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    The Tempest - Der Sturm
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    The Tempest - Der Sturm
    Von Ulf Lepelmeier

    William Shakespeare ist zeitlos und kommt nie aus der Mode – die Theaterstücke des britischen legendären Dramatikers werden auf der ganzen Welt mit immensem Erfolg aufgeführt und es vergeht gefühlt kein Jahr ohne mindestens eine filmische Adaption eines seiner zahlreichen Werke. Bevor Regisseur Roland Emmerich in seinem Film „Anonymous" versucht, einem mutmaßlichen Ghostwriter hinter dem großen Geschichtenerzähler auf die Schliche zu kommen, liefert Regisseurin Julie Taymor („Frida", „Titus") mit „The Tempest" ihre filmische Umsetzung des finalen Shakespeare-Stückes ab. Doch die eng am Originaltext entlang inszenierte Tragikomödie erweist sich nicht als erfrischende Neuinterpretation, sondern als hübsch fotografierter und erzählerisch unfokussierter Mummenschanz. Hauptdarstellerin Helen Mirren verzaubert als magisch begabte Prospera und verleiht ihren akzentuiert vorgetragenen Versen den Nachdruck, den die übrigen Darsteller bei ihren Rolleninterpretationen unter Taymors Regie weitestgehend vermissen lassen.

    Prospera (Helen Mirren) wurde einst nach dem Tode ihres Gemahls zur Herzogin von Mailand ernannt, doch unter der Anschuldigung der Hexerei alsbald von ihrem rücksichtslosen Bruder Antonio (Chris Cooper) wieder entmachtet. In einem kaum seetüchtigen Kahn gelang es ihr gemeinsam mit Tochter Miranda (Felicity Jones) jedoch, das Land zu verlassen. Ihre Flucht führte die Magierin auf eine beinahe unbewohnte Insel, wo sie sich den widerspenstigen Caliban (Djimon Hounsou) zum Untertan macht und den dienstbaren Luftgeist Ariel (Ben Whishaw) aus seinem Gefängnis befreit. Als Antonio und der verschlagene neapolitanische König zwölf Jahre später an der Insel vorbeisegeln, sieht Prospera ihre Chance auf Vergeltung gekommen. Unter Zuhilfenahme all ihrer Zauberkraft beschwört die verbitterte Frau einen Sturm herauf, der das Schiff kentern und die Menschen an Bord unversehrt auf der Insel stranden lässt. Die Zauberin beginnt ihr perfides Verwirrspiel mit den Schiffbrüchigen...

    In der pünktlich zum 400-jährigen-Jubiläum des gleichnamigen Shakespeare-Spätwerks erscheinenden Tragikomödie wandelt Regisseurin Taymor, die mit ihrem eigenwilligen Film „Titus" schon einmal ein Theaterstück des bedeutenden Dramatikers adaptierte, das Geschlecht der Hauptfigur um. So wird Protagonist Prospero zu Prospera. Diese zentrale Umdeutung gelingt problemlos und wird organisch in das Stück eingearbeitet, das damit nunmehr auch einen emanzipatorischen Aspekt hinzugewinnt. Dabei ist die Besetzung der Prospera mit der bühnenerfahrenen Helen Mirren („Die Queen", „Gosford Park") ein wahrer Glücksfall. Die schon im Alter von 19 Jahren in die renommierte Royal Shakespeare Company aufgenommene Schauspielerin versteht es vortrefflich, ihrer Prospera sowohl Entschlossenheit und Stärke, als auch Verletzlichkeit zu verleihen. Mit ihrer Präsenz und Wortgewandtheit gerät die Oscargewinnerin dabei zum Fixstern inmitten einer zerfaserten Inszenierung, in welcher die meisten ihrer Schauspielkollegen enttäuschen.

    Abgesehen vom mit der Thematik der kolonialen Unterdrückung verknüpften Caliban, die auf spannend körperbetonte Weise von Djimon Hounsou („Blood Diamond", „Gladiator") dargestellt wird, fügen sich die übrigen Nebenfiguren nicht homogen in den Film ein. Die romantische und die komödiantische Ebene der Adaption geraten gleichermaßen zum Fiasko. Die Liebesbekundungen von Miranda und Fernando verkommen bei Felicity Jones („Chéri") und Reeve Carney zu bedeutungslosen Schmachtphrasen, während die von Alfred Molina („An Education") und Russell Brand („Arthur", „Männertrip") einfallslos bis albern verkörperten Narren Stephano und Trunculo sich aus einem anderen Film auf die Insel verirrt zu haben scheinen und gänzlich deplaziert wirken. Schon „Across the Universe" hatte einen Episodencharakter, doch während das Beatles-Musical letztlich noch durch ein einheitliches Inszenierungskonzept zusammengehalten wurde, ist die Kontrastierung der Einzelteile in „The Tempest" zu stark geraten.

    Die Verknüpfung von Theater-Dialogen, an „Across the Universe" erinnernde Musiknummern und in ihrer Qualität stark schwankenden Spezialeffekt-Szenen gelingt der Regisseurin nur bedingt. Die Themen der um Rache, Vergebung und Vergänglichkeit kreisenden Vorlage drohen phasenweise in platter Komödie unterzugehen. Trotz eines beeindruckenden Kulissendesigns und einer glänzend agierenden Helen Mirren entwickelt „The Tempest" so nie die Wucht, die Taymors erste Shakespeare-Kinofilm „Titus" auszeichnete. Dort verstand es die Regisseurin noch weitaus besser, die Qualitäten der Vorlage über ihre exzessive Inszenierung herauszuarbeiten. Taymor lässt ein stringentes Konzept vermissen, mäandert zwischen abgefilmter Theaterperformance und Slapstick umher – und lässt zu, dass die Nebendarsteller völlig verblassen, sobald Helen Mirren auf die Insel-Bühne tritt und Shakespeares Worten pulsierendes Leben einhaucht.

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