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    Rubbeldiekatz
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Rubbeldiekatz
    Von Björn Becher

    Detlev Buck ist in den vergangenen Jahren zur Allzweckwaffe des deutschen Films avanciert. Der Regisseur, der auch als Autor, Produzent und Schauspieler tätig ist, wechselt nach überwundenem Karrieretief scheinbar mühelos zwischen unter die Haut gehender Liebesgeschichte („Same Same But Different"), bezauberndem Kinderfilm („Hände weg von Mississippi") oder realistisch-hartem Großstadtdrama („Knallhart"). Dazu kommen Auftritte als Darsteller in so unterschiedlichen Werken wie dem Oscar-Kandidaten „Das weiße Band", dem schrägen Kiffer-Road-Movie „Contact High" oder der Krimi-Reihe „Polizeiruf 110". Nun legt er mit „Rubbeldiekatz" zum ersten Mal seit mehr als zehn Jahren eine Komödie für Erwachsene vor, das Genre, in dem ihm mit „Männerpension" 1996 sein größter Erfolg an den Kinokassen gelang. Wie in dem Hit mit Til Schweiger verliert Buck auch in seiner Variation von „Tootsie" ganz gerne einmal den roten Faden, was er aber immer wieder mit seiner Inszenierung überspielt. Buck trifft mit der Komödie über einen jungen Schauspieler, der sich für eine begehrte Rolle als Frau ausgibt, nicht immer den richtigen Ton und verliert sich in manch unnötiger Charade, so ist „Rubbeldiekatz" manchmal platt und meist übertrieben, aber gerade deswegen macht er richtig viel Spaß.

    Bühnenschauspieler Alexander Honk (Matthias Schweighöfer) bekommt von seinem Bruder und Manager Jürgen (Detlev Buck) ein Vorsprechen bei einer großen Hollywood-Produktion vermittelt, die in Berlin gedreht wird. Doch dummerweise sehen die Casting-Agenten des Nazi-Dramas nur die aktuellsten Bühnenfotos von Alexander, auf denen er Frauenkleider trägt. Sie bieten ihm daher an, für eine weibliche Nebenrolle vorzuspielen. Den Gehaltsscheck im Hinterkopf überredet Jürgen sein Bruderherz, das Casting in voller Maskerade als Alexandra zu absolvieren. Und tatsächlich erhält Alexander überraschend die kleine Rolle als lesbische Geliebte von Superstar Sarah Voss (Alexandra Maria Lara). Damit hat er aber ein Problem, denn mit der schönen Sarah hatte er gerade nichtsahnend einen One-Night-Stand. Noch komplizierter wird die Lage, als Alexanders Versuch, seinen Rauswurf zu provozieren, nach hinten losgeht und sein Part plötzlich vom Regisseur (Joachim Meyerhoff) zu einer Hauptrolle ausgebaut wird. Nun heißt es für den Verkleidungskünstler, mehrere Wochen die Frau zu spielen, was immer komplizierter wird, hat er sich doch längst in Sarah verliebt, die ihrerseits aber nur Augen für Co-Star Thomas (Max von Thun) hat, während sich Alexander der Avancen von Hitler-Darsteller Jörg (Max Giermann) erwehren muss...

    Die Auftritte von Männern in Frauenkleidern sorgen besonders seit dem legendären Bühnenstück „Charleys Tante" von 1892 für Lachsalven in den Theatern und auch im Kino haben sie eine lange Tradition. So gibt es nicht nur zahlreiche Adaptionen des Stückes von Brandon Thomas (etwa mit Oliver Hardy, Jack Benny, Heinz Rühmann und Peter Alexander), sondern auch viele davon inspirierte Werke wie „Mrs. Doubtfire" mit Robin Williams oder den bereits erwähnten „Tootsie" mit Dustin Hoffman. Auch „Rubbeldiekatz" steht nun in der Nachfolge von „Charleys Tante" und Detlev Buck zeigt, dass sich aus der bekannten Grundkonstellation nach wie vor komische Funken schlagen lassen. Vom nervigen Verehrer, der der „falschen Dame" den Hof macht, bis zur ungezwungenen Offenheit der heimlich vom Verkleideten Angebeteten, die keine Hemmungen gegenüber der vermeintlichen Freundin kennt - viele klassische Motive werden hier wiederaufgegriffen.

    Der Reiz von „Rubbeldiekatz" liegt aber nicht darin, dass Buck alte Witze aufwärmt. Auch wenn es einiges zu lachen und viel zu schmunzeln gibt, bekommt der Film seinen besonderen Charme durch eine Art kreatives Chaos: Da werden Nebenhandlungen um Alexanders schräge Vierer-WG mit seinen Brüdern (Buck, Maximilian Brückner) und seinem besten Kumpel (Denis Moschitto) zwar wiederholt angedeutet, aber nie so recht weitergeführt. Wenn das Quartett im tiefsten Winter in Zeitlupe zum Grillen im Berliner Tiergarten schreitet, ein Teil der Gang dann im Absinth-Rausch versinkt und die Szene ins Surreale abgleitet, hat das zwar keinen Bezug zur eigentlichen Geschichte, macht aber eine Menge Spaß. Immer wieder gibt es wundervoll absurde Einfälle: Da laufen zum Beispiel alle Ausgaben und Einnahmen der Viererbande über ein gemeinsames Konto und jeder kennt nur eine einzige Ziffer der Geheimzahl. Die amüsant-chaotischen Szenen um die vier Freunde gelingen Buck besonders gut, die Passagen am Filmset sind im Vergleich deutlich schwächer geraten. So erinnern die Auftritte des TV-Comedians Max Giermann allzu sehr an seine „Switch"-Parodien und der Part des namenlosen Regisseurs ist als nervig-überdrehte, eher platte Quentin-Tarantino-Verarsche angelegt.

    Im Zentrum des Geschehens steht natürlich Matthias Schweighöfer, der wie jüngst schon in seinem Regiedebüt „What A Man" vollen Körpereinsatz zeigt und sich auch in Frauenkleidern beherzt ins Getümmel stürzt. Bereits während der Dreharbeiten sorgte er für Aufmerksamkeit, als er im Januar 2011 bei der Berliner Fashion Week in Frauenkleidern über den roten Teppich lief und die anwesende Journaille entzückte. Bereits da zeigte sich, dass der Star auch als Frau glaubwürdig ist und eine gute Figur abgibt. Schweighöfer, dem die Rolle von Co-Autorin Anika Decker („Keinohrhasen", „Zweiohrküken") auf den Leib geschrieben wurde, überzeugt nicht nur mit dem passenden Aussehen, sondern er kann auch seine weiche Seite zeigen, was gerade in den gemeinsamen Szenen mit Co-Star Alexandra Maria Lara („Der Untergang") ein dickes Plus ist. Alex ist selbst beim One-Night-Stand weniger Macho und mehr Frauenversteher. Diese intimeren Szenen gelingen Buck hervorragend, der sich aber auch darauf versteht, urplötzlich den Erzählton zu wechseln – das schönste Beispiel dafür ist die Kneipentour der Freundinnen Sarah und „Alexandra" in Hamburg.

    Fazit: Detlev Buck bestätigt einmal mehr, dass er im Moment einer der besten deutschen Regisseure ist. Auch wenn einiges in „Rubbeldiekatz" nicht funktioniert und etwa die Film-im-Film-Nabelschau eher platt bleibt, bereitet die turbulent-chaotische Komödie doch sehr viel Vergnügen. Matthias Schweighöfer überzeugt auch als Frau, und Buck schöpft vor allem in den absurden Szenen abseits der Haupthandlung das komische Potenzial voll aus.

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