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    Tron: Legacy
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Tron: Legacy
    Von Julian Unkel

    Zur technischen Revolution hat es dieses Mal nicht gereicht. Zwar war „Tron" 1982 nicht - wie häufig angenommen - der erste kommerzielle Spielfilm, der CGI-Effekte nutzte (diese Ehre wurde je nach Auslegung „Westworld", „Futureworld" oder „Krieg der Sterne" zuteil), aber dafür der erste, der dies in großem Ausmaß tat, weshalb er mit Fug und Recht als Meilenstein der Computertechnik im Kino bezeichnet werden darf. Wenn Debüt-Regisseur Joseph Kosinski nun fast drei Jahrzehnte später die Fortsetzung komplett in 3D dreht, ist das heutzutage kaum noch etwas Außergewöhnliches. Trotzdem ist „TRON: Legacy" auch ohne technische Pionierleistung visuell absolut beeindruckend ausgefallen. So verleitet der Film sein Publikum trotz der aktuellen Omnipräsenz der 3D-Technologie zum Staunen. Die inhaltlichen Schwächen kaschieren die tollen Bilder jedoch nur bedingt.

    1989 ist Kevin Flynn (Jeff Bridges) der bedeutendste Computerspielentwickler der Welt und steht nach eigener Aussage kurz vor einem grandiosen Durchbruch. Doch dann verschwindet Flynn plötzlich unter ungeklärten Umständen und hinterlässt neben seiner aufstrebenden Firma Encom auch seinen siebenjährigen Sohn Sam (Owen Best). Zwanzig Jahre später ist Sam (jetzt: Garrett Hedlund) ein Heißsporn, der mit waghalsigen Datendiebstählen gegen das inzwischen börsennotierte Fortune-500-Unternehmen, das längst nicht mehr die Ideale seines Gründers vertritt, ankämpft. Auf der Suche nach seinem verschwundenen Vater stößt Sam eines Tages in dessen stillgelegter Spielhalle auf einen versteckten Computer, der Sam per Laser in einen von seinem Vater erschaffenen Cyberspace namens „Raster" portiert, in dem abstrakte Computerprogramme humanoide Formen annehmen. Dort stößt Sam nicht nur auf seinen Dad, sondern auch auf den nach dessen Ebenbild programmierten Clu (ebenfalls Jeff Bridges), der seit einem Putsch das Raster regiert. Zusammen mit dem ihnen wohlgesonnenen Programm Quora (Olivia Wilde) nehmen Vater und Sohn den Kampf gegen Clu an...

    An der Kinokasse war „Tron" damals ein Flop, erwies sich aber nicht nur als Pionier für die Computertechnik, sondern bereitete auch inhaltlich virtuelle Welten erstmals für ein Massenpublikum auf, weshalb er auch heute noch ein großes Ansehen genießt. Dass Disney sich nach so langer Zeit für eine Fortsetzung entschieden hat, verwundert daher nur auf den ersten Blick. Bereits 2005 wurde eine erste Drehbuchversion verfasst, die damals noch als Remake angelegt war, bevor sie sich nach einigen Überarbeitungen zu einer echten Fortsetzung entwickelte. Mit dem im Kinogeschäft noch unerfahrenen Werberegisseur Joseph Kosinski und dem „Tron"-Regisseur Steven Lisberger als Produzenten wurde der Drehbeginn auf April 2009 terminiert, nachdem bereits ein Jahr zuvor ein Teaser auf der ComicCon für Aufsehen sorgte. Über eineinhalb Jahre später, von denen ein Großteil für die visuellen Effekte verwendet wurde, hat es der Film nun nach mehr als fünfjähriger Entwicklungsgeschichte endlich auf die Leinwand geschafft.

    Und das Warten hat sich zumindest in visueller Hinsicht gelohnt. Mit dem in tiefem Schwarz und leuchtenden Neonfarben gehaltenen, komplett computergenerierten Raster gelingt den Effektkünstlern eine perfekte Portierung der einzigartigen Ästhetik des ersten Teils (der Effekt wurde damals erzeugt, indem das in Schwarzweiß gedrehte Filmmaterial in einem aufwändigen Verfahren wie ein Trickfilm Bild für Bild nachkoloriert wurde) in das digitale Zeitalter. Ebenso haben die ikonischen Disc-Kämpfe und Leuchtmotorradrennen ihr zeitgemäßes Update erhalten. Gedreht wurde der Film mit dem von James Cameron mitentwickelten Fusion Camera System, das neben „Avatar" zuletzt auch bei „Resident Evil: Afterlife" zum Einsatz kam. Im Gegensatz zu anderen 3D-Filmen wie „Alice im Wunderland" oder „Kampf der Titanen", die erst nachträglich konvertiert wurden und deshalb eher wie Papp-Dioramas wirken, bietet „TRON: Legacy" dank dieser Technik eine brillante Tiefenwirkung, die der virtuellen Welt eine spürbare Plastizität verleiht. Sobald Sam das Raster betritt – die Eröffnungsszenen in der Realität verzichten auf eine dreidimensionale Darstellung – wird der 200 Millionen Dollar teure Film daher zu einem echten Augenschmaus.

