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    Dieser Film war 40 (!) Jahre in der Entwicklung: Wir sprechen mit "Hostel"-Macher Eli Roth über seinen neuen Schocker "Thanksgiving"
    Stefan Geisler
    Stefan Geisler
    -Redakteur
    "Tanz der Teufel 2" und ein manisch-lachender Bruce Campbell haben Stefans Horror-Herz gestohlen. Seitdem kann er nicht mehr ohne: "Der Babadook", "Halloween" und "The Lords of Salem" - Horrorfilme gehören für Stefan einfach zu einem guten Filmabend.

    Am 16. November 2023 ist mit „Thanksgiving“ Eli Roths neuer Horrorfilm in den Kinos angelaufen. Wir haben mit dem Regisseur im virtuellen Interview über sein Werk, seine Horror-Vorbilder und den Black-Friday-Wahnsinn gesprochen.

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    Am heutigen 16. November 2023 ist mit „Thanksgiving“ der neue Film des „Hostel“-Regisseurs Eli Roth in unseren Kinos gestartet. Wobei neu eigentlich in Klammern gesetzt werden muss, denn der erste Trailer zum Film wurde bereits vor 16 Jahren im Rahmen des Tarantino-Rodriguez-„Grindhouse“-Doppelfeatures gezeigt. Damals konnten sich B-Movie-affine Zuschauer*innen „Death Proof“ und „Planet Terror“ direkt nacheinander anschauen. Und wie für ein echtes Kinoerlebnis dieser Art gehört, rundeten ein paar trashige Trailer das Filmerlebnis ab.

    Diese speziellen Fake-Trailer wurden dabei von namhaften Filmemachern wie Edgar Wright, Rob Zombie oder eben auch Eli Roth inszeniert – und mit „Machete“ und „Hobo With A Shotgun“ haben bereits zwei der Fake-Trailer eine Langfilm-Umsetzung erfahren. In diese Runde reiht sich jetzt auch Eli Roth ein, der in „Thanksgiving“ den Pilgervater John Carver auf eine blutige Rachetour durch eine verschlafene Kleinstadt schickt.

    FILMSTARTS-Redakteur Stefan Geisler hatte die Gelegenheit, mit dem Kult-Regisseur über dessen filmische Vorbilder, den Black-Friday-Wahn und die Angst vor Haustier-Kills in Horrorfilmen zu sprechen. Doch als erstes hat uns der Filmemacher verraten, dass sich der Film nicht erst seit 16, sondern bereits seit unglaublichen 40 (!) Jahren in der Entwicklung befindet...

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    Eli Roth im Gespräch mit FILMSTARTS-Redakteur Stefan Geisler

    FILMSTARTS: Natürlich muss ich zuerst die offensichtliche Frage stellen: Warum hat es 16 (!) JAHRE gedauert, bis aus dem „Thanksgiving“-Fake-Trailer ein Spielfilm wurde?

    Eli Roth: Es hat eigentlich noch viel länger gedauert. Mein bester Freund Jeff Randell und ich haben diese Idee entwickelt, als wir elf und zwölf Jahre alt waren. Wir sind in Massachusetts aufgewachsen, dem Geburtsort von Thanksgiving und es ist der größte Feiertag dort. Der Feiertag wird in der Schule behandelt und es gibt Theaterstücke, historische Erholungsdörfer und eine Parade.

    Zum damaligen Zeitpunkt hatte bereits jeder andere Feiertag einen Horrorfilm – außer Thanksgiving! Und als dann das Grindhouse-Doppelfeature geplant wurde und Quentin [Tarantino] und Robert [Rodriguez] uns fragten, ob wir Ideen für Fake-Trailer hätten, hatten wir alle Kills schon fertig: Der geköpfte Truthahn bei der Parade, der herumläuft wie ein Vogel mit abgeschnittenem Kopf oder jemand, der in einem Ofen gebraten und auf einem Tisch serviert wird wie ein menschlicher Truthahn. Und nachdem wir den Trailer gemacht hatten, dachten wir uns: „Großartig, jetzt müssen wir den Film nicht mehr machen, da wir den besten Teil davon schon umgesetzt hatten.“

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    Ein Killer heftet sich an die Fersen der Clique.

