genauem Hinsehen sogar sehr früh die Identität des Mörders oder der Mörderin entschlüsseln kann, reißt der Spaß nicht ab. Dafür sorgt auch ein cleverer Twist im Verlauf des Films, der das bisherige Geschehen noch einmal in einem völlig neuen Licht beleuchtet – aber auch das wahre Superstar-Schaulaufen, das weit über den eigentlich im Mittelpunkt stehenden Cast hinausgeht.

    Mit der Popularität des ersten Teils im Rücken waren sehr viele Prominente bereit, für einen kurzen Moment mitzumischen. Und auch wenn einige der Cameo-Auftritte im Vorfeld durchgesickert sind und enthüllt wurden, versprechen wir euch, dass das „Wie“ dann trotzdem überraschend wird. Dies betrifft nicht nur die clever platzierten Darbietungen von Johnsons Stammschauspielern Noah Segan und Joseph Gordon-Levitt (die man enthüllen darf, weil sie bekanntlich ohnehin in jedem seiner Filme dabei sind), sondern wie der Regisseur zum Beispiel auch die Corona-Pandemie und einen sehr populären Zeitvertreib einsetzt, dem viele von uns auch in den ersten Monaten nachgegangen sind.

    Selbst Miles Bron scheint überrascht, wer alles seiner Einladung gefolgt ist.

    Schon „Knives Out“ war mit vielen verhandelten Themen hochaktuell, „Glass Onion“ ist es nun erst recht – aber Johnson wiederholt sich dabei nicht. Ihm fallen nicht nur inhaltlich neue Dinge und andere satirische Spitzen ein – auch wenn er dieses Mal deutlich stärker in eine Richtung austeilt und vor allem die Reichen und Mächtigen aufs Korn nimmt. Auch der Aufbau unterscheidet sich komplett von dem des Vorgängers, der hauptsächlich aus Interviews mit den Verdächtigen bestand.

    Auch ohne die Verhöre von Benoit Blanc gibt es viel Raum für bissige Dialoge und noch mehr Humor – oftmals auch verbunden mit Popkultur-Zitaten aus den unterschiedlichsten Bereichen, die in fortlaufender Tour abgefeuert werden. Dass die Zusammensetzung der erneut aus sehr überzeichneten Figuren bestehenden Gruppe dieses Mal zu Beginn ein wenig unglaubwürdiger ist, schadet kaum. Im ersten Teil war es eine Familie, da war es logisch, dass so viele gegensätzliche Menschen verbunden sind. Dieses Mal darf man sich schon fragen, wie eine liberale Politikerin, ein volltätowierter, laufend seine Pistole schwingender Männerrechte-Influencer und eine mit antisemitischen Twitter-Posts Shitstorms provozierende Modeherstellerin nur eine Freundes-Clique sein können.

    Wir wollen noch mehr Benoit Blanc

    Aber zum einen greift der Film dieses „Problem“ dann gekonnt selbst auf und zum anderen macht es der durch und durch spielfreudige Cast einem denkbar einfach, darüber hinwegzusehen. Das gilt natürlich auch für Daniel Craig, der mit einem dieses Mal extra breiten und mehr als nur an der Lächerlichkeit kratzenden Südstaaten-Akzent (unbedingt im Original schauen!) mal wieder so richtig in die Vollen geht. Nach nur zwei Auftritten ist sein Benoit Blanc bereits auf dem besten Weg in den Olymp der Kult-Ermittler*innen um Jane Marple und Hercule Poirot aufzusteigen. Wir sind auf jeden Fall gespannt auf seinen dritten Fall und was Rian Johnson hier für ein neuer Ansatz einfällt.

    Fazit: Nach „Knives Out“ vermeidet es Rian Johnson, sich zu wiederholen, sondern liefert uns mit „Glass Onion: A Knives Out Mystery“ frische Krimi-Unterhaltung, die in erster Linie Spaß macht.

    Möchtest Du weitere Kritiken ansehen?
    Das könnte dich auch interessieren
    Back to Top