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    Know1ng - Die Zukunft endet jetzt
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    Know1ng - Die Zukunft endet jetzt
    Von Julian Unkel

    Fast fünf Jahre hat es gedauert, bis Alex Proyas nach seinem bisher größten Kassenerfolg I, Robot nun einen neuen Film nachlegt. Der gebürtige Ägypter, dessen düstere Werke The Crow und Dark City unter Fans Kultstatus besitzen, vermischt in „Knowing“ erneut eine Thrillerhandlung mit Mystery- und Science-Fiction-Elementen. Das große Potenzial der Ausgangsidee kann Proyas aber - wie auch schon in „I, Robot“ - nur bedingt nutzen. Erschwerend kommt hinzu, dass auch sein inszenatorisches Talent erst gegen Ende durchscheint, dann aber von einer denkbar unbefriedigenden Auflösung überdeckt wird.

    1959 malen Schüler zur Einweihung einer Grundschule Bilder davon, wie sie sich die Zukunft vorstellen. Anschließend werden diese in einer Zeitkapsel im Boden vergraben. Ein halbes Jahrhundert später wird die Kapsel wieder geborgen und die Bilder unter den heutigen Schülern verteilt. Während die anderen bunte Zeichnungen von Raumschiffen bekommen, befinden sich auf dem Papier von Caleb Koestler (Chandler Canterbury) nur langweilige Zahlenreihen. Calebs alleinerziehender Vater, der Astrophysikprofessor John (Nicolas Cage), erkennt jedoch bald ein Muster in den nur scheinbar willkürlichen Zahlenfolgen: Präzise gibt das Papier Datum, Ort und Opferzahl von Naturkatastrophen, Terroranschlägen und größeren Unfällen der vergangenen fünfzig Jahre an – und prophezeit noch drei weitere Katastrophen, die innerhalb der nächsten Wochen geschehen sollen. Zusammen mit Diane Wayland (Rose Byrne), der Tochter des Mädchens, das die Zahlenreihen vor fünf Dekaden zu Papier gebracht hat, versucht John, die noch ausstehenden Katastrophen zu verhindern…

    Wer das Actionkino der vergangenen Jahre verfolgt hat, den wird beim Lesen der Story von „Knowing“ wohl das ein oder andere Déjà Vu ereilen. Hat in Next nicht sogar Nicolas Cage höchstpersönlich schon einmal in der Zukunft liegende Ereignisse vorhergesehen und versucht, diese aufzuhalten? Trotz der ähnlichen Ausgangssituation hat „Knowing“ aber wenig mit den genannten Filmen gemein und wird von Proyas in eine gänzlich andere Richtung getrieben. Schon früh führt der Film eine geheimnisvolle Gruppe von bleichen, anzugtragenden Männern ein, die offenbar in spezieller Verbindung sowohl zur Verfasserin des Zahlencodes als auch zu Cages Filmsohn Caleb stehen. Von Beginn an fügt Proyas seinem Film so eine starke Mystery-Komponente bei, die vor allem gegen Ende immer stärker in den Vordergrund drängt. Als prophetisch erwies sich übrigens auch der Film selbst: Caleb sieht in einer Vision, wie sich ein riesiges Buschfeuer auf sein Elternhaus zubewegt. Gedreht wurde „Knowing“ in Melbourne, das als Double für Boston herhalten musste und erst im Februar 2009 von verheerenden Waldbränden heimgesucht wurde.

    Abgesehen von den eingestreuten Mystery-Aspekten bewegt sich „Knowing“ zunächst in recht vorhersehbaren Bahnen. Johns Theorie, dass das Stück Papier tatsächlich Katastrophen voraussagt, wird anfangs von allen Seiten mit Ungläubigkeit begegnet. Erst als die ersten beiden Voraussagen tatsächlich eintreten, sind die Zweifler überzeugt. Diese Unglücke stellen dann auch jeweils den Höhepunkt des ersten beziehungsweise zweiten Drittels dar – oder sollten es zumindest. Denn bei der ersten Katastrophe, einem Flugzeugabsturz, scheitert dies an der schwachen Inszenierung. Proyas versucht sich - im Stile der grandiosen Plansequenz in Children Of Men - an einer in einem einzigen Take gedrehten Szene, die neben dem Absturz des Flugzeugs direkt neben einem Highway auch noch die ersten Rettungsmaßnahmen beinhaltet. Wo es in „Children Of Men“ jedoch das beeindruckende Resultat wochenlanger Proben zu bestaunen gab, erreicht Proyas sein Ziel nur durch massiven Einsatz von CGI-Effekten, denen man ihre Computerherkunft aber allzu deutlich ansieht. Die zweite Katastrophe kommt im Vergleich ungemein packender daher, obwohl auch hier die Effekte nicht State-of-the-Art sind.

