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    Auch er wusste nicht, ob "The Man Who Killed Don Quixote" gut oder schlecht ist: Unser Interview mit Terry Gilliam

    Nach 25 Jahren Produktionsgeschichte bringt Terry Gilliam („12 Monkeys“) endlich sein Herzensprojekt „The Man Who Killed Don Quixote“ auf die große Leinwand. Wir haben den Kultregisseur und seinen Star Adam Driver in Cannes zum Gespräch getroffen.

    Concorde Filmverleih GmbH

    Das Wort „episch“ ist für die schmerzvolle Produktionsgeschichte für Terry Gilliams parodistisches Abenteuer „The Man Who Killed Don Quixote“ wohl noch schmeichelhaft untertrieben. Über das Drehchaos bei der freien Adaption des Cervantes-Klassikers „Don Quijote“ ist sogar eine eigene Dokumentation („Lost in La Mancha“) entstanden. Dieses wahre Martyrium hat bei Ex-Monty-Python Gilliam Spuren hinterlassen, er hat sich in das Projekt geradezu verbissen und darf nun nach all diesen Jahren endlich loslassen. Dementsprechend gelöst ist der 77-jährige Brite bei den Interviews in einem Strand-Restaurant am Rande der Filmfestspiele in Cannes im Mai 2018, als wir ihn und seinen Hauptdarsteller Adam Driver („Star Wars“, „Girls“) zum Gespräch treffen.

    Darum geht’s in "The Man Who Killed Don Quixote":

    Der arrogante Werberegisseur Toby (Adam Driver) dreht in Spanien einen neuen Clip. Dort wird er damit konfrontiert, dass er in seiner Jugendzeit in dieser Region einen Film über den legendären Don Quixote gedreht hat und so das Leben der Dorfbewohner für immer tragisch verändert hat. Der alte Schuhmacher des Ortes (Jonathan Pryce) hält sich inzwischen für die Figur, die er einst gespielt hat: Don Quixote. Nicht besser trifft es die damalige Nebendarstellerin Angelica (Joana Ribeiro), die zur Gespielin des russischen Oligarchen Alexei Mjiskin (Jordi Mollà) verkommen ist. Toby will seine Fehler wieder gutmachen.

    FILMSTARTS: Terry, wie fühlst du dich jetzt, nachdem der Film nach so langer Zeit abgeschlossen ist und seine Weltpremiere hatte?

    Terry Gilliam: Glücklich, relaxt. Ich habe eine viel Spaß hier in Cannes. Ich muss „The Man Who Killed Don Quixote“ nicht mehr verteidigen. „Du magst ihn? Schön. Du magst ihn nicht? Gut, das ist dein Problem, nicht meins.“ (lacht) Es fühlt sich so an, als ob der Film jetzt erwachsen ist.

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    FILMSTARTS: Wie hast du die negativen Erfahrungen im Vorfeld von „The Man Who Killed Don Quixote“ abgeschüttelt, bevor es dann tatsächlich zum Dreh ging?

    Terry Gilliam: Es liegt in der Natur des Filmemachens: Was dich nicht umbringt, macht dich stärker. Ich dachte immer, das sei Unsinn, aber es ist tatsächlich wahr. Vielleicht ist es meine eigene Illusion, aber ich hatte das Gefühl, dass wir nach all den Jahren mit einer neuen, besseren Idee für den Film um die Ecke kamen. Das ist zum Teil wahr oder zum Teil auch nicht. Wenn ich das Gefühl gehabt hätte, das sei derselbe alte Film von damals, hätte ich wahrscheinlich nicht weitergemacht. Alles, was dazukam, eine Idee oder ein Schauspieler, verstärkte den Eindruck, dass „The Man Who Killed Don Quixote“ ein neuer Film sei. Das ist zwar in gewisser Weise eine Lüge, aber es funktionierte.

    Adam Driver: Jeder Film ist wie ein Wunder

    FILMSTARTS: Adam, als du zu „The Man Who Killed Don Quixote“ gestoßen bist, hattest du da das Gefühl, in diesen Chaosstrudel dieser berühmt-berüchtigten Produktion mit all seinen jahrelangen Verzögerungen gezogen zu werden?

