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    Me Time
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    Me Time

    Netflix‘ "Hangover", aber ohne Filmriss, Glanz oder Chemie

    Von Sidney Schering

    Hollywood liebt sie: Geschichten über bisher vollkommen durchschnittliche, ja geradezu unauffällige Männer, die es dann aber ausnahmsweise mal so richtig krachen lassen. Aus dieser Prämisse wurden bereits zahlreiche Komödien gesponnen, von hart und derb wie in der ausgelassen-wilden Filmrisskomödie „Hangover“ bis sanft und warmherzig wie in „Trauzeuge gesucht!“. In letzterem erzählt Regisseur und Autor John Hamburg die Geschichte eines schüchtern-vernünftigen Frauenverstehers (Paul Rudd), der kurz vor seiner Hochzeit dringend einen Freund sucht, der als Trauzeuge fungiert und seine freimütige Seite hervorbringt.

    Hamburgs neuster Film klingt auf dem Papier so, als würde er nun seinen eigenen Film „Trauzeuge gesucht!“ einfach nur mit einer Extraportion „Hangover“ aufpeppen: Denn in seiner Netflix-Komödie „Me Time“ dreht sich alles um einen vergnügungsscheuen Pantoffelhelden, der von seinem ehemaligen besten Freund dazu gebracht wird, ohne Rücksicht auf Verluste zu feiern – inklusive Promi-Begegnung, tierischem Chaos und omnipräsenter Lebensgefahr. Doch statt qualitativ an seine Vorbilder anzuknüpfen, rattert Hamburg eine Fließbandkomödie herunter, die allein schon deshalb nicht recht in die Puschen kommt, weil zwischen den Hauptdarstellern Kevin Hart und Mark Wahlberg einfach keinerlei komödiantischen Funken sprühen.

    Sonny Fisher (Kevin Hart) ist seiner Frau Maya (Regina Hall) treu ergeben. Trotzdem sind alle der Meinung, dass er sich auch mal wieder mehr Zeit für sich selbst nehmen sollte …

    Zum ersten Mal seit Jahren bekommt Sonny Fisher (Kevin Hart) eine Auszeit von seiner Frau Maya (Regina Hall) und den gemeinsamen Kindern. Er beteuert zwar, das gar nicht nötig zu haben, doch alle um ihn herum sehen das anders. Sie beknien den Hausmann geradezu, mal an sich zu denken, sowie an seinen früheren besten Freund Huck Dembo (Mark Wahlberg). Erfolgreich von seiner Familie bequatscht, lässt sich Sonny auf eine sturmfreie Woche ein, will sie aber zunächst sachte angehen. Aber Barbecue und Golfplatz sind dann doch ziemlich langweilig. Also schließt sich Sonny kurzerhand Hucks durchgeknalltem Geburtstagswochenende an...

    Mal so, mal so – wie es gerade passt…

    Zwischen inkohärent-beliebiger und facettenreicher Charakterzeichnung verläuft ein schmaler, jedoch entscheidender Grat: Kevin Hart („Jumanji: Willkommen im Dschungel“) spielt Sonny vornehmlich als spaßbefreiten Duckmäuser. Trotz aller Ermutigungen seiner Ehefrau scheut sich Sonny davor, mal an sich zu denken, geschweige denn sich mit Partyhengst und Kindskopf Huck zu treffen. Er liest am Frühstückstisch seinen Kindern jeden Wunsch von den Lippen ab und er nimmt zähneknirschend jede Lästerei aus der Elterngruppe hin.

    Auf der anderen Seite ist Sonny eifersüchtig und wird in den zahlreichen Schulkomitees, in denen er sitzt, zum Tyrann, der sich redlich abmühende Kinder aus der Talentshow kickt, weil er sie nicht gut genug findet. Ganz zu schweigen davon, dass er seinen Sohn andauernd zu Keyboardübungen verdonnert, obwohl dieser gar kein Interesse an dem Instrument hat, sondern Stand-up-Comedian werden will. In einem gelungenen Film würden aus diesen verschiedenen Seiten Reibung und Konflikte oder zumindest der eine oder andere Gag entstehen …

    … in „Me Time“ erfolgt jedoch nichts dergleichen. Weder arbeitet Hamburg auf ein charakterliches Wachstum hin, noch legt er Figuren gewitzte Reaktionen auf diese Unstimmigkeiten in den Mund. Hart spielt auch den grantigen, Vorschriften machenden Sonny einfach stur weiter im Waschlappenmodus – und wenn Hart dann doch mal eine andere Seite zeigt, geschieht das völlig aus dem Nichts. Als hätte er am Set spontan beschlossen, es mal anders zu versuchen, oder wären Hamburg und seine Cutterin Melissa Bretherton im Schnitt auf die Idee gekommen, die verwendeten Takes einfach auszuwürfeln.

