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    Jack In Love
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Jack In Love
    Von Florian Koch

    Einmal hinter die Kamera treten und endlich das Regiezepter an sich reißen - viele Schauspieler können dieser Versuchung einfach nicht widerstehen. Es muss ja nicht gleich ein Clint Eastwood („Gran Torino") dabei herauskommen, aber die Ergebnisse des kreativen Rollentauschs können sich oftmals durchaus sehen lassen. Das hat auch damit zu tun, dass sich viele Schauspieler erst mal nicht die ganz großen, komplizierten Projekte für ihr Regiedebüt aussuchen, sondern sich mit kleinen Charakterstücken zufrieden geben – häufig mit sich selbst in der Hauptrolle. Ein schönes Beispiel dafür ist der anrührende Mel-Gibson-Film „Der Mann ohne Gesicht" oder zuletzt „Happythankyoumoreplease" von „How I Met Your Mother"-Star Josh Radnor. Ganz ähnlich verhält es sich jetzt mit „Jack In Love", dem Erstlingswerk des Independent-Darlings Philip Seymour Hoffman. Der vielseitige Oscar-Preisträger („Capote") inszeniert sein kauziges Beziehungsdrama nach dem gleichnamigen Theaterstück von Robert Glaudini, für das er vor einigen Jahren selbst noch auf der Bühne stand.

    Mitten im Big Apple New York führt der Limousinen-Fahrer Jack (Philip Seymour Hoffman) ein einfaches Leben. Seinen Job erledigt der schüchterne Mann professionell, nur mit den sozialen Kontakten hat Jack so seine Probleme. Zwar hat der notorische Mützenträger mit dem Reggaefaible in dem charmanten Arbeitskollegen Clyde (John Ortiz) einen mitfühlenden Freund, in Sachen Beziehung sieht es bei Jack hingegen ziemlich düster aus. Doch Clydes Frau Lucy (Daphne Rubin-Vega) hat eine Idee. Ihre junge neue Kollegin Connie (Amy Ryan) ist alleinstehend, genauso schüchtern wie Jack und könnte nach Meinung von Clyde auch gut zu dem schweigsamen Einzelgänger passen. Die beiden organisieren bei sich zu Hause ein Blind Date und Jack und Connie scheinen sich trotz der einiger Unsicherheiten gleich gut zu verstehen. Da wäre nur ein Problem: Connies großer Traum ist es, einmal auf dem Central Park Boot zu fahren. Nur kann Jack leider nicht schwimmen. Aber wieder ist Clyde zur Stelle und bietet dem Verzweifelten einen persönlichen Schwimm-Crashkurs an.

    Philip Seymour Hoffman war schon immer ein Schauspieler, der in gefeierten Arthouse-Produktionen wie „Magnolia" mit großartigen Charakterporträts auf sich aufmerksam machen konnte. Selten verkaufte er sich an den Mainstream wie zum Beispiel als Tom Cruises Gegenspieler in „Mission: Impossible 3". Dieser Linie bleibt er sich als Regisseur weiter treu. „Jack In Love" lebt von den realistischen Porträts seiner Protagonisten, die sich alle aus der Arbeiterschicht Manhattans zusammensetzen. Ihre Probleme sind eher alltäglicher Natur und bleiben immer gut nachvollziehbar. Das Zusammenspiel der Hauptdarsteller wirkt in jeder Sequenz natürlich, was wohl auch daran liegt, dass drei der vier Schauspieler ihre Rollen auch schon in Theateraufführungen des Stücks verkörperten. Die einzige Newcomerin, Amy Ryan, bekannt als von Drogen zerfressene Mutter in Ben Afflecks „Gone Baby Gone", fügt sich bestens ins Ensemble ein.

    Die Rolle des Jack ist ein gefundenes Fressen für Philip Seymour Hoffman. Kaum einer könnte die Ticks des sympathischen Außenseiters besser herausarbeiten als der New Yorker Intellektuelle. Es sind nicht nur die Äußerlichkeiten, wie die albernen Reggae-Dreadlocks und die hässliche Mütze, die seine Figur auf Anhieb als hilfsbedürftig und sozial isoliert abstempeln. Auch in der Kommunikation hat Jack, der manchmal wirkt wie ein 40-jähriger Junge, dem man sein Spielzeug weggenommen hat, erhebliche Defizite, die Hoffman mit vielen Pausen, ständigem Räuspern und seinem hilflosen Dauer-„Yeah" herausarbeitet. Zugleich gelingt es dem Mimen aber auch, seine Figur - selbst bei seinen peinlich-komischen Schwimmversuchen - nie der Lächerlichkeit preiszugeben. Sein Bemühen um Integration, Anerkennung und vor allem Liebe ist immer deutlich zu spüren. John Ortiz gibt den coolen Gegenpart, der nach außen hin alles im Griff hat, aber seiner Frau misstraut und letztendlich beziehungsuntauglich ist. Daphne Rubin-Vega gelingt es im Zusammenspiel mit Ortiz und Hoffman hinter der harten Fassade ihrer Figur eine große Verletzlichkeit zum Vorschein zu bringen – was gleichermaßen auch für Amy Ryan als Connie gilt. Ihre Tollpatschigkeit und Unsicherheit wirkt auf der Oberfläche drollig, dahinter verbirgt sich jedoch eine große Angst davor, von Jack ausgenutzt zu werden. All diese labilen Charaktere haben eine schwere Vergangenheit hinter sich, die Hoffman aber weder ausformuliert noch in Rückblenden offenbart.

    Dass „Jack in Love" auf einer Theatervorlage beruht, merkt man sofort. Es gibt nicht nur wenige Schauplätze, auch äußere Ereignisse spielen in dem Independent-Drama kaum eine Rolle. Zumeist spielt sich die Handlung in engen Wohnräumen ab. Diese Beschränkung der Mittel setzt sich in der Inszenierung fort. Hoffman verzichtet weitgehend auf ästhetische Reizpunkte. Die ruhige Kameraarbeit und die behutsamen Schnitte belassen die Konzentration völlig auf den vier Hauptcharakteren. Nur bei Jacks Visualisierungsversuchen, um mit dem Ein- und Ausatmen beim Schwimmen besser zu Recht zu kommen und in der Küche beim Kochen die Fehler zu minimieren, kommt eine Überblendungstechnik zum Einsatz. Der stilvolle Umgang mit dem Sujet setzt sich in der Auswahl der sehr präsenten Filmmusik fort. Gefühlvolle Songs von bewährten Indie-Bands wie Devotchka („Little Miss Sunshine") illustrieren die jeweilige Stimmungslage, in der sich die Charaktere gerade befinden.

    Philip Seymour Hoffman macht in seinem Regiedebüt eigentlich alles richtig. Er greift auf ein bewährtes Theaterstück zurück, stellt geschickt zwei Beziehungen - eine wachsende und eine vergehende - gegenüber und verlässt sich auf seine hervorragenden Darsteller. Überraschungen, sowohl formaler wie auch inhaltlicher Art, sucht man in „Jack In Love" allerdings vergebens. Das komödiantisch aufgelockerte Drama reiht sich ein in den Reigen zahlreicher US-Indiefilme, die sich mit den Spleens ihrer verschrobenen Charaktere beschäftigen. Dass Hoffman dieses Genre beherrscht, hat er nun bewiesen. Jetzt heißt es, mutiger zu sein und sich bei der anvisierten nächsten Regiearbeit etwas mehr von den erprobten Standards zu entfernen.

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