    Doch dann haben die Fans jahrelang immer wieder den Trailer gepostet und gefragt, warum ich den Film nicht mache. Und irgendwann habe ich mir die gleiche Frage gestellt. Jeff und ich haben dann versucht, eine Geschichte um den Fake-Trailer zu entwickeln. Schließlich haben wir die viralen Black-Friday-Videos gesehen, wo sich die Leute fast gegenseitig zu Tode trampeln und das war unser „Aha“-Moment. Es geht um die Weihnachts-Gier, die bereits auf diesen Feiertag überschwappt, bei dem es eigentlich um Dankbarkeit, Gesundheit und Familie gehen sollte. Doch stattdessen bringen sich die Leute gegenseitig für Flachbildfernseher um. Daraus haben wir dann eine Geschichte entwickelt.

    FILMSTARTS: „Thanksgiving“ fühlt sich fast an wie ein Teil der „Scream“-Reihe – nur mit mehr Blut und Gedärmen. War das von Anfang an der Plan?

    Eli Roth: Ich liebe die „Scream“-Filme. Ein anderer Film, den ich wirklich liebe, ist „Stumme Zeugin“ von Anthony Waller, der mich sehr beeinflusst hat. Wir haben ihn auf 35 mm gesehen, bevor wir „Thanksgiving“ gedreht haben. Wir haben uns noch andere Klassiker angeschaut: Lucio Fulcis „Das Haus an der Friedhofsmauer“, einen Kleinstadt-Horrorfilm aus Neu-England, Joseph Zitos „Die Forke des Todes“, also im Endeffekt alles, was sich nach Kleinstadt anfühlt.

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    Das Poster zu "Die Forke des Todes" wollen wir euch nicht vorenthalten.

    Und natürlich die Klassiker: „Halloween“ und „Black Christmas“. Ich wollte die Sprache der Slasher-Filme benutzen, aber gleichzeitig, dass der Film wie ein Feiertagsfilm aussieht. Also habe ich mir Bob Clarks „Fröhliche Weihnachten“ angeschaut. Oder auch „Porky’s“, ein farbenfroher, heller Highschool-Film. Ich wollte, dass das Diner an „Five Easy Pieces“ erinnert. Ich habe mich von Fellinis „Toby Dammit“ [Anm. d. Red.: Kurzfilm von Fellini] inspirieren lassen und habe den Darstellern „Betty Blue - 37,2 Grad am Morgen“ und „Atemlos vor Angst“ gezeigt. Du siehst, es sind viele Einflüsse und Ideen zusammengemixt worden. Ich wollte nicht, dass „Thanksgiving“ wie ein schmutziger Horrorfilm aussieht, sondern wie ein wunderschöner, verrückter Feiertagsfilm, trotz all der schrecklichen Dinge, die im Film passieren.

    FILMSTARTS: Jetzt muss ich dich aber noch nach deinem liebsten Feiertags-Horrorfilm fragen.

    Eli Roth: Ich liebe „Blutiger Valentinstag“, aber eigentlich „Muttertag“ – auch wenn der eigentlich gar nicht am Muttertag spielt. Jeff und ich waren total besessen von dem Film und haben ihn wahrscheinlich hunderte Male gesehen. Er hat definitiv alle meine Filme beeinflusst.

    FILMSTARTS: Warum bieten friedliche Familienfeiern so ein hohes Potenzial für Horrorfilme? Ich meine, ist es nicht schon Horror genug, wenn man als Familie zusammenkommt?

    Eli Roth: [lacht] Ja, das ist wirklich schrecklich. Deshalb wollte ich auch einen November-Horrorfilm machen, weil Horrorfilme immer nach Halloween enden. Der 1. November war für mich in meiner Jugend der traurigste Tag des Jahres, weil die Horrorfilme dann aus den Kinos verschwunden sind und im Rest des Jahres wurden nur noch Familien- und Weihnachtsfilme in den Sälen gezeigt. Ich konnte es nie erwarten, wieder in den Januar oder Februar zu kommen, wenn die Filme wieder gut wurden und man endlich wieder Blut und Gedärme sehen konnte. Ich glaube, dass du, wenn du deine Familie liebst, mit ihnen wunderbar in „Thanksgiving“ gehen kannst – und wenn du sie hasst, dann kannst du dir den Film anschauen, deinen Frust abbauen und dir die Seele aus dem Hals schreien.

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    John Carver sinnt auf blutige Rache.