    Im letzten Drittel schlägt „Knowing“ dann einen deutlich grimmigeren Ton an, den man von einer Hollywood-Produktion dieser Größenordnung wohl nicht erwartet hätte. Proyas, der von seinen Fans gerade für seine düsteren und beklemmenden Bilder geschätzt wird, spielt hier sein Talent endlich aus und erschafft eine packende Atmosphäre, aufgrund deren Ausweglosigkeit auch die Spannung in die Höhe schnellt. Es sind diese hoffnungslosen, apokalyptischen Szenen, die die eindeutig stärksten Momente des Films ausmachen.

    Es folgt eine Auflösung, die die Gemüter spalten wird. Achtung: Spoiler! Es ist löblich, dass Proyas der Geschichte ein eindeutiges Happy-End verweigert und auch inszenatorisch erreicht die finale Katastrophe, getragen von einer klassischen Musikuntermalung, ein hohes Niveau. Was hinter der Prophezeiung und den geheimnisvollen Männern steckt, wird jedoch stark polarisieren – wer schon mit dem Schlussakt von Indiana Jones und das Königreich des Kristallschädels seine Probleme hatte, wird auch an der Auflösung von „Knowing“ kaum Gefallen finden. Spoiler: Ende! Das größte Problem des Finales liegt aber woanders: Der gleiche Ausgang wäre auch eingetreten, wenn die vorangegangene Filmhandlung nicht stattgefunden hätte. Die gesamte Geschichte verkommt so zum reinen Selbstzweck, die einzelnen Mystery-Elemente wie eben die geheimnisvolle Vorhersage sind nicht mehr als bloße Drehbuch-Gimmicks, die für die Auflösung von keinerlei Bedeutung sind.

    Ein weiterer Punkt, der für Diskussionen sorgen wird, ist die teils sehr plakative religiöse Symbolik, die Proyas in seine Bilder stopft. Besonders ärgerlich ist das in der Schlussszene, die sich eines der bekanntesten Motive des Alten Testaments bedient und diese Metaphorik per Holzhammermethode verabreicht. Gekoppelt mit der Wandlung von Johns Charakter, dessen verbittertes, nihilistisches Weltbild durch die eintretenden Ereignisse verkehrt wird und der sich am Ende auf klassische Familienwerte zurückbesinnt, wird man das Gefühl nicht los, dass dem Zuschauer hier bestimmte christliche Normen ohne Rücksicht auf Verluste eingetrichtert werden sollen.

    Die Karriere von Nicolas Cage ist ein ständiges Auf und Ab. Zwischen seiner oscargekrönten Leistung als depressiver Alkoholiker in Leaving Las Vegas und seiner die Grenze zum Overacting weit überschreitenden Darbietung in The Wicker Man, die bisweilen so unfreiwillig komisch ausfiel, dass sich auf YouTube sogar einige Best-Of-Zusammenschnitte finden, hat er das gesamte Qualitätsspektrum von überragend bis grauenhaft abgedeckt. Für seine jüngeren Auftritte in Bangkok Dangerous und „Next“ heimste Cage nur wenig Lob ein. In „Knowing“ agiert Cage nun wieder deutlich zurückhaltender, vielmehr als besorgtes Dreinblicken wird von ihm hier jedoch auch selten gefordert. Eine grundsolide Leistung, die weder besonders heraussticht, noch nach großen Beanstandungen verlangt. Die Australierin Rose Byrne (Sunshine) reißt ihre nicht gerade spektakuläre Rolle als besorgte Mutter ohne zu glänzen runter. Eine kleine Entdeckung des Films ist lediglich der zehnjährige Chandler Canterbury, der nach seinem Auftritt in den Schlussminuten von Der seltsame Fall des Benjamin Button auch seine erste größere Rolle überzeugend meistert.

    Letzten Endes hängt der Unterhaltungswert von „Knowing“ stark davon ab, wie viel Gewicht man der misslungenen Auflösung beimisst. Davor bietet Proyas einen Mystery-Thriller, der nur langsam in Fahrt kommt, unter einigen schwachen Effekten leidet und erst im letzten Drittel richtig anzieht. Gemessen an der interessanten Ausgangsidee und Proyas‘ visuellem Talent ist „Knowing“ damit eine herbe Enttäuschung.

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