    Adam Driver: Dieses Gefühl habe ich bei den meisten Projekten. Für mich ist es am Ende immer ein Wunder, dass Filme überhaupt jemals gedreht werden. Alle Leute zur selben Zeit an denselben Ort zu bekommen und denselben Film zu drehen, ist für sich genommen schon ein Wunder. Martin Scorsese hat 20 Jahre lang versucht, „Silence“ zu drehen, bevor wir es dann tatsächlich geschafft haben – und selbst dann hatte der Film sechs Monate Verspätung. Leo Carax [Regisseur von „Holy Motors“] und ich reden nun seit fünf, sechs Jahren über einen gemeinsamen Film, den wir versuchen zu realisieren. Ich weiß, dass manche Filme passieren und manche eben nicht. Man muss immer optimistisch sein, weil es keine andere Möglichkeit gibt. Bei „The Man Who Killed Don Quixote“ hat mich die Vorgeschichte noch neugieriger und aufgeregter gemacht.

    FILMSTARTS: Inwieweit hat sich die Geschichte von „The Man Who Killed Don Quixote“ geändert, seitdem du für die Rolle unterschrieben hattest?

    Adam Driver: Sie hat sich schon ein bisschen geändert, weil seitdem drei Jahre vergangen sind, aber im Endeffekt auch nicht so sehr. Nicht so sehr jedenfalls, wie in der Dokumentation „Lost In La Mancha“ gezeigt wurde. Das Drehbuch von damals war komplett anders. Terry Gilliam hat sich in dieser Zeit als Person auch verändert und viel über den Film nachgedacht, davon profitiert das Drehbuch. Seine Perspektive hat sich geändert. Das ist ein interessanter Punkt.

    FILMSTARTS: Was hat dich denn konkret an dem Projekt interessiert, sodass du unbedingt mitspielen wolltest?

    Adam Driver: Terry Gilliam! Ich habe seine Filme während meiner Highschool-Zeit entdeckt, ich konnte es nicht abwarten, bis er wieder einen neuen Film macht. Ich hörte damals, dass es „Don Quixote“ sein sollte und jetzt – keine 15 Jahre später – bin ich selbst dabei, bei einem Projekt, von dem ich schon als Kind gehört hatte. Das ist surreal. Alles, was Terry macht, interessiert mich.

    FILMSTARTS: Hattest du den Eindruck, dass Terry Gilliam während des Drehs besonders nervös war, weil das Projekt zu so etwas Persönlichem für ihn geworden ist?

    Adam Driver: Ich weiß nicht, ob er jetzt an diesem Set anders drauf war als bei anderen. Ich habe vorher noch nie mit Terry gearbeitet. Er hat den Film jetzt seit 25 Jahren im Kopf und daraus hätte sich leicht eine Art Diktatur entwickeln können. Aber er kam ans Set und wusste immer noch nicht genau, wie „The Man Who Killed Don Quixote“ aussehen sollte. Das hat ihn angetrieben. Das ist auf der einen Seite sehr inspirierend, aber auch niederschmetternd.

    Terry Gilliam ist "The Man Who Killed Don Quixote" nicht mehr losgeworden

    FILMSTARTS: Terry, hättest du auch für andere Filme wie zum Beispiel „König der Fischer“ so sehr gekämpft, wie für „The Man Who Killed Don Quixote“?

    Terry Gilliam: Nein, ich war nie in der Situation, wo das nötig war. Sachen wie „König der Fischer“ waren Studiofilme. Wenn die Studios wollen, dass etwas gedreht wird, passiert das auch. Aber diese anderen Geschichten sind gefährlich. Stell dir vor, du gehst eine Straße entlang und trittst in Hundescheiße, die du nicht mehr von deinen Schuhen bekommst. Und genauso ist „The Man Who Killed Don Quixote“ – eine Metapher für den Film.

