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    The King's Speech - Die Rede des Königs
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,5
    hervorragend
    The King's Speech - Die Rede des Königs
    Von Christoph Petersen

    Wäre auf der Zielgeraden nicht noch Jeff Bridges als abgewrackter Country-Sänger in „Crazy Heart" aufgetaucht, hätte der Sieger bei der Oscar-Verleihung 2010 wohl den Namen Colin Firth getragen - schließlich galt der Brite für seine Rolle des schwulen Selbstmordkandidaten in Tom Fords „A Single Man" als Favorit auf die Goldstatue. Aber von diesem Rückschlag ließ sich Firth, der in den vergangenen Jahren selbst in Mainstream-Ware wie „Bridget Jones - Am Rande des Wahnsinns" oder „Mamma Mia!" beständig Topleistungen ablieferte, nicht ins Bockshorn jagen. Stattdessen legt er mit dem Historienfilm „The King‘s Speech" von „The Damned United"-Regisseur Tom Hooper nun sogar noch einen drauf. Als stotternder Royal liefert der lange unterschätzte Mime nicht nur die bisher beste Performance seiner Karriere ab, sondern erspielt sich auch endgültig den Ruf als einer der besten Darsteller seiner Generation. Dass auch der Film selbst erstklassig ist, gerät da in Anbetracht der phänomenalen Leistung des Hauptdarstellers fast schon ein wenig in den Hintergrund.

    Seitdem er ein kleiner Junge war, leidet Prinz Albert (Colin Firth), der von allen abschätzig nur „Bertie" genannt wird, unter seinem Stottern. Der Prinz und seine Gemahlin Elizabeth (Helena Bonham Carter) haben alles versucht, um das Problem in den Griff zu bekommen. Schließlich müssen die Mitglieder des Königshauses schon lange nicht mehr nur herrschaftlich für Fotografen posieren, sondern – der neuen Technik sei Dank – auch immer wieder Radioansprachen an die Nation halten. Zum Glück ist Albert nicht der älteste Sohn von König George V (Michael Gambon), so dass er sich ein wenig im Schatten seines als Edward VIII thronfolgenden Bruders David (Guy Pearce) verstecken kann. Doch dann verliebt sich dieser in eine geschiedene Frau, womit die Kirche gar nicht einverstanden ist. David dankt Ende 1936 aus Liebe ab und überlässt seinem Bruder die Krone. Dieser wiederum wendet sich in seiner Not an den höchst eigenwilligen Sprachtherapeuten Lionel Logue (Geoffrey Rush), um sein Stottern noch vor der Krönung abzustellen...

    Nachdem „The Damned United" über den nur 44 Tage wähnenden Trainerjob von Brian Clough (Michael Sheen) bei Leeds United im vergangenen Jahr außerhalb seiner britischen Heimat kaum jemand gesehen hat, wird Tom Hooper mit „The King's Speech" nun weltweit für Aufsehen sorgen – Royals haben eben einen universelleren Appeal als Fußballlehrer. Dabei macht der Regisseur einen guten Job, indem er nicht allzu sehr in historischen Interieurs schwelgt, sondern sich voll auf seine Darsteller konzentriert. Denn die Qualität von „The King's Speech" geht deutlich stärker als üblich auf das Konto seiner Stars. Colin Firth („Easy Virtue") gelingt dabei weit mehr als nur das handwerklich perfekte Nachstellen eines Sprachfehlers. Sein Prinz Albert/König George VI schlingert zwischen der Macht, die seine Stellung mit sich bringt, und seinem Stottern, das ihn immer wieder in die Position eines Underdogs rutschen lässt. Dabei meistert Firth dramatische Szenen ebenso mit spielerisch wirkender Selbstverständlichkeit wie die schreiend komischen Unterrichtsstunden bei Lionel Logue, der ihn eine absurd erscheinende Sprechübung nach der anderen durchleiden lässt.

    Damit kommt dann auch schon Oscar-Kandidat Nummer zwei ins Spiel. Geoffrey Rush (Oscar für „Shine - Der Weg ins Licht", Nominierungen für „Shakespeare in Love" und „Quills - Macht der Besessenheit") gibt den autodidaktischen Therapeuten, der ohne Diplom praktiziert, mit einem hinreißenden derb-trockenen Humor, der praktisch jeden seiner Auftritte zu einem Komödien-Highlight macht. Als verrückt-skurriles Genie, dazu noch mit einem australischen Akzent, ist er das genaue Gegenteil der stocksteifen Aristokraten und Kirchenoberen, die ihn deshalb auch nicht gerade mit offenen Armen in ihrer Mitte empfangen. Gewohnt gut ist Helena Bonham Carter („Sweeney Todd") als Queen Elizabeth, der Mutter der aktuellen Queen, deren Leistung in wohl so ziemlich jedem anderen Film zu ausführlicheren Jubelstürmen Anlass gäbe, aber hier ein wenig hinter ihren männlichen Co-Stars zurücksteht.

    Dass bei den brillanten Wortgefechten zwischen dem Prinzen und seinem Therapeuten, die man Drehbuchautor David Seidler nach mittelmäßiger Animationsware wie „Das magische Schwert - Die Legende von Camelot" und „Der König und ich" in dieser Qualität eigentlich gar nicht zugetraut hätte, auch mal geflucht wird, hat bei der amerikanischen Filmbewertungsstelle MPAA übrigens dazu geführt, dass „The King's Speech" dieselbe Freigabe bekommen hat wie die Folterorgie „Saw 3D - Vollendung". Damit ist dies nach dem Ryan Gosling/Michelle Williams-Beziehungsdrama „Blue Valentine" schon der zweite Oscar-Kandidat, der von den Sittenwächtern nur für ein erwachsenes Publikum freigegeben wurde. Dieses rigorose Vorgehen gegen pädagogisch wertvolles Kino, das in diesem Fall nur wegen einiger dramaturgisch absolut notwendiger Flüche in eine Schmuddelecke gedrängt wird, hat zwar zu einem Aufschrei amerikanischer Kulturschaffender geführt, aber selbst wenn dieser erhört werden sollte, wäre es für „The King's Speech" wohl zu spät. Endlich bringt ein Historienfilm einmal Anspruch und Unterhaltung perfekt unter einen Hut und dann heißt es für interessierte Schulklassen: Wir müssen leider draußenbleiben!

    Fazit: „The King's Speech" verbindet eine extrem unterhaltsame und wenig bekannte Anekdote aus der Historie des britischen Königshauses mit grandiosem Schauspielerkino. Wir sind mal ganz mutig und verkünden schon drei Monate vor der Verleihung der Academy Awards: Selten war ein Oscar so verdient wie der für den alles überragenden Colin Firth.

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