    Fast ebenso große Aufmerksamkeit wie dem Film selbst kam im Vorfeld der Nachricht zu, dass Daft Punk für den Soundtrack gewonnen werden konnten. Für das wegweisende French-House-Duo, das im Film auch einen kleinen Gastauftritt absolviert, stellt der Soundtrack immerhin die erste Studioveröffentlichung seit mehr als fünfeinhalb Jahren dar. Als wirklichen Gewinn für den Film erweist sich dieser marketingtechnische Coup jedoch nicht: Nahezu permanent dröhnt die Mischung aus Synthiebrettern und Hans-Zimmer-Orchestral-Bombast aus den Boxen, übertönt nicht selten die Gespräche und lässt „TRON: Legacy" stellenweise eher wie ein überlanges Musikvideo anmuten.

    Immerhin hält die konstante Beschallung die Aufmerksamkeit hoch und treibt den Film ständig voran – eine Leistung, die das Drehbuch allein trotz der interessanten Prämisse nicht vollbracht hätte. Die Flucht aus dem Raster gestaltet sich weitgehend überraschungsfrei und sobald Sam seinen Vater erst einmal gefunden hat, zögert der Film mit einem altbekannten Plotelement nach dem anderen das Finale mehrfach hinaus, so dass vor allem die zweite Filmhälfte in ihrer Redundanz ermüdet. Dass mit dem furiosen Lichtmotorradrennen die beste Actionsequenz bereits in der Filmmitte ansteht und der finale Luftkampf diesem nicht ansatzweise das Wasser reichen kann, macht dies nur noch deutlicher. Darüber hinaus verwirrt das Drehbuch mit thematischen Einschüben wie einer kurzen Debatte über Informationsfreiheit, die daraufhin achtlos fallen gelassen und nie wieder angesprochen werden, sowie unerklärten Charakterentwicklungen wie Kevin Flynns Wandlung zu einer Art Jedi-Ritter mit mentalen Kräften, die dann auch noch von konsequent hanebüchenen Dialogen begleitet werden.

    Den Schauspielern wird durch das Effektgewitter und das schwache Skript von vornherein jede Möglichkeit zu glänzen genommen. Selbst Hauptdarsteller Garrett Hedlund („Eragon", „Vier Brüder") hat kaum mehr zu tun, als einen Oneliner nach dem anderen herauszuhauen und verspielt sich so anfängliche Sympathien schnell wieder. Seine Leinwandpartnerin Olivia Wilde („Dr. House", „Alpha Dog") setzt im hautengen Leuchtanzug allenfalls optische Akzente. Einzig Jeff Bridges, dieses Jahr mit dem Oscar für seine Leistung in „Crazy Heart" ausgezeichnet, bekommt in seiner Doppelrolle etwas mehr Raum zur Entfaltung und sorgt als Kevin Flynn im „Dude"-Modus für einige auflockernde Sprüche. Sein mit demselben Verfahren, das auch schon bei „Der seltsame Fall des Benjamin Button" zum Einsatz kam, digital um zwanzig Jahre verjüngter Clu fordert hingegen kaum mehr als einige abgedroschene Drohfloskeln. Die Auftritte von Michael Sheen („Die Queen", „Frost/Nixon"), der mit exaltiertem Overacting am Ziel einer David-Bowie-Impression gehörig vorbeischießt, und Bruce Boxleitner, dem neben Bridges einzigen Darsteller, der bereits im ersten Teil vertreten war, sind kaum mehr als erweiterte Cameos.

    Fazit: Außen hui, innen pfui – mit dieser altbekannten Formel lässt sich leider auch „TRON: Legacy" auf den Punkt bringen. Der atemberaubenden visuellen Ausgestaltung kann Regisseur Joseph Kosinski inhaltlich weniger entgegen setzen als erhofft. Freilich, auch der erste Teil zeichnete sich weder durch schauspielerische Glanzlichter noch durch ein stimmiges Drehbuch aus, konnte diese Schwächen aber nicht nur durch die einzigartige Umsetzung, sondern auch durch einen naiven Charme überspielen, welche die Fortsetzung nun fast gänzlich vermissen lässt. Stattdessen bekommt man am Ende noch eine banale Botschaft serviert, die beiden Filmen diametral entgegensteht: Wenn Kevin Flynn das Streben nach (technischer) Perfektion als Fehler erklärt, Sam Quorra die Schönheit der Natur beibringt und Regisseur Krasinski sonnendurchflutete Landschaftsaufnahmen als Schlussbilder wählt, torpediert sich der Film, der zuvor zwei Stunden lang ausgiebig seine hochstilisierte Cyberästhetik auf höchstem Niveau zelebriert hat, schließlich selbst.

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