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    FILMSTARTS: Kannst du etwas zu deinem neuen Hauptdarsteller Adam Driver sagen?

    Terry Gilliam: Adam Driver ist der Film. Die Bürde, die seine Figur des Regisseurs Toby trägt, ist der Inhalt des Films. Jeder andere Schauspieler kann mal vorbeikommen und sich eine Szene stehlen und wieder gehen, aber ist es Adams Film. Das ist eine große Verantwortung. Besonders am Anfang war er deshalb sehr angespannt. Aber nach und nach hat er sich entspannt – auch durch Jonathan Pryce [spielt den Don Quixote], der so lustig ist. Jonathan hat uns alle angetrieben. Von ihm haben wir alle profitiert, weil er Spaß daran hatte, sich jede einzelne Szene, an der er beteiligt war, zu stehlen. (lacht) Sogar als wir den Film abgedreht hatten, hatte ich noch keine Ahnung, ob „The Man Who Killed Don Quixote“ gut oder schlecht ist. Das einzige, was ich genau wusste: Das Schauspiel war brillant. Der Cast war fantastisch. Es ist ein wilder Film, die Besetzung bringt ihn zum Funktionieren.

    FILMSTARTS: Weshalb hast du gerade Adam Driver ausgewählt?

    Terry Gilliam: Er war eigentlich überhaupt nicht der Typ, den ich haben wollte. Doch dann habe ich Adam getroffen und war plötzlich so froh, meine alten, verstaubten Ideen loszuwerden. Ich dachte: Er verhält sich gar nicht wie ein Schauspieler, er ist ein interessanter Mensch. Und nach einem gemeinsamen Mittagessen war klar: Ich habe meinen Hauptdarsteller. Ich wusste vorher gar nicht, wie gut er wirklich ist. Ich dachte, er wäre ein guter, solider Schauspieler. Ich hatte ihn noch nie irgendwo gesehen. Aber Adam ist viel besser, als ich mir jemals vorstellen konnte. Er hat seine Rolle so gut gespielt. Was ich an ihm liebe: Zu Beginn des Films ist sein Toby ein Arschloch, das nichts Liebenswertes hat. Und Adam ist so gut, er hat dabei nicht betrogen. Er ist ein Arschloch und er ist brillant darin.

    FILMSTARTS: Adam, mit welchen Erwartungen gehst du eine neue Rolle an?

    Adam Driver: Bei jeder Rolle bin ich nervös und etwas ängstlich. Wir haben nur einen Versuch, hier einen Film zu drehen. Ich versuche aber nicht, so viel von der Geschichte in mich aufzunehmen und frei im Kopf zu bleiben. Ich kann die Geschichte des Projekts nicht „mitspielen“. Alles, was für eine Szene nicht hilfreich ist, blendest du aus deinem Leben aus.

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    Adam Driver: Falsch zu liegen, kann eine wertvolle Erfahrung sein

    FILMSTARTS: Wie schaffst du es, beim Dreh dennoch die Ruhe zu bewahren?

    Adam Driver: Diese Ruhe ist wahrscheinlich eine Illusion. In meinem Kopf findet ein konstanter Kampf statt, wie in einer existenziellen Krise: „Was machen wir hier? Was ist die Geschichte? Ist das alles meine Verantwortung? Passt mein Kostüm zu der Geschichte, die wir erzählen? Wir verlieren das Sonnenlicht, haben nur noch eine Stunde zu drehen.“ Ich versuche die Dinge so ökonomisch wie möglich anzugehen. Ich möchte so wenig wie möglich hinzufügen, das unnötig ist.

    Mit all den großartigen Regisseuren, mit denen ich drehen konnte, habe ich über dieses Thema gesprochen: Wie können wir es effizienter machen, um keine Energie mit Ablenkungen von der Geschichte zu verschwenden? Am Set von „The Man Who Killed Don Quixote“ wurden sieben verschiedene Sprachen gesprochen. Kommunikation war sehr schwierig. Ich habe gelernt, dass ich mich nicht zu sehr auf Routinen verlassen sollte, denn das verhindert, dass du auch mal falsch liegen kannst. Aber falsch zu liegen ist eine wertvolle Erfahrung. Wenn irgendwo Chaos herrscht, musst du es so gut es geht nutzen.

