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    Dune
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    5,0
    Meisterwerk
    Dune

    Der Sternenkrieg wird erwachsen

    Von Christoph Petersen

    Das letzte Mal, als in einem Mega-Blockbuster ein intergalaktischer Handelskrieg ausgefochten wurde, hat uns George Lucas mit seiner „Episode 1“ auf einen Schlag die Lust an der langerwarteten Prequel-Trilogie zunichtegemacht. Nun erreicht der Hype bei einem neuen Film von Denis Villeneuve vielleicht nicht ganz solche Dimensionen wie bei „Star Wars“ – aber wenn der visionäre Regisseur von „Arrival“ und „Blade Runner 2049“ ankündigt, eines der herausragenden Werke der Science-Fiction-Literatur mit gewaltigem Aufwand und einer grandiosen Besetzung auf die Leinwand zu wuchten, dann ist das natürlich ein Ereignis längst nicht nur für Fans des Genres.

    Und keine Angst: Im Gegensatz zu Lucas liefert Villeneuve zu 100 Prozent ab! Seine Verfilmung von Frank Herberts 1965 erschienenem Kult-Roman „Dune“ ist ein an schierer Bildgewalt kaum noch zu übertreffendes Science-Fiction-Epos, das den Zuschauer mit seinem tief dröhnenden Bombast-Sound regelrecht aus den Sesseln bläst. „Dune“ ist – zumindest im Kino mit möglichst großer Leinwand und voll aufgedrehten Boxen – vor allem eine überwältigende körperliche Erfahrung. Wenn die von Zendaya verkörperte Chani am Schluss sagt, dass dies nur „der Anfang“ sei, ist das deshalb die Verheißung von etwas Wundervollem – oder eben von etwas Schrecklichem, falls „Dune 2“ doch nicht gedreht wird und die gerade erst begonnene Story unvollendet bleibt...

    Herzog Leto Atreides (Oscar Isaac) und seine Männer sind bereit, die Herrschaft über den Wüstenplaneten Arrakis anzutreten.

    Auf Befehl des Imperators soll nicht länger das Haus Harkonnen, sondern das Haus Atreides die Herrschaft über den Wüstenplaneten Arrakis und damit die Verantwortung für die extrem profitable Spice-Produktion übernehmen. Im Gegensatz zum tyrannischen Baron Vladimir Harkonnen (Stellan Skarsgård) und seinem Neffen Glossu Rabban (Dave Bautista) will der umsichtige Herzog Leto Atreides (Oscar Isaac) die in der Wüste hausenden Fremen nicht länger unterdrücken, sondern mit ihnen kooperieren.

    Allerdings hat das Haus Harkonnen die Spice-Raffinerien beschädigt hinterlassen – und so wird es kaum möglich sein, die Produktion schnell genug wieder hochzufahren, um die hohen Liefererwartungen des Imperators zu erfüllen. Während sich Leto mit Hilfe seiner Berater Gurney Halleck (Josh Brolin) und Thufir Hawat (Stephen McKinley Henderson) für einen möglichen Gegenschlag des Haus Harkonnen rüstet, erkennen einige Fremen in Letos Sohn Paul Atreides (Timothée Chalamet) ihren lange in den Prophezeiungen angekündigten Messias…

    Im zweiten Anlauf ein Volltreffer

    Die erste Verfilmung des Stoffes stammt von David Lynch („Lost Highway“). Aber während sein „Dune - Der Wüstenplanet“ aufgrund der ausgeflippten Designs und einiger wahrhaft grotesker Momente zwar einen gewissen (ironischen) Kultstatus besitzt, war die stark zusammengekürzte Erzählung am Ende doch viel zu sperrig und trocken, um ein größeres Publikum zu begeistern. „Dune“ avancierte 1984 zum katastrophalen Kino-Flop. Ein Schicksal, das Denis Villeneuves Neuverfilmung hoffentlich erspart bleibt. Wobei selbst abseits der Corona-Beschränkung längst nicht sicher ist, wie zahlreich die Zuschauer*innen tatsächlich in die Kinosäle strömen werden – denn wer bei „Dune“ den nächsten „Star Wars“ erwartet, sitzt definitiv im falschen Film.