    … und da kommt dann sein vollkommen wahnsinniger bester Freund aus früheren Tagen Huck Dembo (Mark Wahlberg) ins Spiel!

    Schlechte Ausgangsbedingungen für einen Film, der darauf fußt, sowohl Sonny ein paar wilde Gute-Laune-Tage zu gönnen, als auch darüber zu lachen, wie er so lange in Fettnäpfchen tritt, bis er zum besseren Menschen wird. Konsequenz dessen ist, dass in „Me Time“ sehr viele komödiantisch gedachte Szenen rund um Sonnys schlechte Angewohnheiten so zu einem unmotivierten Grundrauschen verkommen. Es sind daher zumeist kleine, inkonsequentere Augenblicke, in denen der Witz zündet. Wenn Sonny beispielsweise ältere Damen nett lächelnd in riskante Golfwetten reinquatscht oder im Umgang mit einem knuffigen Wildkatzenbaby in Sekundenschnelle von Verzauberung zu comic-artiger Panik wechselt. Dabei entsteht zwar auch kein Comedy-Gold, aber Harts routiniertes Timing sorgt zumindest für ein paar Schmunzler.

    Umso ernüchternder ist, dass zwischen ihm und Mark Wahlberg („Uncharted“) überhaupt keine Chemie entsteht. Und das, obwohl Wahlberg mit Filmen wie den beiden „Daddy's Home“-Teilen bereits bewiesen hat, sich bestens auf Schnellfeuer-Chaoskomiker einlassen zu können. Doch so überzeugend und gewitzt er die Hassliebe zu seinem Co-Dad Will Ferrell ausgedrückt hat, so blass gerät seine Filmfreundschaft zu Kevin Hart. Das zieht insbesondere das letzte Filmdrittel runter, das den vorherigen Trubel weitestgehend ausblendet, um sich darauf zu konzentrieren, Huck und Sonny dabei zu zeigen, wie sie ihre Freundschaft ernsthafter vertiefen.

    Mark Wahlberg sorgt zumindest solo für ein paar Lacher

    Wenn Wahlberg mit Gags punktet, dann weitestgehend im Alleingang, etwa wenn er als Betonkopf Huck im stolzen Brudi-Tonfall betont, bald einen echt wichtigen Geburtstag zu feiern (es ist der 44.) oder wenige Minuten nach einem Gespräch über seine Geldprobleme anfängt, mit seinen Ausgaben zu prahlen. Raffinierter Humor sieht anders aus, doch aus Wahlbergs Mund sind solche Dialoge auf ebenso unerklärliche wie verlässliche Weise komisch. Das hilft jedoch kaum, wenn die an „Hangover“ angelehnten Eskapaden rund um Schildkrötendiebstahl oder mit Flammenwerfern durchgeführte Schuldeneintreibungen weder inszenatorisch Pepp mitbringen, noch die Figuren selbst so wirken, als wären sie sonderlich investiert.

    Als Höhepunkt sticht eine Racheaktion an Mayas säuselndem Auftraggeber Armando (Luis Gerardo Méndez) aus der Monotonie hervor. Die Szene führt vor, wie „Me Time“ hätte funktionieren können: Von Huck angestachelt, will Sonny Armandos Haus verwüsten – begnügt sich in seiner gutmütigen, verklemmten Art jedoch vornehmlich mit Aktionen wie dem Wegwerfen von Gewürzen. Es ist tumb-froher Humor, der konsequent aus diesen Figuren entwächst und von Hamburg solide inszeniert wird. Wäre „Me Time“ bloß häufiger so, statt wiederholt in eine regelrecht ansteckende Lustlosigkeit zu verfallen. Es ist glatt so, als bräuchte der Film selbst ein Wochenende mit einem exzentrischen Freund.

    Fazit: „Me Time“ wirkt oft derart lustlos, dass man dem Film selbst am liebsten ein Wochenende mit einem exzentrischen Kumpel ans Herz legen würden.

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