    FILMSTARTS: „Star Wars“ ist enorm populär. Hat das jetzt einen Einfluss auf deine weitere Rollenauswahl?

    Adam Driver: Nein, ich denke nicht, dass ich jetzt nach „Star Wars“ irgendwas komplett anderes machen muss. Ich folge nur großartigen Regisseuren. Es ist ein Medium der Filmemacher. Ich habe immer Glück gehabt, sodass ich mit Leuten arbeiten konnte, die mich inspirieren und die Filme gedreht haben, die mich das ganze Leben lang inspirierten. Darüber bin ich wirklich glücklich. Aber ich denke nicht: „Oh, weil ich jetzt ‚Star Wars‘ gemacht habe, muss ich unbedingt einen Low-Budget-Film machen.“ Einer der Hauptgründe, „Star Wars“ anzunehmen, war J.J. Abrams – ein interessanter Typ. Oder Rian Johnson bei „Die letzten Jedi“. Selbst wenn das Budget riesig ist, brechen diesen tollen Filmemacher das Projekt so herunter, dass man denkt, man arbeite an irgendeinem Independentfilm. Bei manchem Filmdreh gibt es besseres Catering, bei einem anderen fühlst du dich vielleicht wohler, aber am Ende interessiert sowas das Publikum überhaupt nicht.

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    FILMSTARTS: Du spielst in „The Man Who Killed Don Quixote“ Toby, einen Werberegisseur: Hast du Ambitionen, irgendwann einmal selbst Regie zu führen?

    Adam Driver: Nein, nicht im Geringsten. Man muss mit Schauspielern reden, Fragen beantworten. Es gibt so viele großartige Regisseure. Ich möchte das nicht.

    Terry Gilliam: Ich bin Pragmatiker, Fantasten sind die anderen

    FILMSTARTS: Terry, wenn man an die Geschichte von „The Man Who Killed Don Quixote“ denkt, an jemanden, der gegen Windmühlen ankämpft, muss man zwangsläufig an dich denken. Fühlst du dich manchmal wie Don Quixote?

    Terry Gilliam: Ich bin sehr pragmatisch. In all diesen Jahren, wo immer neue Produzenten in der Tür standen, um den Film möglich zu machen, waren es immer sie, die die Fantasten waren – alle! Ich war der Pragmatiker. Ich sagte: „Ich brauche dies, ich brauche das.“ Und am Ende, nach ein, manchmal zwei Jahren, haben sie nicht geliefert, es nicht auf die Reihe gebracht.

    FILMSTARTS: Es gab zuletzt ein Gerichtsverfahren über die Rechte an dem Film, sodass ein Kinostart hätte verhindert werden können. Warst du ernsthaft besorgt, dass „The Man Who Killed Don Quixote“ überhaupt starten darf?

    Terry Gilliam: Yep! (lacht) Wenn ein Typ [Anm. der. Red.: Ex-Produzent Paulo Branco] Anwaltsschreiben voller Lügen an Verleiher und nahezu jeden herumschickt, werden die Leute nervös. Anwaltsschreiben verunsichern die Menschen. Und hier stand viel Geld auf dem Spiel. Und was wirklich großartig war: Das Festival von Cannes mit Festivalleiter Thierry Frémaux unterstützte uns. Und auch der französische Verleih Océan Films sagte: „Fickt euch.“

    FILMSTARTS: Fühlst du im Moment nach dieser wahren Odyssee die Energie, einen weiteren Film zu drehen?

    Terry Gilliam: Derzeit habe ich keine konkreten Pläne für weitere Filme. Ich möchte noch drei, vier Werke drehen, bevor ich das Zeitliche segne. Wer weiß, wie viel Zeit ich noch habe.

    The Man Who Killed Don Quixote“ läuft ab dem 28. September 2018 in den deutschen Kinos.

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