    FILMSTARTS: Die Black-Friday-Szenen sind extrem verstörend, weil sie gar nicht so weit von der Realität entfernt sind. Braucht es nur ein reduziertes Waffeleisen, um das Monster im Menschen zu wecken?

    Eli Roth: Ja, es braucht nur das. Und wenn man sich auf YouTube Black-Friday-Videos anschaut, wird man genau das feststellen. Wir haben all diese Videos studiert und versucht, sie so wahrheitsgetreu wie möglich darzustellen und ein paar lustige und unterhaltsame Horrorfilmtodesfälle einzubauen.

    Aber es gibt eine dunkle Wahrheit: Nicht das Waffeleisen erweckt das Monster im Menschen, auch wenn ich glaube, dass es das manchmal tut. Es ist vielmehr so, dass die Menschen das Waffeleisen brauchen, weil die Gier der Spitzenverdiener so unermesslich ist, dass sie die Löhne niedrig halten. Da wir aber gleichzeitig eine Inflation haben, ist der Black-Friday-Sale für viele Menschen die einzige Möglichkeit, alles zu bekommen, was sie für ihre Kinder an Weihnachten brauchen. Wenn sie es an diesem Tag nicht kriegen, dann können sie es sich schlichtweg nicht leisten. Die Leute an der Spitze haben erfolgreich die Mittelklasse eliminiert.

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    Die Shoppingtour wird zum Höllenritt.

    Der Grund, warum die Black-Friday-Verkäufe so krank und verstörend sind, ist, dass die Leute nicht genug verdienen. Wenn die Leute mehr verdienen würden, bräuchte man diese Verkäufe nicht. Dann würden die Leute an diesem Tag nicht plötzlich verrückt werden. Aber es sind ein paar reiche Leute an der Spitze, die uns dazu bringen, diese Gladiatorenkämpfe für Fernseher und Waffeleisen auszutragen. Ich denke, dass das, was es so beunruhigend macht, nicht diese Gier ist, sondern dass wir alle manipuliert werden. Uns wird weisgemacht, dass wir jetzt jenes Produkt bräuchten oder unbedingt unseren Kindern dieses Geschenk kaufen müssten, selbst wenn wir eigentlich gar nicht genug verdienen.

    Auch dieses Thema lässt sich in „Thanksgiving“ wiederfinden: Die gierigen Leute an der Spitze, die in ihrer Villa sitzen und ein schönes Abendessen haben, während alle anderen kämpfen und sich um Waffeleisen streiten. Sie sind ganz klar diejenigen, die von diesem Kampf profitieren.

    FILMSTARTS: Noch eine Frage zum Abschluss. In einer Szene kümmert sich der Killer rührend um eine Katze. Das signalisiert den Zuschauer*innen natürlich, dass der Bösewicht nicht grundlos tötet. Ist Brutalität gegenüber Haustieren das ultimative Zeichen eines bösen Charakters?

    Eli Roth: Ja. Ich mache mir immer Sorgen, wenn in einem Film jemand getötet wird, der ein Haustier hat. Ich kann erst in Ruhe weiterschauen, wenn ich weiß, wer das Haustier füttern wird. Diese Frage macht mich wahnsinnig, auch wenn ich weiß, dass es nur ein Film ist. Und jedes Mal, wenn ich sehe, dass jemand in einem Film ein Tier tötet, werde ich wütend. Figuren müssen schon einen sehr starken Grund haben, um das zu rechtfertigen, denn als Zuschauer hasst du die Person im Anschluss und fragst dich, was das arme Tier denn getan hat. Wenn ich „Alien“ sehe, interessiert mich nicht die Crew, ich sorge mich um Jones, die Katze. Ich will sichergehen, dass die Katze überlebt.

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    Jones aus "Alien"

    Ja, ich wollte das in diesem Film ansprechen. Normalerweise fangen Soziopathen mit dem Töten von Tieren an. Ich habe einen Werbespot für PETA gemacht, in dem es darum ging, dass Serienmörder oft mit Tieren anfangen. Ich habe den Dokumentarfilm „Fin“ gedreht, in dem es um das Abschlachten von Haien geht und wie diese Tiere unnötigerweise getötet werden. Wir alle müssen anfangen, unsere Haie zu schützen, weil sie den Ozean und unseren Sauerstoff für uns sauber halten. Sie wurden gesellschaftlich zu Bösewichten gemacht. Aber Haie sind keine Monster. Wir sind die Monster und müssen aufhören, sie zu töten.

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