    Abgesehen von einer an den Ohren schwitzenden Wüstenmaus und zwei Mini-Gags im ersten Drittel kommt „Dune“ fast ganz ohne auflockernde Elemente aus. Bei Denis Villeneuve ist der Sternenkrieg tatsächlich noch eine todernste Angelegenheit – und das zeigt sich auch bei den Performances: Nicht nur Oscar Isaac, Javier Bardem und Charlotte Rampling, sondern selbst ein Dave Bautista, bei dessen Wutausbruch man tatsächlich kurz zusammenzuckt, strahlen in „Dune“ vor allem eine unglaubliche Gravitas aus – und Timothée Chalamet trägt zwar den ganzen 165-Millionen-Blockbuster auf seinen schmalen Schultern, verzichtet dabei aber trotzdem auf jenen dandyhaften Charme, der ihn in Filmen wie „Call Me By Your Name“ und „Little Women“ überhaupt erst zum wohl angesagtesten Shooting Star seiner Generation gemacht hat.

    Ein Sandwurm ist im Anmarsch!

    Die interstellaren Ränkespiele sind hier immer ernst, aber nie trocken – und das liegt vor allem daran, dass Denis Villeneuve für seinen Anspruch, kompromisslos-ambitioniertes Science-Fiction-Kino für Erwachsene zu liefern, auch die nötigen inszenatorischen Qualitäten mitbringt. Nicht nur die Designs der Sets, der Kostüme, des Fettanzugs von Vladimir Harkonnen und der Libellenhelikopter auf Arrakis sind visionär – es ist vor allem der unbedingte Wille, aus jeder einzelnen Einstellung und jedem einzelnen Ton die maximale Größenwirkung herauszuholen, der „Dune“ wirklich unvergesslich macht. Dabei entspringt die epische Qualität übrigens nicht wie vielleicht erwartet aus der Story – ganz im Gegenteil: Es passiert sogar erstaunlich wenig, wobei auch noch die politischen und religiösen Subtexte des Romans von Denis Villeneuve eher links liegen gelassen werden. Stattdessen hat er gemeinsam mit seinen engsten Komplizen, dem Kameramann Greig Fraser („The Batman“) und dem Komponisten Hans Zimmer („Inception“), eine perfekt geölte und gnadenlos dröhnende Überwältigungsmaschine geformt …

    … die natürlich auch im Auftritt der längst legendären, bis zu 400 Meter langen Sandwürmer einen von vielen Höhepunkten findet: Wie in jedem guten Monsterfilm sieht man zu Beginn nur die sich gewaltig auftürmenden Sandberge, bevor man irgendwann auch mal Teile der Würmer selbst zu Gesicht bekommt – und wenn sich ganze Dünen unter dem gewaltigen Druck der Kreaturen in bibbernden Treibsand verwandeln, dann sorgt der Score allein dafür, dass man sich wie in einem 4D-Kino fühlt, wo sonst bewegliche Sessel das Durchschütteln des Publikums übernehmen. Aber es spricht eben auch für die Finesse von Denis Villeneuve, dass die Sequenz, in der Paul Atreides in seinem Schlafgemach von einer winzigen Mücken-Drohne angegriffen wird, quasi genauso spannend und intensiv geraten ist. So oft wie „Dune“ haben einem in 155 Minuten jedenfalls nur ganz wenige Filme den Atem geraubt…

    Fazit: Pures Überwältigungskino voll transzendentaler Schönheit und mit einem Score, der den Kinosaal wie noch nie zuvor zum Beben bringt. Jetzt beginnt das Daumendrücken, dass Denis Villeneuve auch „Dune 2“ drehen darf – denn wenn dieses Meisterwerk womöglich nur zur Hälfte erzählt wird, wäre das fürs Science-Fiction-Kino wirklich eine absolute Katastrophe…

    Wir haben „Dune“ beim Filmfest in Venedig gesehen, wo er außer Konkurrenz als Teil des offiziellen Wettbewerbs gezeigt wurde.

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