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    Colors - Farben der Gewalt
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Colors - Farben der Gewalt
    Von Andreas Staben

    Am 29. Mai 2010 verstarb der Schauspieler, Regisseur und Künstler Dennis Hopper. In den Nachrufen und Rückblicken auf seine mehr als fünfzig Jahre währende Karriere spielte der New-Hollyood-Kultfilm „Easy Rider" von 1969 natürlich eine prominente Rolle, schließlich ist das Road Movie bis heute Hoppers berühmtestes Werk und begründete wesentlich seinen Ruf als Rebell und Außenseiter. Während der Schauspieler Hopper mehrere Comebacks feierte und mit prägnanten Nebenrollen gut im Geschäft blieb, konnte und durfte der Regisseur, der mit „Easy Rider" seinen Einstand gegeben hatte, seine beachtlichen Fähigkeiten nur noch selten zeigen. Insgesamt finden sich nur acht Regiearbeiten in Hoppers Filmographie, darunter ein Achtminüter. Bei „Catchfire" zog er zudem wegen der sprichwörtlichen „kreativen Differenzen" seinen Namen zurück. Zwei Jahre vor diesem unglückseligen Projekt stellte Hopper 1988 dagegen unter Beweis, dass er auch innerhalb der Konventionen des Genrekinos individuelle Akzente zu setzen wusste. In seinem auch durch die hervorragenden Darstellerleistungen bestechenden Cop-Drama „Colors - Farben der Gewalt" widmet sich Hopper auf originelle Weise dem schwierigen Thema der Gang-Gewalt.

    Bob Hodges (Robert Duvall) ist ein altgedienter Officer bei C.R.A.S.H., der Spezialeinheit des Los Angeles Police Department zur Bekämpfung der Gang-Kriminalität. Kurz vor der Pensionierung wird dem besonnenen Cop mit dem jungen Danny McGavin (Sean Penn) ein neuer Partner zugeteilt. Schon bald gerät das ungleiche Paar bei der Arbeit auf der Straße aneinander. Während Hodges auf Dialog und Verständigung mit den Gangmitgliedern setzt, würde Danny am liebsten jeden Gauner sofort einlochen. Mehr als einmal droht die Situation zu eskalieren und auch Dannys Romanze mit der Latina Louisa (Maria Conchita Alonso) steht unter keinem guten Stern.

    „Colors" beginnt mit einer Texteinblendung, die mit drastischen Zahlen ein Problem umreißt, das zur Entstehungszeit des Films noch nicht fest im kollektiven Bewusstsein verankert war: Im Großraum Los Angeles gab es damals über 600 Straßengangs mit insgesamt mehr als 70.000 Mitgliedern, eine explosive Situation, die statistisch pro Tag mindestens ein Todesopfer forderte. Die Polizei steht rein zahlenmäßig schon vor einer fast aussichtslosen Situation. „Colors" ist einer der ersten Filme zum Thema, das mit Werken wie „Menace II Society", „Boyz N The Hood" oder „Blood In, Blood Out" erst in den folgenden Jahren fest ins Repertoire der Produzenten Einzug hielt. Hopper versucht sich nicht an einer soziopolitischen Analyse, sondern entwirft mit seinen langen Kamerafahrten und mit beeindruckenden Hubschrauberaufnahmen die Topographie eines gescheiterten Gemeinwesens. Die von der Kriminalität gleichsam infizierten Viertel sind oft nur durch eine Straße oder eine Brücke von den besseren Gegenden getrennt. Das Virus zeigt sich durch die titelgebenden Farben, die die einzelnen Gangs kennzeichnen und auf Mauern gesprüht deren Territorium markieren.

    Die Zeichen und Codes dieser Parallelwelt fängt Hopper auf fast dokumentarische Weise ein, ohne dabei in zwei Stunden die Dichte und die Vielschichtigkeit der bahnbrechenden Fernsehserie „The Wire" erreichen zu können. Aber auch wenn nicht alles im einzelnen erklärt wird, der Teufelskreis von Drogen, Gewalt, ethnischen Spannungen, Gruppendruck und sozialer Not gewinnt doch spürbare Präsenz. Dazu tragen vor allem die bis in kleinste Rollen hinein sorgfältig ausgewählten Darsteller bei - unter ihnen Don Cheadle als Rocket, Damon Wayans als T-Bone und Trinidad Silva als Frog. Und während der synthesizergesättigte Score von Herbie Hancock nicht sehr gut gealtert ist, bringt der zornige Titelsong von Ice-T die Ausweglosigkeit auch musikalisch auf den Punkt.

    Wenn Sean Penns heißsporniger und noch unerfahrener Officer einen Gesuchten nach einer Verfolgungsjagd durch die Frontscheibe eines gut besuchten Restaurants katapultiert, dann ist das ein treffendes Bild für den Einbruch der gewalttätigen Realität in den Alltag, Hopper überhöht solche Momente stilistisch durch den Einsatz von Zeitlupen, ungewohnter Blickwinkel oder auffälliger Montagerhythmen immer wieder. Er durchbricht damit bewusst die reine Spannungsdynamik handelsüblicher Thriller, dem entspricht auch die sehr lose aneinander gefügte Handlung. Genausowenig stört er sich an der fast klischeehaften Konstellation der Paarung eines alten erfahrenen Polizisten mit einem temperamentvollen und ungeduldigen Anfänger, vielmehr nutzt er sie, um zu zeigen, dass die Probleme ganz unabhängig von Temperaments- und Strategiefragen kaum noch zu lösen sind – auch die Polizisten sind in dem Teufelskreis gefangen.

    Es sind Sean Penn und Robert Duvall, die dafür sorgen, dass der Film durch Hoppers stilistische Herangehensweise nicht zu sehr ins Abstrakte abgleitet. Mit kaum kontrollierter Aggressivität, einer gehörigen Prise Eitelkeit und entwaffnender Direktheit ist Penn auch darstellerisch der ideale Gegenpart zu Duvall, der große Abgeklärtheit an den Tag legt und gleichzeitig Müdigkeit sowie eine Spur Desillusionierung zum Ausdruck bringt. Eine souveräne Leistung, wie wir sie von dem Veteranen schon aus Klassikern wie „Der Pate" und „Apocalypse Now" gewohnt sind. In Francis Ford Coppolas Vietnam-Epos trat übrigens auch Dennis Hopper auf, der in „Colors" auf ein eigenes Mitwirken als Darsteller verzichtet. Dafür entlockt er Sean Penn, der mit seinem Image als Bad boy fast so etwas wie ein Erbe des jungen Dennis Hopper war, eine auch heute noch beeindruckende Intensität und Konzentration. Hauptdarsteller und Regisseur haben sich spürbar hervorragend verstanden, und es verwundert nicht, dass Hopper im Gegenzug eine Rolle in Penns Regiedebüt „Indian Runner" übernahm.

    Dennis Hoppers Vielfachbegabung verstellt häufig den Blick auf seine Qualitäten als Regisseur. Leider konnte er diese im Verlauf seiner langen Laufbahn selten ganz entfalten, mit „Colors" zeigt er aber nachdrücklich, was alles noch möglich gewesen wäre. Das auch thematisch hochinteressante Drama zeigt nicht nur sein feines Gespür für die Arbeit mit den Schauspielern, sondern offenbart auch den individuellen Gestaltungswillen des oft unterschätzten Filmemachers.

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