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    The Kids Are All Right
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    The Kids Are All Right
    Von Carsten Baumgardt

    Zeiten ändern sich. Familienwerte auch. Und da sich das amerikanische Independentkino immer noch mehr erlauben kann als der große Bruder Mainstream, darf die perfekte Familie dort auch aus zwei lesbischen Frauen samt Anhang bestehen. Insofern mag die im Wettbewerb der 60. Berlinale laufende Komödie „The Kids Are All Right" wie ein Indie aus dem Lehrbuch daherkommen. Regisseurin Lisa Cholodenko inszeniert ihre warmherzige und humorvolle Geschichte aber mit erheblicher Gelassenheit und Leichtigkeit, was für kurzweilige Unterhaltung vor ernstem Hintergrund sorgt.

    Ärztin Nic (Annette Bening) und ihre landschaftsgärtnernde Frau Jules (Julianne Moore) führen in einem Vorort von Los Angeles eine harmonische Ehe. Den beiden Kindern, dem 15-jährigen Laser (Josh Hutcherson) und der 18-jährigen Joni (Mia Wasikowska), fehlt es an nichts. Während Einserschülerin Joni schon bald aufs College gehen wird, wirkt Laser noch etwas ziellos. Er will seinen biologischen Vater kennen lernen. Nic und Jules ließen sich künstlich befruchten und trugen jeweils eines der Kinder aus. Als der Kontakt zu dem Restaurantbesitzer Paul (Mark Ruffalo) hergestellt ist, freunden Laser und Joni sich sofort mit ihrem Erzeuger an – sehr zum Missfallen von Nic, die keinen Wert auf seine Anwesenheit legt und ihre Kinder lieber für sich hat. Paul, ein Mann der Tat, bietet Jules an, den Garten seines Lokals neu zu gestalten. Sie willigt ein. Damit nehmen die Probleme ihren Lauf, denn Paul und Jules kommen sich näher...BildergalerieInsgesamt 4 Bilder

    „The Kids Are All Right" ist der Stoff, aus dem Sundance-Filme sind. Und so verwundert es auch kaum, dass die Komödie auf dem wichtigsten Indie-Festival der Welt Ende Januar 2010 ihre Premiere feierte. Lisa Cholodenko (Laurel Canyon) packt alle Zutaten einer Produktion à la Sundance zusammen, mischt sie mit der Prämisse der lesbischen Bilderbuchmamis einmal durcheinander und treibt ihren Cast dabei zu ausgezeichneten Leistungen. Begleitet von einem coolen Soundtrack haben die Protagonistinnen zunächst höchstens Luxusprobleme. Erst als der coole Spermaspender Paul das Terrain entert, wird es kompliziert. Der kernige Macho steht für alles, was das Paar Nic und Jules ablehnt. Er geht keine festen Bindungen ein, tritt mitunter zu selbstgefällig auf - und schlimmer noch: Er fährt Motorrad. Doch Jules, die sich von Kontrollfreak Nic vernachlässigt fühlt, stürzt sich in eine verhängnisvolle Affäre.

    Neben der leichtfüßigen Regie von Lisa Cholodenko, die aus durchaus ernst zu nehmenden Themen einen beschwingten Film zaubert, überzeugt „The Kids Are Alright" vor allem mit seinen drei Hauptdarstellern. Julianne Moore (Magnolia, The Big Lebowski) und Annette Bening (American Beauty, Bugsy) bilden ein schönes, authentisch wirkendes Paar mittleren Alters. Ja, Nic trinkt eigentlich zu viel und Jules fühlt sich im Berufsleben unter Wert verkauft, aber das sind letztlich Kleinigkeiten, die die Ehe nicht nachhaltig belasten. Moore spielt das mit entwaffnender Natürlichkeit, Bening hält mit mehr Strenge dagegen, ist aber nicht weniger gut. Nachdem Mark Ruffalo (Zodiac, Wo die Liebe hinfällt) in Martin Scorseses Shutter Island im Schlagschatten von Leonardo DiCaprio zu wenig Gelegenheit zum Glänzen bekommt, darf er in „The Kids Are All Right" wieder mehr aus sich herausgehen. Erst noch misstrauisch als „Paul, der Spender" beäugt oder als „Sperminator" abgekanzelt, mischt er den Laden mit seinem Charme und seinem Ego schon bald ganz schön auf. Dabei ist Ruffalo, der bereits in Stadt der Blinden gut mit Julianne Moore harmonierte, in seinem Element.

    Der Humor ist so erwachsen wie die Sprache des Films. Falls nötig, wird geschimpft und geflucht wie es sich gehört. Wenn Nic und Jules ihre Vorliebe für Schwulenpornos pflegen, ist das schon komisch – und erst recht, als der Zuschauer die Erklärung dafür präsentiert bekommt. Cholodenko sieht keinen Anlass, Rücksicht auf ein familiäres Massenpublikum zu nehmen. Neben einigen Sexszenen zwischen Moore und Ruffalo zeigen sich auch Bening und Moore im Bett. Dabei glüht zwar der Vibrator, allerdings nur dezent unter der Bettdecke – und die Selbstverständlichkeit dieser Szenen ist erfrischend.

    Cholodenko setzt auf etablierte dramaturgische Strukturen. Die Hindernisse, die sich vor den Protagonistinnen auftürmen, sind mehr oder minder abzusehen, der Film bedient bekannte Muster. Damit ist zwar kein Innovationspreis zu gewinnen, aber durch die liebevolle individuelle Ausgestaltung bekannter Situationen sind diese alles andere als langweilig. Zumal Cholodenko und ihr Co-Drehbuchschreiber Stuart Blumberg (Glauben ist alles, The Girl Next Door) auch bei der Zuspitzung ihrer Story auf Glaubwürdigkeit setzen: Einer muss bei dieser Konstellation das Feld als Verlierer verlassen.

    Fazit: „The Kids Are All Right" ist eine sehenswerte Indie-Komödie, die nicht viel bahnbrechend Neues bietet - aber weil das Ganze so elegant arrangiert ist, macht der Film einfach Spaß.

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