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    Role Play
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Role Play

    John Wick im Familienstress

    Von Christoph Petersen

    In der ersten Szene von Thomas Vincents „Role Play“ schaltet die Familienmutter und Auftragskillerin Emma Brackett (Kaley Cuoco) ihre Zielperson in Rio de Janeiro aus – und zwar beim Vorbeigehen hinter einem Pfeiler. Natürlich soll das zeigen, wie effizient und unauffällig sie als Vollprofi agiert – aber dass die Tat selbst nicht gezeigt wird, deutet bereits zwei zentrale Probleme der actiongespickten Verwechslungs-Komödie an: Zum einen tut der Film alles, damit das Publikum Emma ihren „Job“ nicht allzu krummnimmt – die Sympathien sollen trotz des Ausschaltens argloser Gewerkschaftsführer immer klar auf ihrer Seite bleiben, für echte Ambivalenzen ist „Role Play“ schlichtweg viel zu harmlos.

    Zum anderen nimmt man Kaley Cuoco den Part als weibliche Antwort auf John Wick bis zum Schluss nicht wirklich ab. Das liegt allerdings weniger an ihr selbst, sondern vor allem am Skript von Seth W. Owen („Morgan“) und der Inszenierung der Actionszenen: Wenn Emma heimlich ein Gift verabreicht, das zwar erst nach einer halben Stunde zu wirken beginnt, dann aber handgestoppt auf die Millisekunde genau das Opfer ausschaltet, dann ist das nicht clever, sondern Unfug – und beim Prügeln durch einen Kreuzberger Club bis hinein in die U-Bahn-Station Kottbusser Tor ist die Action so zerschnitten, dass der Impact trotz einer durchaus vorhandenen körperlichen Präsenz des „The Big Bang Theory“-Stars arg überschaubar bleibt.

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    Schatz, wir müssen reden! Emma (Kaley Cuoco) macht ihrem Mann ein Geständnis der etwas anderen Art.

    Sehr viel überzeugender sind da schon die Probleme nach der Rückkehr vom den Film eröffnenden Auftragsmord in Brasilien: Am Frühstückstisch will Sohn Wyatt (Regan Bryan-Gudgeon) keine Häschenohren an seinem Pfannkuchen und dann vergisst Emma zwischen all ihren „Geschäfts“-Reisen auch noch ihren siebten Hochzeitstag. Es ist also höchste Zeit, an ihrer Beziehung mit dem nichts von ihrer wahren Identität ahnenden Dave (David Oyelowo) zu arbeiten – und zwar mit Hilfe eines Rollenspiels: Das Ehepaar verabredet sich für ein Date in einem Luxushotel, wo sie sich als Fremde ausgeben, um ihrem gemeinsamen (Sex-)Leben hoffentlich wieder neuen Pep zu verleihen.

    Allerdings wird Emma an der Bar zunächst einmal von dem deutlich älteren Finanz-Charmeur Bob (Bill Nighy) angebaggert. Dass der leicht verspätete Dave deshalb zunächst einmal einen unerwartet hartnäckigen Konkurrenten vertreiben muss, ist allerdings noch das kleinste Problem: Der vermeintliche Salonlöwe ist in Wahrheit nämlich ebenfalls ein Auftragskiller, der Emma trotz Perücke erkannt hat und nun das auf sie ausgesetzte Kopfgeld kassieren will. Am nächsten Tag wird Bob tot in seinem Hotelzimmer gefunden – und die Ermittlungen führen schnell zu dem mysteriösen Paar, das sich unter offensichtlich falscher Identität an der Bar mit dem Ermordeten unterhalten hat…

    Ein vielversprechender Auftakt

    Die Chemie zwischen Kaley Cuoco („The Flight Attendant“) und David Oyelowo („See How They Run“) stimmt von der ersten Szene an – und wenn dann auch noch Bill Nighy dazwischenfunkt, freut man sich direkt auf das clevere Verwechslungs-Spiel, das sich da für die nächsten 90 Minuten ankündigt: Der aufdringliche Bob lässt in seine zwischen charmant und schmierig mäandernden Anmachsprüche erst ganz subtile und dann immer offensichtlichere Anspielungen auf das Auftragskillergeschäft einfließen – das macht einfach Laune, zumal der „Tatsächlich… Liebe“-Star dabei mit ansteckender Spielfreude agiert. Aber mit Bobs Ableben …

    … ist es mit der Cleverness auch schon wieder vorbei. Stattdessen entpuppt sich der Plot von „Role Play“ als alter Bekannter, den wir quasi genauso erst vor wenigen Wochen in der für Apple TV+ produzierten Mark-Wahlberg-Action-Komödie „The Family Plan“ gesehen haben: Emma muss sich plötzlich gegen eine offenbar weltweit agierende Auftragskiller-Organisation und damit auch ihre alte Lehrmeisterin (Connie Nielsen, „Wonder Woman“) zur Wehr setzen – und zwar in Berlin und Umgebung, wobei Thomas Vincent und sein Location-Scouting-Team erfreulicherweise auf weniger ausgelutschte Orte wie die Max und Moritz Bar in Neukölln statt die üblichen Touri-Spots in Berlin Mitte setzen.

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    „Tatsächlich… Liebe“-Star Bill Nighy sorgt mit seinem Kurzauftritt für die mit Abstand beste Sequenz des Films.

    Mit dem Plot-Wechsel weg vom komödiantisch angehauchten Verwechslungs-Thriller hin zum geradlinigen Action-Vehikel verliert „Role Play“ viel von seinem Reiz. Die „ernsthaften“ Ehegespräche, in denen Dave irgendwie mit der offenbarten Identität seiner Frau klarkommen muss, lassen einen emotional schon deshalb kalt, weil die Prämisse viel zu überkonstruiert ist, um sie tatsächlich für voll zu nehmen. Ähnliches gilt für die Bedrohungslage: Spätestens wenn eine vorgebliche Profimörderin vorzeitig einen offensichtlich gefakten Kill bestätigt, indem sie mal kurz aus 30 Meter in die Richtung des vermeintlich Toten guckt, löst sich die Illusion einer ach so mächtigen Geheimorganisation in Luft auf. Zumal die ohnehin rar gesäten Actioneinschübe nicht nur erstaunlich kurz sind, sondern darüber hinaus auch keinerlei bleibenden Eindruck hinterlassen.

    Fazit: Das Drehbuch ist nicht wirklich clever, die Action nicht sonderlich spektakulär – aber die Chemie zwischen Kaley Cuoco und David Oyelowo rettet dieses aus dem Ruder gelaufene Rollenspiel zumindest über die Ziellinie.

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