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    Jonah Hex
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    1,0
    schlecht
    Jonah Hex
    Von Jan Hamm

    Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte? Von wegen. „Jonah Hex" ist keineswegs der erste Film, den es beim Tauziehen zwischen Filmemacher und Studio zerrissen hat. Allerdings, ein derart unfertiges Produkt ist selbst mit den berüchtigten „künstlerischen Differenzen" kaum mehr entschuldbar. Dabei begann alles so vielversprechend. Mark Neveldine und Brian Taylor („Crank", „Crank 2", „Gamer") waren auf Drehbuch und Regie angesetzt worden, die US-Prog-Metaller Mastodon auf den Soundtrack – ein kongeniales Team, das den zugrunde liegenden Western-Comic wohl in ein rauschendes Trash-Fest verwandelt hätte. Und dann ging es bergab. Entnervt über die kreative Gängelei bei Warner Bros. sprangen Neveldine/Taylor ab. Ersatzregisseur und Realfilm-Debütant Jimmy Hayward („Horton hört ein Hu") brachte den Cast zwar vor die Kamera, musste jedoch zum Nachdreh bitten, um misslungene Sequenzen zu kitten – nunmehr unter der Aufsicht von Francis Lawrence („I Am Legend"). Komponist John Powell hatte dafür keine Zeit; Mastodon mussten ihr Pendant zu Neil Youngs „Dead Man"-Improvisation verwerfen und von vorne anfangen. Das Produktionschaos schimmert durch, da hilft auch die feine Besetzung nicht: „Jonah Hex" ist der 81-minütige Trailer zu einem Film, den es nie geben wird.

    Bürgerkriegsveteran Jonah Hex (Josh Brolin) ist fuchsteufelswild. Von Rachsucht getrieben hat er Quentin Turnbull (John Malkovich) und dessen Handlanger Burke (Michael Fassbender) gejagt, nun soll der Mörder seiner Familie in einem Hausbrand ums Leben gekommen sein. Damals hätte es Hex um ein Haar gleich mit erwischt. Und obgleich er wieder mit beiden Füßen auf irdischer Erde steht, ist etwas von ihm in der Unterwelt geblieben. Bloß, an Plaudereien mit den Verblichenen hat der entstellte Kopfgeldjäger vorerst kein Interesse. Das Kontrastprogramm zwischen den heißen Schenkeln der Prostituierten Lilah (Megan Fox) findet ein jähes Ende, als Hex von Präsident Grant (Aidan Quinn) höchstpersönlich herbeizitiert, um Hilfe gebeten und faustdick überrascht wird: Turnbull lebt, hat eine fürchterliche Superwaffe gestohlen und plant einen verheerenden Anschlag auf die noch jungen Vereinigten Staaten von Amerika...

    Coole Typen, scharfe Bräute, heiße Eisen – die Welt von „Jonah Hex" ist wild. Und völlig zusammenhangslos. Wer, wo, warum? Egal! In wenigen Schnitten wird quer durch die US-Staaten gesprungen, vor und zurück, wie es das Handlungskonstrukt gerade verlangt. Dass auf Western-Panoramen verzichtet wird und die bieder inszenierte Action überwiegend nachts steigt – geschenkt! Ärgerlicher ist die Achtlosigkeit, mit der essentielle Handlungsschritte in expositorischen Dialogen überschlagen oder ganz ausgespart werden. Hex' Bürgerkriegsvergangenheit mit der Familie seines Erzfeindes etwa wird nicht involvierend bebildert, sondern im gemütlichen Nekro-Plausch mit Jeffrey Dean Morgan („Watchmen") als Turnbull-Spross Jeb nachgereicht. Sein Verhältnis mit Lilah bekommt dagegen nicht einen einzigen plausibilisierenden Nebensatz spendiert. Es sollte keinen Michael Bay brauchen, um Megan Fox ins rechte Licht zu rücken. Wie lauwarm die Rundungen des Ex-„Transformers"-Eyecandy hier aber in Szene gesetzt werden, raubt der archetypischen Hure mit Herz endgültig jede Daseinsberechtigung.

    Interessant ist an „Jonah Hex" vor allem, was nicht erzählt wird. Etwa die Geschichte hinter Turnbulls Superkanone. Wie könnte eine Welt aussehen, in der solch eine Technologie existiert? Die Synthese zwischen Western und Steampunk-Ästhetik jenseits von „Wild Wild West" eröffnet weite Spielräume zur Ausgestaltung eines wiedererkennbaren Filmuniversums, insbesondere in Kombination mit der Fantasy-Prämisse. Doch Magie arbeitet hier lediglich als Deus Ex Machina, wenn indianische Schamanen einen tödlich getroffenen Hex wunderheilen und nach getaner Arbeit postwendend wieder im mystischen Nexus der Prärie verschwinden, aus dem sie wenige Sekunden zuvor gestiegen sind. „Hier unten reden sie bereits über dich. Bleib lieber noch ein Weilchen am Leben", warnt Jeb seinen ehemaligen Freund. Ja, auch Hex ist eine furchterregende Erscheinung, ein entstellter Vigilant, der mit den Toten parliert. Erkundet wird diese spannende Facette mit keinem weiteren Satz.

    Stattdessen wird Hex zum Volkshelden wider Willen stilisiert, dessen private Vendetta en passant das Fortbestehen der USA sichert. Das will nicht zur Anlage der ohnehin schwach gezeichneten Figur passen. So hat Josh Brolin alle Mühe, Hex über grimmige Oneliner hinaus zum Leben zu erwecken. Seinen Kollegen geht es kaum besser. Michael Fassbender verneigt sich vor Malcolm McDowells psychotischem Gestus aus „Uhrwerk Orange (A Clockwork Orange)" und wirkt dabei wie aus dem Film gefallen. Michael Shannon wird zwar, anders als Morgan, in den Credits vermerkt, sein Auftritt als hysterischer Crimeboss ist mit einem langen Augenblinzeln allerdings bereits verpasst. John Malkovich dagegen schaltet von Beginn an auf Autopilot, ganz so, als würde er das Desaster vorhersehen und bereits auf Sicherheitsabstand gehen. Irgendwo da draußen gibt es einen herrlich trashigen Steampunk-Fantasy-Western mit Groove, Soul und einem fiesen Typen namens „Jonah Hex". Vom Konzeptpapier zur Leinwand geschafft hat es leider nur ein bis zur Ungenießbarkeit kompromittiertes Exposé.

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